Berlin. Lena Meyer-Landrut zeigt Haltung. Im Interview verrät die Sängerin, was sie bewegt und wen sie auf ihren Konzerten nicht sehen will.
Mit dem Animationsfilm „Trolls – Gemeinsam stark“ (seit 19. Oktober im Kino) verbreitet Lena Meyer-Landrut als Synchronsprecherin gute Laune. Doch für die ESC-Gewinnerin selbst lief in letzter Zeit nicht alles rosig: Bei einem Reitunfall brach sie sich ihr Kreuzbein und sprach unlängst in einem Podcast über ihre Sucht nach Handyspielen. Auch die dramatische Weltlage beschäftigt die 32-jährige Sängerin, wie sie im Interview verrät. Zu weit in die Zukunft blicken will sie nicht, sondern konzentriert sich auf das Hier und Jetzt – unter anderem auf ihre neue Ausbildung.
Sie haben sich in unserem letzten Interview als „Harmoniesuchtmensch“ bezeichnet.
Lena Meyer-Landrut: Das trifft immer noch zu.
So gesehen sollte die Figur der gutmütigen Poppy, die Sie im neuen „Trolls“-Film sprechen, so etwas wie eine Seelenverwandte sein.
Meyer-Landrut: Klar. Mir geht es wie ihr immer gut, wenn alles nett ist, nichts mehr geklärt werden muss und sich alle gut verstehen.
Dass man sich nicht gut versteht, passiert Ihnen hoffentlich nicht zu häufig?
Meyer-Landrut: Das passiert andauernd. Aber es gibt eben acht Milliarden Leute auf der Welt, da kann man nicht mit jedem klarkommen.
Lena Meyer-Landrut schützt sich vor Situationen, die ihr nicht gut tun
Was machen Sie, wenn Sie diese Harmonie nicht finden?
Meyer-Landrut: Manche Situationen sind Mittel zum Zweck. Die ertrage ich einfach und dann begebe ich mich so schnell wieder heraus, wie es nur geht. Ansonsten mache ich keine Sachen, die mir schlecht tun, und umgebe mich nicht mit Leuten, wo ich das Gefühl habe ‚nein danke‘.
Sie sagen dieses ‚Nein danke‘ auch öffentlich. Zuletzt veröffentlichten Sie die Coverversion des Songs „Ice Cream Man“, in dem es um sexualisierte Gewalt geht.
Meyer-Landrut: Das ist eben ein Thema, das von allen Seiten diskutiert wird. Ich sehe mich als Entertainerin, und nicht als Aktivistin, aber man muss eben auch seine Haltung in der Musik zeigen.
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Warum es schwer ist, einen lustigen Job zu machen
Doch in diesen Zeiten nur Entertainerin zu sein, dürfte nicht einfach sein. Wir führen dieses Interview einen Tag, nachdem Terrorangriff auf Israel.
Meyer-Landrut: Ich gebe zu, für mich ist es schon schwer, unter solchen Umständen einen lustigen Job zu machen. Ich beschäftige mich mit diesen Themen, ich informiere mich dazu und tauche auch in ein Gefühl von Trauer ein. Aber heute muss ich eben meinen Job machen und das beiseite schieben. So versuche ich im Hier und Jetzt im Excelsior am Kölner Dom zu sein. Trotzdem sprechen wir jetzt über dieses Thema, und es ist mir alles andere als egal.
Nun haben Sie eben viele Fans und Follower, gegenüber denen Sie Verantwortung haben. Sorgt das für Druck?
Meyer-Landrut: Eher für positiven Druck. Ich finde es ganz normal, sich zu positionieren. Es wäre komisch, wenn ich mir nicht in die Karten schauen lassen würde, was meine Prinzipien sind, nach denen ich mit dem Leben und dem Weltgeschehen umgehe. Für mich ist das ganz natürlich, auch wenn ich nicht die Aktivistin bin, die Stunden lang über Themen spricht. Es ist wichtig, eine Haltung zu haben und die zu kommunizieren. Zum Beispiel nutze ich jede Möglichkeit, um mich gegen Rechts zu äußern, weil mir wichtig ist, dass keine Nazi-Arschlöcher auf meine Konzerte kommen.
Lena Meyer-Landrut: ESC-Siegerin macht Ausbildung zur Tätowiererin
Inwieweit versuchen Sie vorauszuschauen, was die Zukunft noch so bringt?
Meyer-Landrut: Nicht zu weit. Manche Dinge brauchen zwar Vorlauf, aber ich plane nie mehr als ein Jahr im Voraus.
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Wäre eine Zukunft denkbar, in der Sie hauptberuflich als Tätowiererin arbeiten? Offenbar machen Sie ja jetzt eine Ausbildung.
Meyer-Landrut: Ausgeschlossen ist nichts. Man weiß nie. Aber meine Ausbildung ist noch nicht abgeschlossen. Ich bin erst mit der Nadelkunde fertig.
Was wird Ihr erstes Motiv sein?
Meyer-Landrut: Ich habe eine kleine Warteliste, aber an erster Stelle steht ein Smiley.
Deshalb hat Meyer-Landrut die Gaming-Zeit geliebt
Die Phase, in der Sie mit Videogames die Zeit verbrachten, ist aber jetzt vorbei?
Meyer-Landrut: Ja, leider.
Wieso leider? Games können doch sucht-erregend sein.
Meyer-Landrut: Für mich war es aber eine schöne Zeit. Ich habe auch keine sinnlosen Ballerspiele gemacht, sondern Games, die eine Geschichte haben. Ich habe mich da gefühlt, als wäre ich Teil eines Films.
Warum haben Sie dann aufgehört, wenn es so viel Spaß machte?
Meyer-Landrut: Weil ich nicht mehr die Kraft hatte. Ich habe nachts gespielt und tagsüber geschlafen. Das ließ sich auf die Dauer nicht durchhalten.
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Haben Sie einen Ersatz gefunden?
Meyer-Landrut: Ich bastle gerne in meinem Kämmerchen. Ich habe da so meine kleinen Kunstprojekte.
Aber die Musik bleibt Ihr Fokus?
Meyer-Landrut: Auf jeden Fall. Meine Musik und das Projekt Lena sind meine Hauptarbeit.
Meyer-Landrut über die Zunkft und das „Projekt Lena“
Glauben Sie, Sie können das „Projekt Lena“ noch viele Jahre am Laufen halten?
Meyer-Landrut: Keine Ahnung. Was kommt, das kommt, und wenn es nicht mehr sein soll, dann ist es nicht mehr. Wobei ich das jetzt gut sagen kann, denn es ist ja nicht so weit. Zumindest habe ich das Gefühl, mein Ego ist so gut im Zaum, dass ich damit gut umgehen könnte, wenn ich nicht mehr bekannt wäre. Doch ich weiß nicht, wie es dann genau sein wird, wenn es von außen heißt oder ich sage „Jetzt ist Schluss“.
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Wie ist es mit dem Reiten nach Ihrem schweren Unfall, bei dem Sie sich das Kreuzbein brachen ? Ist damit jetzt Schluss?
Meyer-Landrut: Auf keinen Fall. Ich bin früher viel geritten, habe dann 15 Jahre eine Pause gemacht, bis ich mich wieder auf ein Pferd gesetzt habe. Es waren halt dumme äußere Umstände. Das Pferd wollte nicht halten, ich habe es nicht gestoppt bekommen und die Reitlehrerin auch nicht. Pferde sind Fluchttiere. Wenn da ein Schalter umgelegt ist, kannst du nichts machen. Es ist immer im Kreis gelaufen und irgendwann hat mich die Zentrifugalkraft heruntergeworden. Aber ich habe kein Problem damit. Es gab in dem Fall keine Schuldigen. Deshalb werde ich auch auf jeden Fall wieder aufs Pferd steigen.