Neuenstadt. Klingt verrückt – aber es scheint zu funktionieren. Ein deutsches Startup entwickelt preiswerte Transportsysteme für Satelliten.
Ins All mit Kerzenwachs? Das klingt verrückt – soll aber nun Wirklichkeit werden: In der privaten Raumfahrt sind vor allem Menschen wie Elon Musk und Jeff Bezos bekannt. Doch auch private Raketenbauer aus Deutschland drängen auf den Markt.
Jetzt ist erstmals seit Jahrzehnten eine kommerzielle Trägerrakete des deutschen Unternehmens Hyimpulse gestartet. Die zwölf Meter lange Rakete hob am Freitagmorgen in Südaustralien ab, wie das Unternehmen mit Sitz im baden-württembergischen Neuenstadt am Kocher bei Heilbronn bekannt gab.
Das Unternehmen testete damit seine Technologie vor dem ersten geplanten Flug in den Orbit Ende 2025.
Hyimpulse setzt auf den Kostenfaktor des preiswerten Antriebs
Laut Mitgründer Mario Kobald setzt Hyimpulse, das 2018 gegründet wurde und 65 Mitarbeiter beschäftigt, damit „ein Zeichen für die Leistungsfähigkeit der Raumfahrtnation Deutschland“. Das Besondere daran: Hyimpulse setzt auf einen innovativen Antrieb, der flüssigen Sauerstoff mit Paraffin kombiniert und bei dem nach eigenen Angaben „keine Explosionsgefahr“ besteht.
Paraffin sei billig und erfordere eine weniger komplexe Technologie, erklärte Hyimpulse. Der Bau des Trägerfahrzeugs sei „etwa 40 Prozent billiger als bei herkömmlichen Antriebssystemen“.
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Die in Australien gestartete suborbitale Trägerrakete war dafür ausgelegt, eine Höhe von 250 Kilometern zu erreichen und 250 Kilogramm zu transportieren. Ziel des Starts war es, Daten über die Funktionsweise des Antriebs und der Kontrollsysteme zu sammeln. Mit den gesammelten Daten wird das Start-up-Unternehmen die Entwicklung seiner 32 Meter langen SL1-Rakete verfeinern, deren Erstflug für Ende 2025 geplant ist. Sie soll in der Lage sein, bis zu 600 Kilogramm Nutzlast in eine Höhe von 500 Kilometern zu befördern.
Welchen Zweck hat das Ganze?
Die Idee ist laut HyImpulse-Mitgründer Christian Schmierer, mit der Trägerrakete ein besseres Angebot für Kleinsatelliten zu machen. „Bisher gibt es vor allem Raketen auf dem Markt, die man sich wie Busse oder Züge vorstellen kann. Sie laden die Satelliten nur an bestimmten Orten im Orbit ab – wie an einer Haltestelle. Unsere Rakete ist eher wie ein Taxi.“
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Die Raketen seien durch das hybride Triebwerk aus festem und flüssigem Treibstoff günstiger, da weniger Bauteile nötig seien als bei herkömmlichen Antrieben. Der Start einer Orbitalrakete mit größerer Nutzlast sei für Ende 2025 geplant.
Wie ist der Start in einem internationalen Kontext zu bewerten?
Die Welt schaue zwar nicht auf den Start, aber für Deutschland sei er ein wichtiges Event, sagte Martin Tajmar, Experte für Raumfahrttechnik an der TU Dresden. Im Ganzen betrachtet sei es ein Nischenmarkt. Doch der sei für Europa relevant, weil es im Moment niemanden gebe. In Europa spielen bislang die Raketen des Unternehmens Arianespace eine entscheidende Rolle beim Transport von Satelliten. Ein Ariane-Launcher, der etwas ins All bringen könne, sei aber gerade nicht im Betrieb.
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In anderen Ländern ist die private Raumfahrt viel stärker, oder?
Die Raketen von Tech-Milliardär Elon Musk seien in diesem Jahr für rund 90 Prozent aller weltweiten Raketenstarts zuständig, erklärte Tajmar. Danach folge China.. SpaceX-Gründer Musk habe den Maßstab hochgelegt. „Da schauen alle nur ehrfürchtig zu und die Chinesen versuchen es zu kopieren.“ Sonst tue sich aktuell nicht viel. Musk habe auch mit einer kleinen Rakete angefangen. Doch er sei relativ schnell zu größeren Modellen übergegangen, die dann wiederverwendbar wurden, ein enormer Vorteil für Preis und Verfügbarkeit. Aber: „Man muss irgendwo anfangen“, sagte Tajmar mit Blick auf die deutschen Start-ups.
Was erwartet der Anbieter langfristig?
Dass es in den USA und China schon entsprechende Anbieter von kleinen Raketen gibt, ist Schmierer bewusst. Aber die seien viel zu teuer, sagt er. HyImpulse sei preislich deutlich attraktiver. Ein Start der größeren kommerziellen Rakete koste etwa sechs Millionen Euro. Pro Kilogramm Nutzlast wolle man etwa 6500 Euro berechnen. Man habe bereits viele Kundenanfragen, die Auftragsbücher seien ordentlich gefüllt. Auch die Politik hofft auf Kostensenkungen durch die Nutzung privater Anbieter.
Wer braucht solche Satelliten-Taxis?
Zu den Kunden gehört laut Schmierer etwa die Automobilindustrie, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren brauche. Man wolle den Markt nicht China und den USA überlassen. „Wir brauchen auch als Europäer Unabhängigkeit von den Amerikanern, auch wenn sie unsere Partner sind.“
Auch der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Chancen für private Hersteller von kleineren Raketen. Satelliten werden nach seinen Aussagen immer kleiner werden. Die neuen Kleinraketen-Anbieter seien flexibler als die großen, bei denen man schon zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt ordentlich wachsen, sagte der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München. Deshalb halte er die Ideen der Start-ups für richtig.
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Welche deutschen Firmen stehen noch in den Startlöchern?
HyImpulse ist nicht das einzige Start-up in Deutschland, das derzeit an der Entwicklung von sogenannten Microlauncher arbeitet. Im Nachbarbundesland Bayern gibt es zwei Mitbewerber: Rocket Factory in Augsburg und Isar Aerospace nahe München. Alle drei wurden in den vergangenen Jahren gegründet. Sie arbeiten an Trägerraketen, mit denen Satelliten ins All befördert werden können, und planen demnächst erste Testflüge. (ftg/dpa)