Berlin. Für Felix Klare war die neue ZDF-Rolle über Missbrauch im Schulsport extrem hart. Der „Tatort“-Schauspieler über seine eigene Kindheit.

Felix Klare scheut sich nicht vor harten Geschichten. Die erlebt der 45-Jährige als Kommissar des Stuttgarter „Tatorts“ ständig – und jetzt aktuell in dem Drama „Wir haben einen Deal“ (23. Oktober, 20.15 Uhr, ZDF) ganz besonders. Die Thematik des Films, in dem der Protagonist mit dem Fußballtrainer konfrontiert wird, der ihn als Kind missbrauchte, sei eine Herausforderung gewesen. Im Interview erklärt der Schauspieler, wie schwer diese Rolle für ihn war – und gibt Einblicke in seine eigene Kindheit.

Wenn man ein Missbrauchsopfer spielt, dürfte das eine Rolle sein, die in puncto Härte und Intensität vieles übertrifft.

Felix Klare: Es ist schon ein intensiverer Prozess als bei einem Durchschnitts-„Tatort“. Ich habe mich aber über dieses Angebot gefreut, zumal die Regisseurin meinte, sie könne sich niemand anders vorstellen. Denn ich möchte neben dem „Tatort“ Themen und Figuren anpacken, die mich fordern. Das gibt mir das Gefühl, mich weiterzuentwickeln. Bei der Rolle in „Wir haben einen Deal“ habe ich indes gemerkt, wie groß dieses Thema ist, und mir ist immer bewusster geworden, was ich für eine Verantwortung mittrage. So etwas kann man nicht einfach herunterspielen. Ich hatte da einen großen Anspruch an mich.

Sucht gern die Abgründe in den Rollen: Schauspieler Felix Klare.
Sucht gern die Abgründe in den Rollen: Schauspieler Felix Klare. © picture alliance/dpa | Christoph Schmidt

Schauspieler Felix Klare hat sich Rat beim Psychologen geholt

Haben Sie mit Betroffenen für die Vorbereitung gesprochen?

Klare: Das habe ich gesucht, aber ich habe sie nicht gefunden. Das ist auch verständlich. Denn bei so einem Tabuthema gibt es kaum Menschen, die damit an die Öffentlichkeit gehen. Ich erinnerte mich, dass ein Bekannter von früher etwas in dieser Richtung erlebt hat. Den habe ich nochmal angerufen und mich mit ihm unterhalten. Es war gut, sich mit so jemand auseinanderzusetzen, auch wenn er nicht im Ansatz das erlebt hat, was meiner Figur geschehen ist. Davon abgesehen habe ich mit Therapeuten und Psychologen gesprochen.

Haben Sie eigentlich in Ihrer Jugend ansatzweise Situationen erlebt, die hätten bedenklich werden können?

Klare: Mir ist kein Beispiel eingefallen. Aber es kann schon merkwürdige Situationen geben, die man vielleicht verdrängt hat. Wo man sagt: Was war das für ein Blick oder eine seltsame Atmosphäre? Viele, die den Film bei Festivals gesehen haben, haben mir von solchen Beispielen erzählt.

Sie sind selbst Vater von vier Kindern. Wenn man in so ein beklemmendes Szenario eintaucht, entwickelt man danach Ängste oder extreme Beschützerinstinkte?

Klare: Ich bin in keinster Weise angstvoller geworden. Das war ich auch davor nicht. Mein Hauptaugenmerk bei der Erziehung liegt darauf, meinen Kindern zu helfen, dass sie eigenständige Menschen werden, die im Zweifelsfall ihren Mund aufmachen. Das ist mir, wenn ich es richtig sehe, ganz gut gelungen.

Wie glücklich war Ihre eigene Kindheit?

Klare: Ich erinnere mich an das Gefühl, dass ich mich immer gehalten gefühlt habe. Ich war in einem gefestigten Verbund, der mich gestützt hat. Ich bin als viertes Kind in eine große Familie hineingeboren worden, und da gab es eine starke Verbundenheit untereinander.

Klare hat als Kind nur wenig gesprochen

Wie wird man davon geprägt, wenn man das jüngste von vier Kindern ist?

Klare: Ich muss hinzufügen, dass ich auch zehn Jahre Einzelkind war. Denn als ich zwölf war, waren alle anderen aus dem Haus. Aber das prägt einen total. Ich habe als Kind in den ersten drei Jahren sehr wenig gesprochen. Denn ich musste nicht nur die Beziehung zu meinen Eltern und zwischen meinen Eltern verstehen, sondern auch das ganze Gefüge zwischen meinen Eltern und einzelnen Geschwistern. Ich habe das erst mal beobachtet, um zu begreifen, wie die Welt um mich herum funktioniert. Das hat mir bis heute geholfen, ein, wie ich glaube, objektives Verständnis zu haben. Ich kenne Kollegen, die interessieren sich bei der Lektüre eines Drehbuchs zunächst nur für ihre eigene Rolle. Wenn ich ein Buch lese, dann beschäftige ich mich gleich mit den Verbindungen zwischen allen Figuren.

Felix Klare als Kommissar Sebastian Bootz (l.) im „Tatort“ Stuttgart mit Kommissar-Kollege Thorsten Lannert (Richy Müller).
Felix Klare als Kommissar Sebastian Bootz (l.) im „Tatort“ Stuttgart mit Kommissar-Kollege Thorsten Lannert (Richy Müller). © SWR | Christian Koch

Ihre Eltern und Ihre Geschwister flohen vor Ihrer Geburt aus der DDR. Wie sehr war diese Familiengeschichte in Ihrer Jugend präsent?

Klare: Immer. Die DDR existierte ja weiterhin, und ab und zu kam Post von meinen Großeltern. Meine älteren Geschwister durften dann auch die Oma besuchen. Meine Eltern habe nie wieder so emotional erlebt, wie bei der Wende. Das ist schon ihr prägendstes Erlebnis. Ich müsste darüber mal einen Film oder einen Dreiteiler machen.

In Ihren Filmrollen erleben Sie ja oft die düstere Seite des Lebens. Auch Ihre Erfahrungen im Zuge der Protestaktion #allesdichtmachen waren ja nicht so harmonisch. Sehen Sie die Spezies ‚Mensch‘ eigentlich positiv?

Klare: In den letzten zwei, drei Jahren fällt es schwer, das Positive hochzuhalten und Hoffnung zu finden. Aber gerade, wenn man in Abgründe guckt, ob bei so einem Film oder bei der allgemeinen politischen Lage, versuche ich Lichtblicke zu entdecken, die mich herausziehen. Da hilft mir auch das logische Denken. Aber in letzter Instanz empfehle ich immer, auf sein Herz zu hören!