Sachsen-Anhalt. Archäologen haben eine befestigte Siedlung aus dem Mittelalter freigelegt. Der Fund hat eine kaiserliche Bedeutung.

Wenn Archäologen auf völlig unbekannte Siedlungen stoßen, sind diese meist schon Tausende Jahre alt. Aus der Antike, der Bronzezeit oder Jungsteinzeit gibt es unzählige Beispiele von Orten, die auf keinem historischen Schriftstück verzeichnet sind. Doch dass Forscher eine befestige Siedlung aus dem Mittelalter freilegen, ist deutlich seltener. In Sachsen-Anhalt machten Archäologen einen solchen Glücksfund.

Wie das Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie (LDA) Sachsen-Anhalt am Dienstag in Halle mitteilte, konnten nördlich des Flusses Unstrut die Überreste zweier beeindruckender Steinbauten, einer Kirche sowie eines Wohnbaus freigelegt werden. Die Entdeckung wurde im Umfeld des Klosters Memleben (Burgenlandkreis) bei Grabungsarbeiten im vergangenen Jahr gemacht. Seit Anfang April ist sie unter Leitung des Göttinger Archäologen Felix Biermann näher untersucht worden.

Ein gut 240 mal 170 Meter großes, rechteckiges Wall-Grabenwerk umgibt demnach ein dicht besiedeltes Areal. Im Mittelalter habe sich im Westen der Siedlung eine 16 Meter lange, einschiffige Kirche mit einer halbrunden Apsis Richtung Osten befunden. Im rechten Winkel zur Kirche sei ein großer steinerner Wohnbau von mindestens 17 mal 6,5 Meter Fläche aufgefunden worden. Das reichhaltige Fundmaterial verweise auf eine Besiedlung vom 9. und 10. bis zum 14. Jahrhundert, hieß es.

Archäologen legen in Siedlung Kopfnischengräber und Sarkophage frei

„Die Tore im Norden und Westen waren wahrscheinlich mit Steinbauten bewehrt“, sagte Biermann über die Siedlung. Im Westen der Wehranlage fanden sich Relikte zweier stattlicher Steinbauten. Die Kirche ersetzte einen älteren, kleineren Sakralbau von lediglich gut acht Metern Länge. Dazu gehörte ein dicht belegter Friedhof. Freigelegt wurden Kopfnischengräber und Sarkophage aus Stein, die aus dem 10. bis 12. Jahrhundert stammen.

Auf dem Friedhof der Kirche fanden die Forscher Kopfnischengräber und Sarkophage.
Auf dem Friedhof der Kirche fanden die Forscher Kopfnischengräber und Sarkophage. © DPA Images | Hendrik Schmidt

Die sehr starken Mauern des Wohnbaus erfuhren im Laufe der Zeit mehrfache Um- und Anbauten. „Im späten Mittelalter arbeiteten in den Ruinen Metallhandwerker, die etliche Öfen hinterließen“, sagte Biermann. Zudem wurde die Besiedlung im Umfeld der Steinbauten durch ein Grubenhaus und diverse Wirtschaftsgruben belegt.

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Sachsen-Anhalt: Forscher finden mittelalterliche Artefakte

Neben slawischer wellenverzierter Keramik und einer Scheibenfibel der Ottonenzeit wurden die für das hohe und späte Mittelalter typischen Kugeltöpfe gefunden. Zudem kamen bronzene Messerscheidenbeschläge, Projektile von Armbrustbolzen, mittelalterliche Silbermünzen, ein gotischer Schlüssel sowie ein spätmittelalterliches Pilgerzeichen mit der Darstellung eines gekrönten Herrschers zutage.

Die aktuellen Untersuchungsergebnisse verdeutlichen laut Landesamt die Bedeutung des neuen Fundplatzes. Sie fügten dem Wissen um die Kultur- und Herrschaftslandschaft um Memleben wichtige Erkenntnisse hinzu. Denn Memleben im heutigen Burgenlandkreis diente als Pfalz und Sterbeort des ostfränkischen Königs Heinrich I. (um 876-936) sowie von dessen Sohn und Nachfolger, dem römisch-deutschen Kaiser Otto dem Großen (912-973). Das Kloster bestand bis zur Reformation. Heute sind die Ruinen ein Museum.

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