Rom. Die Krabben-Plage in Italien hat dramatische Folgen. Immer mehr Fischer stellen ihre Produktion ein. Was das für Urlauber bedeutet.
Es liegt schon der Hauch von Frühling in Italiens Luft. Die Menschen zieht es raus aus dem Haus, hinein in die Restaurants. Und manche Lokale haben bereits ihre Tische draußen gedeckt. Doch eine Sorge trübt die Laune der Gastronomie-Besitzer immens: Müssen Sie ihre beliebten Spaghetti vongole von der Speisekarte nehmen?
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Die Blaue Schwimmkrabbe, die im vergangenen Jahr zur Plage der Adria geworden war, bedroht die einheimische Küche. Die aus dem Westatlantik stammenden Schalentiere, die normalerweise ausschließlich an der Ostküste der USA oder im Golf von Mexiko vorkommen, haben sich als „Killer der Meere“ einen Namen gemacht.
Italien: Blaukrabbe breitet sich dramatisch aus
Die Krabbentiere fressen in lagunenartigen Gebieten Italiens Austern, Muscheln, Fischrogen und anderes Meeresgetier. Das große Problem: Die Blaukrabben verbreiten sich immer stärker. Weil die Lieferung von Venus- und Miesmuscheln – Zutaten für beliebte Gerichte wie „Spaghetti alle vongole“ und „Zuppa di cozze“ – in den nächsten Monaten stark gefährdet sein wird, bangen Italiens Gastronomen um ihre Spezialitäten.
Grund für den Angriff auf die Lieblingsspeisen der Italiener und ihrer Urlauber ist laut Experten der Klimawandel und damit die Erwärmung der Gewässer. Die Blaukrabbe fühlt sich bei wärmeren Temperaturen sozuagen pudelwohl und vernichtet Austern & Co. vor allem in der Gegend des Po-Delta. Bis zum Ausbruch der Plage wurden hier jedes Jahr 15.000 Tonnen Venusmuscheln geernet. Das ist mehr als die Hälfte der italienischen Produktion.
Böse Folgen: Fischer stellen Muschelproduktion ein
Schon lange war klar, dass die Blaukrabben Probleme machen. Nun hat die Plage drastische Folgen: Schon 14 Genossenschaften des Fischereikonsortiums der Region Polesine an der Mündung des Po mussten ihre Produktion einstellen. Der Grund: Muschelmangel. Die Produktion einzustellen, sei eine „unvermeidbare Entscheidung“ gewesen, klagt Luigino Marchesini, Präsident des Fischereikonsortiums. „Die Produktion ist um siebzig Prozent eingebrochen.“ Besonders kritisch ist die Situation auch in der Emilia Romagna zwischen Goro und Comacchio. Die Köche verzweifeln angesichts des Muschelmangels. Jetzt sind Ideen gefragt.
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Die Genossenschaften, die in den dortigen Gebieten mit dem niedrigsten Wasserstand arbeiten, versuchen derzeit, die Muscheln vor den Angriffen der Blaukrabbe mit Zäunen zu schützen. Auch die Wissenschaft hat sich mit dem Thema befasst, das Italiens Tourismusmanager nervös macht, und sich die Frage gestellt, wie die Blaukrabbe tickt und was sie stoppen könnte.
Der Klimwandel bietet der Blaukrabbe beste Voraussetzungen
„Der Klimawandel macht es kompliziert, Vermutungen über das Verhalten dieser Art anzustellen“, sagt Mattia Lanzoni, Ökologieforscher an der Universität Ferrara. Die Plagegeister nämlich seien noch längst nicht genau erforscht. Ökologieforscher Lanzoni muss sich mit wissenschaftlichen Erkenntnisse wie diesen begnügen: Sie bilden Kolonien bis zu drei Meilen vor der Küste. In Binnengewässern siedeln sie bis zu 120 Kilometer von den Flussmündungen entfernt. Die Aktivität der Blaukrabbe nimmt „im Winter ab, um bei warmem Wetter wieder ihre volle Stärke zu erreichen“.
Doch die hyperaktive Blaukrabbe zeigt der Wissenschaft in diesem milden Winter den Stinkefinger. Die Außentemperatur ist gemäßigt, und auch das Meer hat sich deutlich weniger abgekühlt, als es der Jahreszeit entspricht. Die Folge für Touristen und Einheimische ist, dass die Preise für die bei Restaurants gefragten Muscheln stark gestiegen sind.
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„Der verrückte Anstieg der Muschelpreise beweist, dass die Blaukrabbe alles gefressen hat“, klagt der Präsident der Region Venetien Luca Zaia. „Ein Weibchen legt bis zu acht Millionen Eier. Für unsere Meere ist dies eine Tragödie.“ In Venetien befänden sich die größten Produzenten von Venusmuscheln. „Unsere Fischer wurden in die Knie gezwungen“, so Zaia weiter.
Sorge: Blaukrabben könnten Tourismus gefährden
Die Fischer wollen angesichts des Notstands Gegenmaßnahmen ergreifen. So sollen die Blaukrabben mit rechenartigen Instrumenten eingefangen und ihr Fleisch verkauft werden. Restaurants nahe Venedig und in Triest setzen die Tiere schon als Delikatesse auf die Speisekarte. Blaukrabben haben einen hohen Gehalt an Vitamin B12. Küchenchefs und Gourmets sind vielfach von ihrem Geschmack überzeugt. In den USA oder China gelten die Allesfresser bereits als Gaumenfreude.
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Doch einfach nur aus der Not eine Tugend zu machen, das soll die Ausnahme bleiben: Die Regierung in Rom hat im vergangenen Sommer 2,9 Millionen Euro Soforthilfe für die „Bekämpfung der Invasion“ bereitgestellt. Die Region Venetien stellte weitere 80.000 Euro für die bessere Erforschung der Gattung zur Verfügung.
„Doch dieses Geld ist leider nicht wirklich in die Kassen der Fischer geflossen, die die wahren Schäden erlitten haben“, klagt Antonio Gottardo, Verantwortlicher in der Region Venetien für die Genossenschaft Legacoop. Er warnt auch vor negativen Auswirkungen auf den Tourismus, sollte sich die Blaukrabbe verstärkt in seichtem Wasser unweit der Strände der Adria-Küste vermehren.