Berlin. Für Schauspielerin Karin Hanczewski ändert sich gerade vieles. Was das mit ihrer Rolle im „Tatort“ zu tun hat, verrät sie im Interview.
Karin Hanczewski ist derzeit Dauergast im deutschen Fernsehen. Nach der Ausstrahlung des Dramas „Der neue Freund“ (ARD Mediathek) ist sie in der neuen Staffel der Serie „Parlament“ (ARD Mediathek bzw. ab 6.11. um 20:15 Uhr auf ONE) zu sehen. Im neuen Dresden-„Tatort“ (ARD Mediathek) ist Hanczewski als Kommissarin mit einem Fall von Spiking, also K.o.-Tropfen, konfrontiert. Ein Thema, das der 41-Jährigen nahe geht, wie sie verrät. Im Interview spricht die Schauspielerin außerdem über ihren Ausstieg beim „Tatort“ und eine positive Entwicklung in der Filmbranche: mehr Offenheit für queere Themen und Figuren, wozu sie mit ihrem eigenen Outing im Rahmen der Initiative „#actout“ beigetragen hat.
Was gibt eigentlich den Ausschlag, warum Sie sich so unterschiedliche Rollen aussuchen?
Karin Hanczewski: Wenn ich ein Drehbuch lese, dann schaue ich, was es mit mir macht. Mal ist es die Geschichte, mal die Figur, die mich besonders interessiert, im besten Fall beides. Ich versuche, mit jeder Figur einem bestimmten Thema nachzugehen. Etwas, womit ich mich auseinandersetzen kann. Bei der neuen „Tatort“-Folge etwa geht es um einen Fall, in dem K.o.-Tropfen eine Rolle spielen. Das ist eine Thematik, die mich als Frau begleitet. Meine Eltern haben mich entsprechend sensibilisiert.
Hanczewski: „Ich gehöre eher zu den konfliktscheuen Menschen“
Und wie war es bei „Der neue Freund“?
Hanczewski: Ich fand das Buch extrem gut geschrieben. Die Mischung aus Ernsthaftigkeit und Komik mochte ich schon beim Lesen sehr. Es war klar, dass das Buch uns Schauspielerinnen und Schauspielern eine wunderbare Spielwiese bietet. Die Figuren von Mutter und Tochter wollen beide Nähe zueinander, verletzen sich aber mit ihren Worten. Es ist wichtig, sich einander mitzuteilen, denn das führt dazu, dass man sich leichter versöhnen kann.
Ist das auch Ihre Erfahrung?
Hanczewski: Ich gehöre eher zu den konfliktscheuen Menschen, aber ich weiß inzwischen, dass es viel Sinn macht, Dinge offen anzusprechen. Das führt meiner Erfahrung nach meist zur Vertiefung einer Beziehung. Egal, ob Familie, Partnerschaft oder Freundschaft. Wenn ich mich darauf verlassen kann, dass mein Gegenüber mir sagt, dass sie oder ihn etwas an mir stört, bekomme ich die Chance, mich zu entschuldigen und mein Verhalten zu verändern.
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Hat Ihnen die Schauspielerei bei diesem Lernprozess geholfen?
Hanczewski: Nein, das war die Begegnung mit bestimmten Menschen. Aber ich finde es spannend bei der Schauspielerei, Beziehungen auszuloten und zu sehen, wie Menschen funktionieren und wie viel dabei unbewusst stattfindet.
Ausstieg aus „Tatort“: „Die Entscheidung fiel mir nicht leicht“
Eine Ihrer Rollen haben Sie ja aufgegeben – die „Tatort“-Kommissarin Karin Gorniak. War das, weil sie keine spannenden Erkenntnisse mehr bot?
Hanczewski: Nein. Jeder „Tatort“ gab mir die Möglichkeit, mich mit einem bestimmten Thema zu beschäftigen. Aber es ist für mich an der Zeit, Türen und Raum für andere Projekte zu öffnen.
Macht das nervös, wenn man so eine feste Rolle aufgibt?
Hanczewski: Zu wissen, dass man zwei Filme im Jahr dreht, gibt eine gewisse Sicherheit. Die Entscheidung, zu gehen, fiel mir aus vielerlei Gründen nicht leicht und ich habe sie auch nicht leichtfertig getroffen. Ich muss mich bei der Schauspielerei aber immer wieder ins kalte Wasser schmeißen. Daraus entsteht eine neue Kraft. Aber dafür muss ich mich eben meinen Ängsten stellen.
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Sind diese Ängste noch da?
Hanczewski: Ich bin auf jeden Fall ruhiger als vor der Entscheidung.
Dieses Projekt beschäftigt sie neben der Schauspielerei
Sie schwimmen also jetzt gut im kalten Wasser?
Hanczewski: Ich versuche es. Und das Wasser ist auch nicht mehr ganz so kalt.
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Haben Sie schon dadurch neue Kraft und Energie bekommen?
Hanczewski: Absolut. Plötzlich hat man neue Ideen und fängt an, neu auf Dinge zu blicken. Ich versuche, mit Menschen, mit denen ich schon zusammengearbeitet habe, Stoffe selbst zu entwickeln. Das ist genau aus dieser Situation heraus entstanden.
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Haben Sie diesen neuen Freiraum noch anderweitig genutzt?
Hanczewski: Ja, ich habe viele Dinge, die mich interessieren. Ein großes Projekt ist zum Beispiel mein Garten, dieses Jahr habe ich die Laube renoviert. Ich hatte auch mehr Zeit für Freunde und Familie.
Queerness in der Filmbranche muss sichtbar gemacht werden
Ein Projekt der Vergangenheit ist die Initiative „#actout“. Ist das jetzt als Thema für Sie erledigt?
Hanczewski: Wir sind bei weitem noch nicht an dem Punkt angelangt, wo das kein Thema mehr ist. Bei mir in der Gegend gab es in den letzten Monaten Angriffe auf lesbische Paare. Es gibt also weiterhin die Notwendigkeit, Queerness in einer größeren Selbstverständlichkeit zu erzählen und sichtbar zu machen. Ich bin sehr dankbar und stolz darauf, dass wir mit vielen Menschen etwas auf die Beine gestellt haben, das einiges in der Branche bewegt hat.
Das heißt, in der Branche gibt es jetzt eine größere Offenheit für queere Themen und Figuren? Oder sind die Strukturen noch konservativ?
Hanczewski: Den Eindruck habe ich schon. Aber konservative Strukturen gibt es weiterhin. Das zeigt sich neben dem Thema Queerness zum Beispiel auch daran, dass Frauen über 50 oder 60 kaum in Geschichten vorkommen. Und wenn, dann spielen sie die Oma. Bei Männern mit 50 oder 60 ist das ganz anders. Ich finde das höchst problematisch, wenn ein großer Teil der Bevölkerung nicht dargestellt wird. Aber es gibt viel Bewegung in der Branche. An den Denkmustern, wie Männer und Frauen auszuschauen und sich zu verhalten haben, wird von allen Seiten gerüttelt. Doch diese neue Offenheit gibt es eben nur, weil wir alle Druck machen und fordern, dass sich die alten Strukturen verändern