Berlin/Wien. Zwei Skelette, das eine umarmt das andere: Ein 20 Jahre alter Fund in Österreich erzählt eine neue Geschichte – auch von einem Pferd.
Forscher staunten nicht schlecht, als sie vor gut 20 Jahren ins oberösterreichische Wels kamen. Die Stadt wollte eine Tiefgarage nahe dem Bahnhof bauen und war bei Bauarbeiten auf Gräber gestoßen. Soweit so gewöhnlich, die Besiedlung des Gebiets besteht seit Jahrtausenden, dass im Erdreich menschliche Überreste vergraben sind, damit ist zur rechnen. Doch was da in einem der Gräber lag, das erregte dann doch Aufsehen.
In der Grube fanden sich zwei Skelette, der Arm des einen war um das andere gelegt und gebettet waren beide auf ein Pferd. Mit im Grab lagen außerdem zwei Anhänger aus Gold, in Form eines Rades und eines Halbmonds. Schnell schien festzustehen: Hier hatte ein frühmittelalterliches Liebespaar seine letzte Ruhe gefunden. Bayern sollen sei gewesen sein, aus dem 7. Jahrhundert nach Christus, darauf deuteten – so die Forschungsmeinung damals – die West-Ost-Ausrichtung der Grabstätte hin und deren Tiefe.
Zwei Jahrzehnte später stellt ein Team von Wissenschaftlern der Universität Wien fest, wer da wirklich begraben war: keine Bayern, wesentlich älter und eine romantische Beziehung dürfte zwischen den beiden Toten dürfte – nach allem dafürhalten – wohl auch nicht bestanden haben, wenn sie sich auch sehr geliebt haben werden.
Skelette stammen aus der Römerzeit
Mittels moderner Forschungsmethoden entschlüsselte das Team um Professorin Sylvia Kirchengast das Rätsel um „Liebenden“ von Wels: Zwei Frauen lagen in dem Grab, die eine zwischen 40 und 60 Jahre alt, die andere Mitte 20, Mutter und Tochter, vermutlich. In ihrer im „Journal of Archaeological Science“ veröffentlichten Arbeit schreiben die Forscherinnen und Forscher, es handle sich um Menschen aus dem 2. Jahrhundert und damit stammt das Paar aus der Zeit der römischen Vorläuferin von Wels, der Stadt Ovilava.
Wegen des großen Altersunterschieds dürfte es sich bei den beiden Toten nicht um Schwestern gehandelt haben. Dem Wissenschaftsportal „Livescience“ sagte Kirchengast: „Es ist sehr unwahrscheinlich, dass zwei Schwestern zu jener Zeit mit 20 Jahren Abstand voneinander zur Welt gekommen sind.“ Das Team gehe daher von einer Mutter-Tochter-Beziehung aus. Genetisch waren beide Verwandte ersten Grades.
Für Österreich ist diese Entdeckung eine archäologische Sensation, handelt es sich doch um die erste nachgewiesene römische Mutter-Tochter-Bestattung in der Alpenrepublik, wie es in der Studie heißt. Beide wurden offenbar gleichzeitig zur letzten Ruhe gebettet. Was mag zu der gemeinsamen Bestattung der beiden geführt haben?
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Anzeichen für eine Gewalttat gebe es laut den Forschern keine, auch wiesen die Knochen keine Spuren einer schweren Krankheit auf und Hinweise auf einen tödlichen Unfall gebe es ebenfalls nicht. So dürfte eine Infektionskrankheit die beiden Frauen wohl ungefähr zur gleichen Zeit dahingerafft haben. Aufgefallen war den Forschern aber etwas anderes.
Liebten Mutter und Tochter das Reiten?
Nicht etwa hielt die Mutter ihre Tochter im Tode im Arm – es war genau andersherum. Warum die Mitmenschen diese Positionierung wählten, bleibt Spekulation. Die Geste wird als schützend interpretiert und offenbart, dass zwischen den beiden ein besonderes Band bestanden haben muss. Üblicherweise wurden Familienangehörige zu jener Zeit getrennt bestattet.
Mindestens eine der beiden Frauen muss zudem eine starke Beziehung zu Pferden empfunden haben. Dominik Hagmann, einer der führenden Autoren der Studie, sagte „Livescience“: „Soweit wir wissen, war es extrem ungewöhnlich für römische Menschen, mit ihren Pferden begraben zu werden.“
Er glaubt, dass die beiden Frauen einer keltischen Kultur angehörten, die im römischen Reich überdauerte. Von den Kelten weiß man, dass sie ihren Toten tierische Begleiter wie Hunde oder Pferde mit auf die letzte Reise gaben. Das ältere der beiden Skelette habe weise zudem Anzeichen für häufiges Reiten auf. „Vielleicht waren die beiden Reit-Enthusiastinnen.“
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