Berlin. Schauspieler Henning Baum verrät, wieso er sich Sorgen um die deutsche Debattenkultur macht und weshalb er gerne freundlicher wäre.
Alexander Nebe
Als schwuler Hauptkommissar spielte sich Henning Baum in der Serie „Mit Herz und Handschellen“ vor mehr als 20 Jahren in die Herzen seiner Fans. Meilensteine in der beruflichen Vita Baums, der erst kürzlich in einer Umfrage zum männlichsten Prominenten Deutschlands gewählt wurde: „Der letzte Bulle“, die beiden Kinoverfilmungen von „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ oder die Serie „Der König von Palma“. Jetzt ist er in der vierten Staffel der Audible-Original-Podcast-Serie „Marvel’s Wastelanders“ (ab 13. März) als Superheld Wolverine zu hören.
Wolverine ist ein zerrissener Held, der mit inneren Dämonen ringt. Welche Dämonen plagen Sie?
Henning Baum: Wir alle befinden uns in einem Kampf zwischen Gut und Böse, in dem wir durch unseren freien Willen entscheiden müssen, wie wir sein möchten und uns verhalten wollen. Ich kann von mir nicht behaupten, dass ich diesen Kampf in mir abgeschlossen habe. Aber immerhin bin ich mir darüber bewusst, dass es ihn gibt.
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Können Sie ein Beispiel nennen?
Baum: Ich muss mehr daran arbeiten, freundlicher zu meinen Mitmenschen zu sein. Das fällt mir in der Hektik und im Zeitdruck des Alltags weiterhin schwer. Gründe dafür, um grummelig zu sein, stolpern mir zwar jeden Morgen sofort entgegen. Es schadet aber nicht, sich auch in Stressmomenten dazu zu entscheiden, ruhig und freundlich zu bleiben.
Henning Baum: „Männer sind nicht für alles Schlechte verantwortlich“
Heroische Charaktere wie Wolverine sind in der Regel sehr männlich. Was sagen Sie dazu, dass Männlichkeit heute schnell als toxisch dargestellt wird?
Baum: Es ist sehr gut und wichtig, dass Frauen in vielen Bereichen immer mehr aufholen und mit uns Männern auf Augenhöhe sind. Trotzdem sollte man das Kind nicht mit dem Bade ausschütten …
Das bedeutet?
Baum: Ich finde es schwierig, wenn heute allzu vorschnell und dann auch noch in falscher Weise verallgemeinert wird. Zum Beispiel durch die These, dass Männer für alles Schlechte auf der Welt verantwortlich sind und Männlichkeit deshalb toxisch sei. Es gab schon immer auch eine Lady Macbeth. Gut und Böse wohnen in uns allen! Mit groben Verallgemeinerungen liegt man immer falsch, auch mit Schwarz-Weiß-Denken. Ich halte es zudem für einen Fehler zu sagen, dass Männer und Frauen gleich sind.
Wieso?
Baum: Weil sie es nicht sind! Es gibt nicht ohne Grund ebenso große wie wichtige Unterschiede. Erst im Zusammenspiel der Geschlechter können wir uns doch besonders gut ergänzen und aufblühen. Ich begrüße den Unterschied und möchte den auch durch nichts und niemanden abgeschliffen haben.
Was wünschen Sie sich in Zukunft für das Miteinander?
Baum: Ich hoffe sehr, dass sich aufgrund der aktuellen Debatten zwischen Frauen und Männern nicht ein total sprödes Nebeneinanderherleben entwickelt! Vielmehr sollten wir an einem einander bereichernden, charmanten und fröhlichen Miteinander arbeiten. Und sofern alles im Rahmen des Anstands und der guten Erziehung bleibt, sollte auch zukünftig ein guter Witz auf Augenhöhe drin sein. Denn erst durch Humor und Selbstironie in der Begegnung miteinander entsteht ein wunderbarer Charme.
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Ist es nicht verständlich, dass Frauen heute nach Debatten wie etwa #MeeToo keine Lust mehr auf Macho-Sprüche und anzügliche Witze haben?
Baum: Moment! Niemand spricht hier von Macho-Sprüchen und anzüglichen Witzen! Es muss natürlich immer auf Augenhöhe, emanzipiert, offen und charmant sein. Aber selbst das wird inzwischen leider schnell als Anmache missverstanden. Es ist gut, dass das Pendel derzeit stark zurückschlägt und peinlich-plumpe Männerwitze heute nicht mehr toleriert werden. Aber in meinen Augen sind die Befindlichkeiten bei vielen inzwischen extrem übersensibilisiert. Machen wir uns doch alle mal wieder ein wenig lockerer!
Baum über Debattenkultur: „Niemandem sollte man einen Maulkorb verpassen!“
In welchem Zustand befindet sich in Ihren Augen die Debattenkultur in Deutschland? Wie gut und fair können wir uns über die großen Reizthemen noch diskutieren?
Baum: Da liegt seit einiger Zeit leider vieles im Argen. Dabei lohnt es sich doch immer, miteinander zu reden oder auch mal angeregt zu diskutieren. Denn solange man sich im Rahmen des Anstands bewegt, sollte das immer geschehen. Ich spreche im Alltag oft viel mit Taxifahrern, Polizisten, Verkäufern – alle haben ein Recht, gehört zu werden. Niemandem sollte man einen Maulkorb verpassen!
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Wo liegen in Ihren Augen die größten Gefahren im Verfall der Debattenkultur?
Baum: Wir müssen aufpassen, dass wir nicht ungewollt eine Art Sprach- und Sittenpolizei ins Leben rufen. Wenn wir dem zu sehr nachgeben, dann stirbt in meinen Augen die kontroverse Debatte, die unterschiedliche Meinungen zulassen muss und soll. Es ist in einer offenen und pluralistischen Gesellschaft wichtig, auch Meinungen anzuhören, die von unserer eigenen abweichen. Wir müssten eine Fähigkeit entwickeln, auch die Ansicht des anderen zu begreifen. Niemand hat zu 100 Prozent recht. Auch in der Ansicht des anderen liegt eine gewisse Wahrheit, die es anzuhören lohnt – auch dann, wenn sie aus einem anderen politischen Lager kommt.
Deswegen sucht Henning Baum die Einsamkeit
Sie gelten als Mann mit eigenem Kopf und als Freigeist. Waren Sie immer schon so?
Baum: Ich war nie stromlinienförmig, bin nie dem Zeitgeist und der Herde hinterhergelaufen. Deshalb fühlte und fühle ich mich auch oft fehl am Platz. Ich kann mich nicht wirklich einer bestimmten Gruppe Mensch zuordnen und habe bereits früh das Gefühl gehabt, dass ich nirgendwo richtig dazugehöre. Das begleitet mich bis heute, ist aber auch nicht schlimm. Ich finde es zwar schön, wenn ich mich mit guten Freunden zum Austausch treffe – aber ich suche nicht gezielt die Geselligkeit.
Demnach können Sie auch mal gut mich sich alleine sein und in sich hineinhorchen?
Baum: Ja, und das halte ich auch für wichtig. Viele Menschen können das aber leider nicht mehr, werden dann sofort unruhig und lenken sich ab, wozu es ja reichlich Gelegenheit gibt. Aber wenn man ihnen die Handys mal für einen Tag wegnimmt oder sie hinter Klostermauer setzt, dann würden das die meisten wohl als absolute Zumutung empfinden.
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Sie dagegen würden es genießen?
Baum: Das Alleinsein und die totale Stille sind so wichtig, damit wir uns sammeln und die Dinge in uns ordnen können. Dieses ständige Sich-durch-Medien-Smartphone-und-Social-Media-Berieseln-bis-Berauschen muss endlich aufhören, damit wir auch wieder eine innere Stimme hören und geistige Inspiration empfangen können. Wie sollen sich die denn Gehör verschaffen, wenn es in unserem Leben ständig nur dröhnt?