Berlin. Gegen Woody Allen stehen seit Jahren Vorwürfe des Missbrauchs im Raum. Im Interview verrät der Regisseur, wie es ihm heute damit geht.
- Woody Allen ist nicht nur ein weltbekannter Regisseur, sondern auch Autor, Schauspieler und mehr
- Jenseits seiner schillernden Karriere belasten Allen allerdings Missbrauchsvorwürfe
- Im Interview spricht er über seine Sorgen
Filmregisseur, Autor, Schauspieler und passionierter Jazzmusiker: Woody Allen gilt als einer der produktivsten Regisseure aller Zeiten. Mit „Ein Glücksfall“ legt der 88-Jährige nun einen romantischen Thriller vor. Dass seine Person für Kontroversen sorgt, geht ihm nach eigener Aussage nicht nahe. Seine Adoptivtochter, Dylan Farrow, bezichtigt Allen, sie in den 90er-Jahren im Alter von sieben Jahren missbraucht zu haben. Ihre Adoptivmutter Mia Farrow, Allens ehemalige Lebensgefährtin, bekräftigt die Vorwürfe.
Woody Allen wies die Vorwürfe stets zurück. Die amerikanischen Behörden stellten Untersuchungen in dem Fall ein. Während sich namhafte Prominente von dem Filmemacher abwandten, blieb seine Frau und ehemalige Adoptivtochter Soon-Yi Previn an seiner Seite. Im Interview spricht er darüber, was ihm heute mehr Sorgen bereitet als die Missbrauchsvorwürfe.
Sie haben sich im hohen Alter eine neue Herausforderung zugemutet: Zum ersten Mal haben Sie in Paris einen Film auf Französisch gedreht.
Woody Allen: Das war ja nicht so schwierig, schließlich konnten alle Englisch. Zwar wurden die Szenen auf Französisch gedreht, aber ich kann ja erkennen, ob Schauspieler eine gute und glaubwürdige Leistung bieten, ob sie nun Englisch oder Japanisch sprechen.
Für mich war das ein Riesenvergnügen, denn seit jungen Jahren liebe ich europäische Filme, die so viel innovativer und einfallsreicher als Hollywood-Produktionen waren. Deshalb wollte ich auch in Europa als Regisseur geschätzt werden und zu meinem Glück ist das passiert – auch wenn ich das selbst nicht recht so erklären kann.
Woody Allen über Missbrauchsvorwürfe: „Zerbreche mir nicht den Kopf“
Ihre Hinwendung zu Europa hängt also nicht mit Ihren Problemen in den USA zusammen? Sie werden ja bezichtigt, 1992 Ihre Adoptivtochter sexuell missbraucht zu haben, selbst wenn ein rechtsmedizinisches Gutachten Ihre Unschuld feststellte.
Allen: Das hat mich nie in meiner Arbeit und meinem Leben beeinträchtigt. Darüber zerbreche ich mir nicht den Kopf – und meine Familie auch nicht. Hauptsache, ich komme in der Früh aus dem Bett und kann arbeiten. Natürlich würde ich mich freuen, wenn es wieder zu einer Aussöhnung mit den Betreffenden kommen sollte, aber ich mache mir keine Illusionen, dass das je möglich sein wird.
Wie kann es sein, dass Sie diese ganzen Debatten um Ihre Person nicht beeindrucken?
Allen: Weil es, wie gesagt, mich nicht tangiert. Wenn ich dagegen aufwache und ein schwarzes Muttermal auf meiner Hand sehe, dann denke ich: Mein Gott, ich habe ein Melanom. Was sich dann als Fehlalarm herausstellt. Aber in dem Moment jagt mir das einen richtigen Schrecken ein. Das andere ist im Vergleich dazu Unfug.
Und was sagen Sie dazu, dass Ihre Gegner es am liebsten sehen würden, wenn Sie keine Filme mehr machen. Beim Festival von Venedig, wo „Ein Glücksfall“ letztes Jahr Premiere hatte, gab es ja Proteste...
Allen: Künstlerische Werke verbieten zu wollen, ist eine der Narrheiten unserer Zeit. Es wird noch einige Zeit dauern, bis man das als Idiotie erkannt hat.
Politik in Amerika: Diese Partei sieht Allen als „Bedrohung für die USA“
Würden Sie sich wünschen, dass Sie bestimmte Erfahrungen im Leben nicht gemacht hätten?
Allen: Nein. Jeder hat im Leben Wunderbares und Schlechtes erlebt. Manchmal hat man Glück, manchmal nicht. Warum sollte sich mein Leben großartig von dem anderer Menschen unterscheiden? Wobei ich hinzufügen muss, dass es mir viel besser geht als der Mehrheit. Ich liebe es zwar, mich zu beklagen, was mir auch meine Frau vorwirft. Aber ich beklage mich stellvertretend für alle anderen.
Die Tatsache, dass ich mit meiner Frau die Liebe meines Lebens gefunden habe oder dass ich ungeahnte Erfolge hatte, spielt letztlich keine Rolle. Denn der Menschheit an sich geht es schlecht. Wir haben keine guten Karten. Und am Schluss erwartet uns alle der Tod, ob arm oder reich.
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Die politische Situation in den USA, wo ein Donald Trump ein Comeback erleben könnte, dürfte Sie auch nicht gerade begeistern.
Allen: Die Situation lässt sich nicht auf einen einzigen Mann reduzieren. Als Wähler der Demokraten habe ich ein großes Problem mit der republikanischen Partei generell. Denn die ist dabei, Amerika in den Abgrund zu treiben. Sie ist eine größere Bedrohung für die USA als die Länder, gegen die wir in den Krieg gezogen sind. Denn sie ist bis in den Kern verfault. Viele ihrer Mitglieder verfehlen die moralischen Standards, die wir mit dem traditionellen Amerika verbinden.
Woody Allen progostiziert den Ausgang der US-Wahlen
Wir sprachen von Ihren positiven Erfahrungen mit Europa. Sie könnten ja dorthin umziehen?
Allen: Das würde ich nicht in Betracht ziehen, es sei denn, die Situation verschlimmert sich massiv. Zu Beispiel, wenn meine Familie oder ich bedroht werden sollten. Dann würde ich gehen. Ich könnte auch in bestimmten Ländern glücklich werden. Aber ich sehe keinen Anlass auszuwandern, denn bei den nächsten Wahlen werden die Republikaner eine Niederlage erleiden. Und ab da werden sie weiter an Macht verlieren.
Sie glauben das wirklich?
Allen: Ja. Die Demokraten müssen nur an die Wahlurnen gehen und für die Leute stimmen, die für die guten amerikanischen Werte stehen. Auf diese Weise geraten die Republikaner immer mehr ins Hintertreffen, und unser Land findet den Anstand wieder, den es in der Vergangenheit hatte. Nicht, dass es je perfekt war. Aber es war weit von dem entfernt, was die Republikaner heute verkörpern. Und es kann so wieder weiter eine Speerspitze der Demokratie werden.
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Nun sehen Sie das Leben eher pessimistisch. Woher kommt dieser plötzliche Optimismus?
Allen: Man hält mich für einen Pessimisten, aber ich persönlich denke, dass ich ein Realist bin. Deshalb glaube ich, dass die Demokraten bei den nächsten Wahlen einen großen Sieg davon tragen werden. Andererseits: Wer bin ich schon? Ich bin im Showbusiness. Und von Politik habe ich keine große Ahnung.