Berlin. In Fäkalien eines Urzeit-Raubtiers entdeckten thailändische Wissenschaftler mindestens fünf verschiedene Spezies, darunter Fadenwürmer.
Krokodile gehören zu den meist gefürchteten Raubtieren der Welt. Ähnlich gefährlich dürfte das bis zu 12 Meter lange Ur-Krokodil Phytosaurus gewesen sein, das vor rund 200 Millionen Jahre von Nordamerika über Europa bis Südostasien sein Unwesen trieb. Neue Analysen einer internationalen Forschergruppe zeigen aber eine andere Seite der allesfressenden Urzeit-Reptilien. In einer versteinerten Kotprobe entdeckten Paläontologen zahlreiche Parasiten-Eier. Einer der Schädlinge lebt noch heute unter uns: Der Fadenwurm.
Bereits 2010 wurde der Koprolith – Fachsprache für versteinerten Kot – in der nordost-thailändischen Region Chaiyaphum entdeckt. Aufgrund der Beschaffenheit der urzeitlichen Stuhlprobe geht das Forscherteam um den Paläonthologen Thanit Nonsriracha davon aus, dass es sich um die Ausscheidungen des Urzeit-Krokodils Phytosaurus handelt. Die in dem rund 7 Zentimeter langen, als "hart, glatt und grau" beschriebenen Findling identifizierten Parasiten-Eier waren das erste Beispiel konservierter Kleinlebewesen aus dem Zeitalter des Trias in asiatischem Raubtierkot. Die Erkenntnisse publizierten die Forscher im Auftrag der Mahasarakham Universität in der Fachzeitschrift "PLOS One".
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Forscher entdecken Parasiten im Kot von thailändischem Ur-Krokodil
Fossiler Urzeitkot steht bei Paläontologen weit oben auf der Liste wissenschaftlicher Begehrlichkeiten. Denn nur er gibt sicheren Aufschluss über Ernährungsweisen und Fressfeinde. Statt aber halb verdaute Knochen, Sehnen oder Muskelgewebe von einem Beutetier enthält der Kot, der nahe dem Dorf Non Yakong ausgegraben wurde, sechs Einschlüsse, die als Parasiten-Eier identifiziert werden konnten. Ein seltener Fund, denn Parasiten im Körper versteinerter Urzeitlebewesen sind in der Regel nicht mehr erkennbar.
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Der Fund liefert den Wissenschaftlern neue Erkenntnisse über die wechselseitige Beziehung von Parasiten und Wirtstieren in der Evolution. "Vorhergehende Studien konnten lediglich einen Parasiten pro Koprolith ausmachen. Unsere aktuelle Studie zeigt, dass ein Koprolith mehr als einen Parasiten enthalten kann", zitiert "CNN" Studienleiter Nonsriracha. Es handelt sich damit um das erste Indiz eines mehrfach mit Parasiten infizierten Urzeit-Lebewesen.
Neue Forschungsgrundlage: Friedliche Ko-Evolution zwischen Schmarotzer und Wirt?
Warum der Fund wichtig ist erklärte der schwedische Evolutionsbiologe Martin Qvarnström von der Universität Uppsala dem US-amerikanischen Sender: "Die Überreste von Parasiten in Koprolithen zu untersuchen, ist wichtig, weil es uns seltene Einsichten in das Zusammenleben urzeitlicher Parasiten mit ihren Wirtstieren ermöglicht." Seiner Ansicht nach ist die Entdeckung ein weiteres Puzzleteil in der noch spärlich erforschten Entwicklungsgeschichte parasitärer Lebensformen.
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Die Untersuchung könnte demnach weitere Erkenntnisse darüber liefern, wie sich das Schmarotzertier und sein Wirtstier in ihrer Evolution gegenseitig beeinflussten. Ob die Fadenwürmer das Reptil krank machten, ist dabei unklar. "Manche Parasiten können den Wirt nutzen, um sich darin zu entwickeln, ohne eine Krankheit im Wirtstier auszulösen", sagt Nonsriracha. Unklar ist außerdem, ob der Phytosaurus Träger der Schmarotzer war oder ein Beutetier, das ihm zum Opfer fiel.
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Der Fadenwurm überlebte, das Ur-Krokodil starb mit Pangea aus
Dass keinerlei knöchernen Rückstände im Kot entdeckt wurde, half den Wissenschaftlern bei der Identifikation des Ausscheiders. Denn wie neuzeitliche Krokodile, so die Annahme, verdauten auch Phytosauren ihre Beute mit Haut und Haar, ganz ohne Rückstände. Dem extrem sauren Milieu im Verdauungstrakt des Ur-Reptils hielten dafür die mikroskopisch kleinen Parasiten-Eier stand. Um an die eingeschlossene organische Materie zu gelangen, schnitten die Wissenschaftler aus Frankreich und Thailand die Probe in mikrometerschmale Streifen. Darin enthalten war das Ei eines parasitischen Fadenwurms, wie er noch heute in Pflanzen, Tieren, Menschen und vor allem Reptilien auftaucht.
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Fadenwürmer gelten heute als "ominpräsent", wie der neuseeländische Zoologe GW Yeates in einer Studie 2009 feststellte. Gefunden wurden Exemplare der Gattung etwa in 3,6 Kilometer tiefem Kluftwasser in Südafrika sowie in eisfreien Tälern in der Antarktis. Als weniger resistent erwiesen sich dafür die Phytosauren. Denn obwohl die Urzeitreptilien mit der langen Schnauze, den kurzen Gliedmaßen und messerscharfen Reißzähnen nur wenige Merkmale von heutigen Krokodilen und Alligatoren unterscheiden, handelt es sich nicht um direkte Nachkommen. Vielmehr starben die Phytosaurier beim großen Massensterben vor 201 Millionen Jahre aus, als der einstige Superkontinent auseinanderbrach und schwere geologische und biologische Verwerfungen auslöste. Heutige Krokodile entwickelten sich dagegen durch konvergente Evolution. Darunter versteht man in der Biologie die Entwicklung von ähnlichen Merkmalen bei miteinander nicht verwandten Arten.
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