Berlin. Kriege, Corona, Energiekrise: Viele von uns plagen Sorgen. Wir sollten die Tage bis zum Fest nutzen, um achtsam mit uns umzugehen.
Das Heim ist dekoriert, der Kühlschrank ist voll, die ersten Geschenke sind gekauft, und der Adventskranz steht bereit für das Anzünden der Kerzen. Deutschland begeht den ersten Advent und hat Ruhe und Besinnlichkeit so nötig wie schon lange nicht mehr.
Die lange Corona-Isolation, die Sorgen um Klima und Energie, der grausame Krieg in der Ukraine und in Israel und nicht zuletzt die horrende Inflation haben sich auf die Gemüter geschlagen. Dazu kommt ein stetig steigender Arbeitsdruck im Job und für viele – siehe Galeria, KaDeWe und Sport-Scheck – die Sorge um den Arbeitsplatz.
„Wie soll man das alles aushalten?“, fragen sich immer mehr Menschen – und schmeißen die Arbeit hin oder werden krank. Der Stress nagt an unserer Gesundheit. Eine Milliarde Menschen, das besagen Studien, leiden unter belastungsbedingten Krankheiten. Andere blenden alle schlechten Nachrichten konsequent aus und versuchen, mit der Vogel-Strauß-Methode – Kopf in den Sand – die Seele resilient zu halten.
Wir sollten den Advent nutzen, um unsere Batterien aufzuladen
Aber das ist natürlich keine Lösung. Wir sollten die Tage bis zum Fest nutzen, um achtsam mit uns und unserem Umfeld umzugehen. Nur so kann man die Batterie aufladen, um kraftvoll ins neue Jahr zu starten. Und eines steht jetzt schon fest: 2024 wird ganz bestimmt nicht weniger anstrengend sein.
Damit das gelingt, braucht es vor allem Rücksicht und die Bereitschaft, vom überzogenen Anspruch an sich selbst und an andere abzulassen. Nur wer auch anderen etwas Luft zum Jahresende gönnt, kann selbst Luft holen. Das gilt für Eltern, Partner, Chefs und Chefinnen und auch für Gewerkschaften, die Stress für alle schaffen, wenn sie bis zum Jahresende ihre Forderungen mit der Brechstange durchsetzen wollen.
Wir brauchen diese Zeit im Advent zum Durchatmen, denn wenn man diese Zeit hat, erkennt man auch leichter, dass das Leben bei uns zwar anstrengend, aber vergleichsweise sorgenfrei ist. Niemand hier muss einschlagende russische Raketen wie die Ukrainer fürchten. Niemand ist wie Millionen Migranten weltweit mit wenigen Habseligkeiten auf einer lebensgefährlichen Flucht. Niemand in Deutschland muss damit rechnen, dass seine Kinder entführt, ermordet oder bombardiert werden.
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Es geht uns vergleichsweise gut, das darf man feststellen, ohne schönzufärben. Diese Situation sollten wir nutzen, um anderen zu helfen. Sich in der Gesellschaft zu engagieren, setzt positive Kräfte in der Seele frei und hilft allen, denen es weniger gut geht. Nächstenliebe als Teil der Weihnachtsbotschaft sollten wir uns gerade in diesem Annus horribilis 2023 ganz besonders zu Herzen nehmen.
Wir alle brauchen eine Atempause am Ende des Jahres
Und die Regierung? Auch auf das aktuelle Gehampel der Ampel wird und muss wieder verlässliche, verfassungstreue Politik folgen. Ob von den regierenden Partnern selbst oder ihren möglichen Nachfolgern. Dass es so kommen wird, zeigt der Blick auf die jüngere Geschichte, in der es auch große Krisen gab, die überwunden werden konnten. Alle, die bislang politisch Verantwortung trugen, haben das geschafft. So viel Vertrauen sollten wir in unsere Demokratie schon haben.
Aber wir alle brauchen eine Atempause in Richtung Jahresende – und die müssen wir uns mit Rücksicht und Respekt für die Müden und Abgekämpften dringend schaffen. Das ist die Grundlage für Erfolg im nächsten Jahr, ganz nach dem klugen Ovid: „Ruhe aus. Ein Feld, das geruht hat, trägt herrlich Ernte.“