Stockholm. Die schwedische Königin Silvia musste viele Demütigungen aushalten. Zu einigen Tabubrüchen ihrer Biografie schweigt sie bis heute.
Es gibt Menschen, die wirken auf eine Weise alterslos: Als hätte das Leben einfach keine tiefen Spuren hinterlassen. Königin Silvia von Schweden gilt als so jemand. Überall, wo die Frau von König Carl Gustaf in Erscheinung tritt, fällt auf, wie wenig sie sich im Grunde verändert hat. Dass sie am 23. Dezember 80 Jahre alt wird, halten viele für kaum möglich.
Silvia, das klingt immer noch nach Silvia Sommerlath, nach dem deutschen Fräuleinwunder, das wie im Märchen zur Königin wurde. Im Mai dieses Jahres wurde sie in Heidelberg zur Ehrenbürgerin ernannt. Und als die schwedische Königin dann noch öffentlich sagt, dass sie ihr Herz in Heidelberg verloren hat, da war sie einfach wieder: unsere Silvia. Diese Frau schließt man in ihrer Heimatstadt und weit darüber hinaus in die Arme. Auch, oder gerade weil, jeder weiß, dass sie in ihrer Ehe, die wie ein Märchen begann, so viele Kröten schlucken musste.
Schwedens Königin: Ihr Sommermärchen berührte die Herzen
Dabei hatte doch alles so schön angefangen. Ein Sommermärchen geradezu, damals, 1972 bei den Olympischen Sommerspielen in München. Silvia Renate Sommerlath arbeitete dort als Hostess. Die Geschichte ist mindestens so bekannt wie das Fußballwunder von Bern. Gefühlt jeder weiß, dass sie dort, chic in Uniform, ihren Herzensmann, Kronprinz Carl Gustaf von Schweden kennenlernte.
Wenige Jahre später, im Juni 1976, wurde aus Silvia Sommerlath die Königin von Schweden. Besser hätte es auch Disney nicht erfinden können. Eine Liebe wie im Film. Der spätere König hatte Silvia im Stadion gesehen. Mit seinem Fernglas habe er sie erspäht, bevor er den ersten Kontaktversuch machte. „Es hat Klick gemacht“, erzählte der Monarch später in Interviews.
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Doch am schwedischen Hofe kamen angesichts der Deutschen schnell Fragen nach ihrer Familie auf, vor allem nach ihrem Vater. Weniger nach ihrer brasilianischen Mutter. Lange schwieg Silvia, bis sie 2010 die Presse zur Audienz bat. Mit dem schwedischen Privatsender TV4 sprach sie auch über das, was sie als dunkles Geheimnis zu verstecken suchte.
Königin Silvias großes Tabu war der Nazi-Hintergrund ihres Vaters
2003 hatte die Zeitung „Der Arbeiter“ erstmals über die Mitgliedschaft von Königin Silvias Vater in der Auslandsorganisation der NSDAP namens „AO“ geschrieben. Die Parteimitgliedschaft ihres Vaters beruhe auf den Umständen der Zeit, sagte sie später. „Es war eine Maschinerie, nicht wahr? Er hatte Verantwortung für die Angestellten der Fabrik, aber er war nie politisch aktiv“, sagte sie im Sender TV4. Die Untertanen glaubten ihr. Dabei hatte der Vater der Königin im Zuge der sogenannten Arisierung eine Berliner Fabrik von einem Juden übernommen.
Ein Sommerlath mit Nazi-Hintergrund, das brachte die Königin in Erklärungsnot. Doch Silvia nahm ihn in Schutz:
„Man muss psychologisch verstehen, wie das war, als Deutschland sich plötzlich wieder aus der Asche erhob. Und diese Freude darüber, dass das Vaterland wieder da war. Deshalb stützte mein Vater Deutschland und wurde Parteimitglied. Aber er war politisch nicht aktiv. Er war kein Soldat“, so die schwedische Königin.
Silvias große Fähigkeit, Dinge an sich abperlen zu lassen
Die Historiker wollten die Rolle als Mitläufer so nicht stehen lassen. Der Geschäftsmann, der Elektrogeräte, Modelleisenbahnen und Haartrockner verkaufte, habe später den Auftrag erhalten, Membranen für Gasmasken zu liefern. Sommerlath habe von der Verfolgung der Juden profitiert, so der Historiker Mats Deland bei TV4. Die bis dahin makellose Königin stand plötzlich als Lügnerin da.
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Darin, Dinge abperlen zu lassen, war Silvia früh geübt. Eine Fähigkeit, die sie in ihrer Ehe dringend benötigte. Jung und verliebt, wie sie war, hatte sie über den Ruf des schwedischen Charmeurs hinweggesehen. Der junge Kronprinz, der schon 1973 König wurde, galt damals als flatterhafter Playboy, wie man Männer damals nannte, die an schönen Frauen, schnellen Autos und teuren Booten interessiert waren.
Der Ehemann der Königin sorgte mit Affären für Skandale
So einem, der durchs Fernrohr Frauen erspäht, trauten die Schweden nicht gerade viel zu. Als Staatsoberhaupt war so einer fast undenkbar. In den gesellschaftskritischen 70ern drohte gar die Abschaffung des Königshauses. Silvia aber schaffte es, den König auf Spur zu bringen.
Es war Silvia, die nach ihrer Hochzeit 1976 der schwedischen Monarchie den Rücken stärkte. Die gelernte Dolmetscherin, die neben Schwedisch und Deutsch auch Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Englisch und die schwedische Gebärdensprache spricht, wurde zum kräftig schlagenden Herz des Hofes.
Sie schaffte es zum anderen, der damals auf einem Tiefpunkt der Popularität angelangten Königsfamilie in Stockholm wieder neuen Glanz zu verleihen. Sie stand mit ihrem auch heute noch von einem deutlichen deutschen Akzent gezierten Schwedisch für die überfällige Grunderneuerung des Hofes. Nachdem sie die Nation mit drei Kindern beglückt hatte – Victoria 1977, Carl Philip 1979 und Madeleine 1982 – war die Abschaffung der Monarchie im links geprägten Schweden zumindest kein so prominentes Thema mehr wie Anfang der 70er-Jahre.
Silvia hatte den König domestiziert, hieß es oft. Doch was sich hinter den höfischen Mauern abgespielt hat, weiß keiner. In den 1990ern soll sich ihre Ehe mit dem König einem Tiefpunkt angenähert haben. Laut der Skandalbiografie „Der widerwillige Monarch“ soll der König zahllose Affären mit Frauen gehabt haben, darunter mit der Ex-Sängerin der Band Army of Lovers, Camilla Henemark.
Frauen und Drogen: So reagierte der Palast
Das soll schon damals bekannt gewesen sein, doch erst die Biografie thematisierte das Thema öffentlich. Die Königin äußerte sich nie dazu, zeigte das Prinzip „kalte Schulter“. Sie markierte eine Art des Protests, in dem sie wochenlang keine Termine mehr gemeinsam mit dem König wahrnahm.
Die Biografie hatte es in sich. Neben einem König mit krankhafter Frauensucht, die ihn auch in Bordelle geführt haben soll, wurde der Monarch auch scharf kritisiert, weil er regelmäßigen und engen Umgang mit Kriminellen und Drogenkonsumenten gehabt haben soll. Ob er selbst Partydrogen nahm, bleibt unklar.
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Auch der König nahm nie öffentlich Stellung zu den Anschuldigungen in der Biografie. Doch das Königshaus, das ansonsten Verlage für Lügengeschichten gern verklagte, blieb passiv. Fast wie eine Bitte an seine Untertanen, das Ganze zu verzeihen, klang es, als er nach einer Elchjagd vor die Presse trat. „Ich habe ein paar Überschriften gesehen, die nicht so schön waren. Darüber habe ich natürlich mit der Familie und auch der Königin gesprochen“, sagte der König. Was Silvia ausmacht, so verweisen Beobachter nur auf ihre Fähigkeit zu verzeihen.
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