Berlin. Im neuen „Tatort“ Stuttgart werden Jugendliche für kriminelle Machenschaften eingespannt. Ein bekanntes Gesicht ist wieder dabei.
Eine ganz alltägliche Szene, scheint es: Ein 13-Jähriger schlendert im Dunkeln durch die Straße, lehnt sich gegen eine Wand, guckt aufs Handy. Aber er steht neben einem Juweliergeschäft. Und plötzlich laufen drei Maskierte an ihm vorbei. Da ist klar: Der Jugendliche steht Schmiere bei einem Raubüberfall. Und doch ist er für den Moment abgelenkt, in dem eine Frau das Geschäft betritt. Kurz darauf ist der Laden ausgeraubt, der Juwelier schwer verletzt, die Kundin tot. Und der Junge entsetzt – weil die Tote seine Schuld ist.
„Tatort“ Stuttgart zeigt große Gefahr für junge Menschen auf
„Zerrissen“, die neue „Tatort“-Folge aus Stuttgart, handelt von einer traurigen Realität: Jugendliche werden für schwerwiegende Delikte eingespannt, weil sie noch nicht strafmündig sind. Das wird hier anhand eines beklemmenden Clan-Dramas erzählt.
In deren Mittelpunkt steht David Ellinger, eindringlich gespielt von Nachwuchsdarsteller Louis Guillaume: ein sensibler Junge, der doch bereits schwer traumatisiert ist. Denn sein Vater ist ein Clan-Chef, der hinter Gittern sitzt. Sein ebenfalls krimineller Bruder kam vor kurzem ums Leben. Deshalb wohnt David nun in einem Heim. Doch seine beiden Cousins drehen nach wie vor krumme Dinger, setzen dafür auch Davids Schwester ein. Und schließlich auch ihn selbst.
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Der Junge ist hin- und hergerissen. Einerseits will er werden wie sein großer Bruder, zu dem er stets aufgeschaut hat – und der ihm auch als Toter immer wieder erscheint, wie um ihm den Weg zu weisen. Andererseits ist da noch die junge und resolute Sozialarbeiterin im Heim, Annarosa (Caroline Cousin), kurz Aro genannt, die selbst als Jugendliche Gewalt erlitten hat und ihre Schützlinge davor bewahren will. Und in die ist der pubertierende David heimlich verliebt.
Kommissare schockiert vom Schicksal des Jugendlichen
Die Zeiten, in denen die Stuttgarter Kommissare Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare) eigene Konflikte mit sich rumschleppten, sind lange vorbei. Sie sind – fast schon die Ausnahme in der Krimireihe – einfach bei der Arbeit zu erleben. Umso erschütternder sind die Verhältnisse, in die sie und die Zuschauer in dieser Folge Einblick nehmen.
Und das Dilemma, vor dem sie stehen. Denn das Ermittler-Duo ahnt früh, dass der Ellinger-Clan hinter dem Überfall steckt. Und auch, dass David Schmiere stand. Aber sie haben keine Beweise und bräuchten ein Geständnis des Jungen. Lannert prescht weit vor. Der Sozialarbeiterin sind die Polizisten aber genauso suspekt wie die Clan-Kriminellen, weil in ihren Augen auch sie den Jungen nur für ihre Zwecke instrumentalisieren – und ihn damit in große Gefahr bringen. Ein Risiko, das Lannert bewusst eingeht, während sein Kollege durchaus Skrupel hat.
„Tatort“ am Sonntag: Dieser bekannte Schauspieler kehrt zurück
Es ist ein sehr intensiver „Tatort“, den Martin Eigler da inszeniert und mit Sönke Lars Neuwöhner auch geschrieben hat. Fast so etwas wie eine antike Tragödie, in der ein Fluch über einem ganzen Haus liegt, bis ins letzte, unschuldige Glied. Wie die Kommissare hier moralisch miteinander ringen, wie aber vor allem ein 13-Jähriger hier mit sich selbst ringt und früh seine Zukunft zu verspielen droht – das ist unbedingt sehenswert.
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Eine Merkwürdigkeit am Rande: Als einer der kriminellen Cousins ist der russischstämmige Schauspieler Oleg Tikhomirov zu sehen. Der spielte erst letzte Woche in einer Kölner und Ende November in einer Kieler „Tatort“-Folge mit. Er zeigt sich durchaus wandlungsfähig. Aber gibt es so wenig Darsteller auf dem Markt? Oder greift man immer wieder in dieselbe Schublade? Die Frage stellt sich hier, bei aller Spannung, schon.
Der Krimi „Tatort: Zerrissen“ läuft am Sonntag, 21. Januar, um 20.15 Uhr in der ARD und ist außerdem in der Mediathek zu sehen.