Berlin. Lucas Gregorowicz geht nach seinem Aus bei „Polizeiruf 110“ neue Wege. Auch in seiner Familiengeschichte hat er einiges aufzuarbeiten.
Nach seinem Ausstieg bei „Polizeiruf 110“ taucht Lucas Gregorowicz in der achtteiligen Mystery-Crime-Serie „Oderbruch“ (19. und 26. Januar ab 22.20 Uhr mit jeweils vier Folgen in der ARD) in eine Welt düsterer Geheimnisse ein. Doch diese löst bei dem auch 47-Jährigen, der mit der Schauspielerin Anna Maria Mühe liiert ist, auch Assoziationen an die eigene Familie aus, in der er zwischen Deutschland und Polen hin und her gerissen wurde. Im Interview spricht der prominente Schauspieler über sein Serienende und die merkwürdigen Erlebnisse und Ereignisse in seiner Familiengeschichte.
- Auch interessant:Stefanie Stappenbeck – „Ich war mit den Nerven fertig“
Sie sind aus „Polizeiruf 110“ ausgeschieden, aber nun spielen Sie in der Miniserie „Oderbruch“ wieder einen Kommissar. Lässt Sie der Krimi-Job nicht los?
Lucas Gregorowicz: „Oderbruch“ ist so etwas wie ein sanfter Übergang, damit der Schock, plötzlich kein Kommissar mehr zu sein, nicht ganz so groß ist.
Sie kommen aus einer deutsch-polnischen Familie. Hatten Sie einen besonderen Bezug zu den Schauplätzen von „Oderbruch“?
Gregorowicz: Absolut. Die Miniserie handelt unter anderem von den Traumata, die von Generation zu Generation weiter gegeben werden. Den Schatten dieser Geschichten begegnet man in dieser Gegend heute noch überall und sie prägen auch meine eigene Familienhistorie.
Gregorowicz: So dramatisch ist seine Familiengeschichte
Was gibt es bei Ihrer Familienhistorie Bemerkenswertes?
Gregorowicz: Mein Großvater und seine Geschwister wurden als Kinder einer polnischen Kaufmannsfamilie in Berlin geboren und gingen dann wieder zurück nach Polen. Als der Zweite Weltkrieg ausbrach, waren sie hin und her gerissen.
Mein Großvater landete als Arzt bei der polnischen Armee, entband dann aber im deutschen Krankenhaus in Warschau Kinder. Sein Bruder musste als sogenannter „Leistungspole“ als Mechaniker zur Wehrmacht. Bemerkenswert ist auch, dass meine Urgroßmutter den jüdischen Namen Morgenstern trug.
Haben Sie versucht, Spurensuche zu betreiben und offene Fragen zu klären?
Gregorowicz: Es wurde eine Generation zurück nicht so offen gesprochen und die vierzig Jahre Sozialismus legten auch nochmal einen Deckel drauf. So gingen die ganzen Antworten mit meinen Großeltern ins Grab. Ich habe noch meinen Großonkel in Breslau besucht, da war er schon über 90. Die Chronologie seiner Erzählungen bis 1939 war absolut logisch, aber von 1939 bis 1945/46 wurde das ein Wust aus Filmszenen und Träumen, Märchen und Heldensagen.
Danach ging das Chaos weiter. Mein Großvater saß nach dem Krieg fünf Jahre im kommunistischen Gefängnis, weil er einen amerikanischen Spion behandelt hatte. Es gibt noch so viele offene Fragen. Zum Beispiel habe ich neulich ein Bild von meinen Großeltern aus dem Warschau der Kriegszeit gefunden – in Tenniskleidung, wohlgenährt, braun gebrannt. Und die Adresse war nur vier Blocks vom Warschauer Ghetto entfernt.
- Schlagerstar: Beatrice Egli über Liebe – „Sollen die Menschen spekulieren“
- Sängerin:Conchita Wurst – „Ich konnte das alles nie verarbeiten“
- Promi: Barbara Becker – Das ist mit allen meinen Ex-Partnern so“
- Moderatorin: Ina Müller über „LOL“ – „Es weht ein sehr rauer Wind“
Aber Ihre eigene Geschichte verlief ohne Brüche ab?
Gregorowicz: Nicht ganz. Auch wenn ich in London geboren wurde, bin ich in Polen aufgewachsen. Für mich als Kind war die Oder eine unüberwindbare mythische Grenze. Umgekehrt als Erwachsener war sie die Landmarke die mich von meiner Kindheit in Polen trennte. Wir sind 1986 in die BRD ausgewandert, ohne Aussicht auf Rückkehr. Als ich dann „Polizeiruf 110“ gedreht habe, bin ich auf der Brücke über die Oder zwischen den beiden Ländern ständig hin und her gelaufen und habe Fotos für meine Eltern gemacht. Surreal.
Wie hat Sie diese Erfahrung zwischen zwei Ländern geprägt?
Gregorowicz: Ich habe mich schon manchmal gefragt, wie die Dinge wohl gelaufen wären, wenn wir nicht übergesiedelt wären. Anekdotisch gesehen kam ich mir manchmal vor, als wäre ich immer noch in den Herbstferien. Denn in den Herbstferien 1986 sagten meine Eltern, wir würden in den Urlaub fahren.
Sie durften uns nicht erzählen, dass wir nicht zurückkommen. Ich hatte meine Hausaufgaben für die Schule dabei. Ich ging gerne zur Schule. So haben die Herbstferien einfach nicht aufgehört. Es blieb ein Gefühl, als wäre man immer ein bisschen ein Gast im Leben. Und in der deutschen Sprache sowieso. Als würde man sich das nur ausleihen.
- Schauspielerin: Marianne Koch übers Altern – „Man ist nicht Sklave der Gene“
- Star-Patissier: Christian Hümbs über TV-Job – „Wie eine zweite Familie“
- „Hundeflüsterer“: Martin Rütter über schweren Verlust – „Hätte sofort losgeheult“
- Schauspielerin: Stefanie Stappenbeck – „Ich war mit den Nerven fertig“
- Hollywood-Star: Johnny Depp im Interview – „Wir wurden wie Freaks behandelt“
Der Schauspieler Gregorowicz über Heimat, seine Familie und die Liebe
Was ist dann für Sie Heimat?
Gregorowicz: Der Ruhrpott, in dem ich meine Jugend verbrachte, wo ich auf die Schauspielschule ging und wo auch noch meine Eltern leben, ist meine soziale Heimat. Polen, wo ich eine Zeitlang zu leben versuchte, ist es nicht. Berlin, wo ich wohne, ist es vom Ort her auch nicht. Das Gefühl von Heimat stellt sich nur bei Menschen ein – meine Eltern, meiner Familie und bei der Frau, die ich liebe.
Können Sie sagen, wie weit Sie auf Ihrem Selbstfindungsprozess gekommen sind?
Gregorowicz: Das ist eine unendliche Geschichte. Aber ich habe gemerkt, dass man da alleine nicht viel weiter kommt, sondern am besten über den Spiegel eines anderen Menschen. Zumindest bei mir scheint es so zu sein.
- Lesen Sie auch:Marleen Lohse – „Ich habe ganz neuen Respekt vor Eltern“
Wie würden Sie sich selbst mit Stand jetzt beschreiben?
Gregorowicz: Ich kümmere mich gerne. Es geht mir am besten, wenn ich für jemanden da sein kann. Einerseits bin ich ungeduldig, aber wenn ich in einen Zustand komme, wo ich denke, hier kann ich bleiben, fühle ich mich eigentlich wohler. Die Rastlosigkeit war früher viel ausgeprägter.