Berlin. Ex-Tatort-Kommissarin Anna Schudt spielt jetzt eine Hebamme. Im Interview verrät sie, warum sie gegen männliche Geburtshelfer ist.

Ob als „Maria Stuart“ auf der Bühne oder als TV-Kommissarin im „Tatort“ Dortmund – intensive Rollen prägen die Karriere von Anna Schudt. Jetzt kommt eine neue, ganz besondere Figur zu ihrer Filmografie hinzu: In der Serie „Push“ (ab 10. März, ZDFneo, 20.15 Uhr) spielt die 49-Jährige eine Hebamme.

In Ihren Rollen der jüngeren Vergangenheit – nicht zuletzt im „Tatort“ – hatten Sie es mit dem Tod zu tun. Hat so eine lebensbejahende Rolle wie eine Hebamme eine andere Wirkung auf Sie?

Anna Schudt: Total. Was auch an der Figur liegt, die Ruhe und Vertrauen ausstrahlt. Das hat auch auf mich sehr beruhigend gewirkt und sehr gut getan.

Sie haben drei Söhne. Kamen jetzt Erinnerungen an deren Geburten hoch?

Schudt: Nein, aber ich habe mich sehr an der Person meiner damaligen Hebamme orientiert. Was sie in mir ausgelöst hat, fand ich lebensverändernd.

Inwieweit hat das Ihr Leben verändert?

Schudt: Weil ich beim ersten Mal keine Ahnung hatte, wie das alles abläuft. Ich dachte, da geht man ins Krankenhaus und kriegt ein Kind. Diese Frau erklärte mir, wie viele Varianten es bei einer Geburt gibt, wie viel man selber entscheiden kann und dass jede Entscheidung ihre Konsequenz hat. Auf körperlicher, seelischer und hormoneller Ebene. Für mich war eine Hausgeburt eher exotisch und unverständlich bis ich diese Gespräche geführt habe und dachte: Das passt ja total zu mir.

Anna Schudt: Diese Erkenntnis machte sie beim Dreh demütig

Ist also Geburt generell ein wichtiges Thema für Sie?

Schudt: Ein großes Herzensthema. Deshalb hat es mich auch zutiefst beeindruckt, mit welcher Unbedingtheit meine jungen Kolleginnen die Geburtsszenen gespielt haben, obwohl sie teilweise keine Vorkenntnisse hatten.

In der Serie „Push“ spielt Anna Schudt (l.) die Hebamme Anna. Unterstützung erhält Anna von Greta (Lydia Lehmann, 2.v.l.) und Nalan (Mariam Hage, r.), während sie Valeria (Sophie Pfennigstorf, 2.v.r.) versorgen.
In der Serie „Push“ spielt Anna Schudt (l.) die Hebamme Anna. Unterstützung erhält Anna von Greta (Lydia Lehmann, 2.v.l.) und Nalan (Mariam Hage, r.), während sie Valeria (Sophie Pfennigstorf, 2.v.r.) versorgen. © ZDF | Richard Kranzin

Haben Sie selbst etwas bei der Serie neu gelernt?

Schudt: Oh ja, sehr viel. Wir hatten eine betreuende Hebamme am Set, und von der habe ich mitgenommen, dass ich noch viel weniger bewerten sollte. Jede Entscheidung für eine bestimmte Art von Geburt hat ihre Geschichte und ihre Gründe. Es gibt kein Richtig und Falsch. Da wurde ich etwas demütig und dachte mir: Da kannst du deine ganzen Wertungen in Zukunft stecken lassen.

Diese Unterschiede sieht Anna Schudt zwischen Männern und Frauen

Es gibt die Auffassung, dass Frauen friedfertiger als Männer sind, weil sie Leben geben...

Schudt: Frauen sind von Natur aus erstmal keine Kriegerinnen. Wieso sollten wir unsere Söhne in den Krieg schicken wollen? Du trägst sie neun Monate in Dir, presst sie unter Schmerzen auf die Welt, liebst sie bedingungslos, ziehst sie mit ganzem Herzen groß und sagst dann: So mein Sohn, jetzt ist es soweit, Du bist alt genug, nun geh in den Krieg…

Sind Frauen deshalb bessere politische Führungspersonen als Männer?

Schudt: Das kann ich nicht beurteilen. Aber sie verhalten sich in der Gemeinschaft anders als Männer. Beim Team von „Push“ war der Anteil der Frauen so hoch wie ansonsten der der Männer. Und das war ein komplett anderes Arbeiten. Da hat nie jemand gesagt „Ich habe recht“, sondern „Okay, darüber muss ich nachdenken.“ Da wurden viel mehr Diskussionen geführt als sonst.

Das heißt, Sie möchten künftig lieber in Frauenteams arbeiten?

Schudt: Das habe ich nicht gesagt. Ich mag Männer, ich finde es toll mit ihnen zu arbeiten und finde sie großartig in ihrer Andersartigkeit. Ohne sie wäre es furchtbar langweilig und öde in meinem Leben. Ich habe ja auch drei Söhne und einen Mann. Deshalb glaube ich nicht an getrennte Männer- und Frauenteams. Aber ein Gleichgewicht wäre total produktiv.

Schudt über Hebammen: „Dieser Beruf sollte Frauen vorbehalten bleiben“

Was halten Sie von männlichen Hebammen?

Schudt: Dieser Beruf sollte Frauen vorbehalten bleiben. Da bin ich jetzt mal ein wenig gegen Gleichberechtigung. Ich kenne keine Frau, die sich eine männliche Hebamme wünschen würde. Man braucht einen mütterlichen Beistand, eine „weise“, ruhige, nährende Person. Wenn man dazu ein männliches Prinzip braucht, kann man ja den Papa des Babys oder sonst eine männliche Person einladen.

Sie sprachen vorhin von der inneren Ruhe Ihrer Hebammen-Figur. Wann bringen Sie die im Alltag auf?

Schudt: Ich glaube, dass ich von Natur aus eher ruhig bin. Auch in Extremsituationen. Dann fahre ich auf Autopilot und werde auf keinen Fall hysterisch.

Anna Schudt findet, dass der Beruf der Hebamme Frauen vorbehalten sein sollte.
Anna Schudt findet, dass der Beruf der Hebamme Frauen vorbehalten sein sollte. © picture alliance/dpa | Christoph Soeder

Wann zum Beispiel?

Schudt: Als ich jünger war, war beim Thema Geburt viel los, jetzt werden Todes- und Krankheitsfälle präsenter.

„Eine Geburt toppt alles, was ich bisher erlebt habe“

Aus unwissender männlicher Perspektive gefragt: War für Sie irgendeine Erfahrung ähnlich intensiv wie eine Geburt?

Schudt: Eine Geburt toppt alles, was ich bisher erlebt habe. In ihrer Unbedingtheit und Magie lässt sie sich nur mit dem Tod vergleichen. Denn beides ist nicht mit dem Verstand zu erfassen. Das sind die beiden archaischsten Momente im Leben. Du weißt: Du wirst dieses Kind bekommen. Da kommt etwas, von dem du nicht weißt, wie es sein wird.

Und was für einen Sinn ergibt die Existenz zwischen diesen beiden Punkten?

Schudt: Darauf habe ich keine Antwort. Wir sind ein Puzzleteil in diesem Naturwunder, und es ist ganz gut, sich darauf zu besinnen. Denn das hat auch etwas Beruhigendes an sich. Da wir eines Tages sterben, ist vieles nicht so wichtig. Diese Perspektive relativiert viele Dramen, die wir so erleben, und unsere unbedingten Wünsche.

Was für einen Wunsch hätten Sie in puncto „Push“?

Schudt: Dass es weitergeht. Es gibt in diesem Rahmen noch Hunderttausende von Geschichten zu erzählen. Wir bräuchten mehr Hebammen-Serien und vielleicht etwas weniger Krimis.