Berlin. Zugegeben: Unsere Kolumnistin wettert recht gnadenlos gegen Gefühlsdusel-Kitsch im Advent. Da bleibt auch Markus Söder nicht verschont.
Gefühlt geht es im September los, jedes Jahr, ohne Gnade. Erst kommen die Lebkuchen in die Supermarktregale, dann geht es Schlag auf Schlag. Die von knallharten Kapitalismus und kitschiger Gefühlgsduselei geprägten Rituale prägen jedes Jahr das letzte Quartal. Hier meine Hitliste der sechs unerträglichsten Gewohnheiten zur Weihnachtszeit.
1. Glühwein. Ein erhitztes, gepanschtes Gesöff, das den Namen Wein nicht verdient. Überwürzt und überzuckert kleben seine Tropfen wie Sirup die Hände am Becher fest. So schnell der Alkohol für Hitze im Körper sorgt, so schnell vernebelt er das Hirn und legt sich auf die Speiseröhre. Kombiniert mit dem Fett von Schupfnudeln, Rostbratwurst und Pizzahappen ist nächtliches Sodbrennen garantiert.
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2. Weihnachtssongs, ohne die schon Wochen vor Beginn der Adventszeit kein Einkauf, kein Kneipenbesuch, keine Radiounterhaltung mehr möglich ist. Was soll das für eine Stimmung sein? Sollen wir Frieden finden? Harmonie? Müssen wir „Santa Claus Is Coming To Town“ mitsummen, während wir an der Käsetheke warten? Dass Markus Söder seine Playlist mit Hits von Wham! (Last Christmas) und Mariah Carrey („All I Want For Christmas“) anführt, macht es auch nicht besser. Ich weiß jetzt schon, dass allein das Aufschreiben der Titel dazu führt, dass ich die Ohrwürmer den ganzen Tag nicht aus dem Kopf bekomme.
3. Die Weihnachtsmütze und der Weihnachtsmann. Schon gesehen? Da läuft eine Horde mit Glühwein abgefüllter Jungs durch die Stadt, ganz offenbar mit Schuss. Es ist die Sorte, die gerne in Form eines Junggesellenabschieds die Schrecken der touristischen Hotspots von Amsterdam bis Barcelona sind. In der Weihnachtszeit erobern sie die Marktstände, bis sie hinter die Buden kotzen (fairerweise gibt es das Phänomen auch bei jungen Frauen, eine Art emanzipatorischer Akt, der es auch nicht besser macht).
4. Der Weihnachtsmarkt. Hier verschmelzen die Punkte 1-3 endgültig zu einer Masse aus Kitsch, Kommerz und Kopfschmerz. Und ja, natürlich, zum Weihnachtsmarkt gehören nicht nur fette Wurst, Pommes, Glühwein und Kinderkarussell, sondern auch Kunsthandwerk. Geschnitztes, Gestricktes, Aufgefädeltes. Hand aufs Herz: Spielen die Kinder mit dem filigranen Holzspielzeug? Tragen die Schulkinder die kratzigen Wollhandschuhe? Und hält das Armband über die Feiertage hinaus, bevor der Faden zerreißt und die Perlen sich über den Rotkohl zur Gans ergießen? Und, letzte Frage: Taucht der ganze Kram jemals auf irgendwelchen Wunschlisten auf? Sind wir ehrlich: Das ganze Zeug braucht kein Mensch, es sei denn, man braucht was zum...
5. Wichteln! Das soll ja nett sein: Per Los wird festgelegt, wer welcher Schulkameradin, welchem Kollegen, Mitbewohner oder Vereinsmitglied etwas schenken soll. So für fünf Euro oder auch zehn. Gerne selbstgebastelt. Meistens steckt man selbst mehr Geld und Liebe rein, kauft so eine richtig schöne Haarspange oder den Lieblings-Luganer direkt vom Weingut in Italien. Vielleicht auch Kinokarten. Und bekommt dann was vom Weihnachtsmarkt. Etwa das Perlenarmband, aufgefädelt auf brüchigem Garn. Was dann passiert, habe ich ja schon beschrieben.
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6. Adventskalender. Jahrelang habe ich meine Teilzeit-Freizeit mit der Befüllung kleiner Päckchen für drei Kinder verbracht. Stifte, Haarspangen, Schleich-Tiere und so was. Dann gab es einen Kalender zum Teilen, jedes Kind durfte also alle drei Tage was auspacken. Nach der Rückkehr zur Vollzeit siegte die Bequemlichkeit und ich kaufte überteuerte Kosmetik-Kalender. Die Duschgels, Cremes und Duftstäbe wurden nie aufgebraucht.
Dann beschloss ich: Jetzt ist Schluss. Doch ich ahnte nicht, welche Saat ich gelegt hatte. Die Kinder machen weiter: Und schenken nun der Jüngsten, die zum Hochschulstart in die Kleinstadt geschickt wurde, wieder den Päckchen-Kalender. Schließlich friert sie im zugigen WG-Zimmer und braucht Socken, Schals, Handschuhe, Tee. Ok, ich lege dann auch mal was dazu. Was, wird hier nicht verraten.
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Und nun? Stelle ich mich dem Shitstorm, der womöglich folgt. Und fordere trotzig: Weg mit dem Kitsch. Specken wir ab. Dann ist auch wieder Platz für Weihnachten.
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