Berlin. Eine Forscherin entdeckte eine Genmutation bei hoher Strahlung ausgesetzten Wölfen: Sie sind Krebs-resistent. Doch das ist nicht alles.
Der Hund ist seit Jahrtausenden ein treuer Begleiter des Menschen. Jedoch teilen Mensch und Hund nicht nur oft das Zuhause, sie erkranken auch auf sehr ähnliche Weise an Krebs und heilen davon. Für Forschende heißt das: Von Hunden und deren wilden Verwandten, den Wölfen, können sie etwas über Krebs beim Menschen lernen. Ein amerikanisches Forscherteam ging deshalb dorthin, wo hohes Krebsrisiko und Wölfe zusammentreffen: das von der Wildnis zurückeroberte Gebiet um Tschernobyl.
Bei den inzwischen wieder dort lebenden Wolfsrudeln haben Wissenschaftler der Universität Princeton eine verblüffende Entdeckung gemacht. Die einer sehr hohen Strahlung ausgesetzten Wölfe wiesen Genmutationen auf, die ihr Risiko, an Krebs zu erkranken, verringerte.
Wölfe waren sechsfach höherer Strahlung ausgesetzt
Das Reaktorunglück von Tschernobyl war das größte in der Geschichte der menschlichen Nutzung von Atomenergie. Seit 1986 ist das Gebiet rund um das ehemalige Atomkraftwerk in der Ukraine deswegen Sperrgebiet. Die Strahlungswerte sind so hoch, dass Krebserkrankungen sehr wahrscheinlich sind.
Radioaktivität: Darum sind deutsche Wildschweine häufig belastet
Um die Wölfe zu untersuchen, hatte ein Team um die Evolutionsbiologin Clara Love die Wölfe mit GPS-Halsbändern ausgestattet und nahmen sie den Wölfen Blut ab. „Wir erhalten Echtzeitmessungen darüber, wo sie sich befinden und wie viel [Strahlung] sie ausgesetzt sind“, so Love in einer Pressemitteilung der Society for Integrative and Comparative Biology (SICB). Sie stellten fest, dass die Wölfe einer sechsmal höheren Strahlung ausgesetzt waren, als der gesetzliche Höchstgrenze für Menschen.
Tschernobyl-Wölfe mit verändertem Immunsystem
Love fand heraus, dass die Wölfe ein verändertes Immunsystem hatten, ähnlich wie bei Krebspatienten, die sich gerade in Chemotherapie befinden. Die größte Überraschung war jedoch, dass Love bei den Wölfen auf Gene stieß, die eine Resistenz gegen erhöhtes Krebsrisiko entwickelt zu haben scheinen.
Krebsforschung beim Menschen fördert meist nur diejenigen Gene zutage, die durch Mutation ein erhöhtes Krebsrisiko aufweisen – also das genaue Gegenteil der Mutation bei den Tschernobyl-Wölfen.
Seit der russischen Invasion der Ukraine ruhe das Forschungsprojekt jedoch. „Unsere Priorität ist, dass die Menschen und Mitarbeiter dort so sicher wie möglich sind“, sagt Love in der Mitteilung.
- Therapie: Neue Wunderpille gegen Krebs? „Das ist äußerst unseriös“
- Gute Nachrichten: Neue Therapie erhöht Überlebenschancen bei Gebärmutterhalskrebs
- Prävention: Impfung gegen Krebs? Biontech macht überraschende Ankündigung
- Kommentar: Diese Früherkennung von Prostatakrebs ist Geldverschwendung
Wichtige Fragen und Antworten: Was geschah beim Reaktorunglück in Tschernobyl?
Am 26. April 1986 kam es im Kernkraftwerk Tschernobyl in der damaligen Sowjetunion (heute Ukraine) zum schwersten Unfall in der Geschichte der zivilen Nutzung der Kernenergie. Eine Explosion und ein anschließender Brand im Reaktor 4 setzten große Mengen radioaktiver Stoffe frei, die sich über weite Teile Europas verbreiteten.
Wie kam es zu dem Unfall?
Der Unfall wurde durch eine Kombination aus fehlerhaftem Reaktordesign und menschlichem Versagen während eines Sicherheitstests verursacht. Während des Tests wurden Sicherheitssysteme absichtlich deaktiviert, was zusammen mit weiteren Fehlern zu einer unkontrollierten Reaktion und letztendlich zur Explosion führte.
Welche Gebiete waren von der radioaktiven Kontamination betroffen?
Die schwersten Kontaminationen traten in unmittelbarer Nähe zum Kraftwerk auf, insbesondere in Teilen der Ukraine, Weißrusslands und Russlands. Radioaktive Niederschläge wurden jedoch über Tausende von Kilometern verteilt, wobei auch Gebiete in Skandinavien, Westeuropa und bis hin zu Teilen Großbritanniens betroffen waren.
Wie viele Menschen wurden evakuiert?
Über 115.000 Menschen wurden unmittelbar nach dem Unfall aus den am stärksten betroffenen Gebieten evakuiert. In den folgenden Jahren erhöhte sich die Zahl der umgesiedelten Personen auf etwa 220.000.
Welche gesundheitlichen Auswirkungen hatte die Katastrophe?
Die direkten gesundheitlichen Folgen umfassten akute Strahlungskrankheit bei den Einsatzkräften, von denen einige kurz nach dem Unfall starben. Langfristig führte die erhöhte Strahlenbelastung zu einem Anstieg von Schilddrüsenkrebs, insbesondere bei Kindern, sowie zu weiteren Krebserkrankungen und gesundheitlichen Problemen in den betroffenen Gebieten.