Essen. Wie nachhaltig Glas- oder Plastikflaschen sind, wissen nur wenige Verbraucher. Das liegt auch am komplizierten Pfandsystem. Was wichtig ist.
- Seit dem 1. Januar 2022 gilt eine Pfandpflicht für fast alle Einweg-Getränkeflaschen aus Kunststoff und für Getränkedosen.
- Mehrwegflaschen werden neu befüllt, Einwegflaschen werden geschreddert und teilweise zu neuen Flaschen verarbeitet.
- In diesem Artikel lesen Sie, welche Getränkeflasche für die Umwelt besser ist und wann selbst Plastik eine Option ist.
Samstagmorgen im Getränkemarkt. In einer langen Schlange stehen die Kunden vor den Rücknahmeautomaten, bepackt mit Taschen voller leerer Plastikflaschen. Stück für Stück verschluckt sie der Automat mit Getöse, und für jede dieser Einwegflaschen spuckt er 25 Cent Pfand aus. Viel Geld, deswegen werden auch über 96 Prozent der leichten Plastikflaschen wieder zurück in die Geschäfte gebracht. Doch das Bild eines geschlossenen Kreislaufs stimmt ebenso wenig wie der Glaube, nur mit Glasflaschen der Umwelt etwas Gutes zu tun.
Einweg, Mehrweg: Als „umweltfreundlich“ wird jede Flasche beworben
Willkommen in der bunten, komplizierten Recycling-Welt. Wer in Deutschland im Handel ein Getränk kauft, hat die Wahl: Es gibt Einweg- und Mehrwegflaschen, aus Glas oder Plastik. Als „umweltfreundlich“ wird jede Flasche und jedes Material beworben. Doch wohl die wenigsten Verbraucher wissen, wie nachhaltig Produktion, Entsorgung und Lebensdauer der Flaschen tatsächlich sind.
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Dass es zudem für Glas und für Plastik, für Einweg und für Mehrweg bei der Rückgabe Pfand gibt, stiftet bei Verbrauchern reichlich Verwirrung. Dabei unterscheiden sich die Umweltbilanzen enorm. Und so manches Recycling-Versprechen, mit dem Discounter in ihren Läden werben, ist in Wirklichkeit das genaue Gegenteil von nachhaltig.
Welche Verpackung aber ist aus ökologischer Sicht die bessere Wahl? Und worauf sollten Verbraucher achten, wenn sie bei ihrem Getränkekauf Umwelt und Ressourcen schonen wollen? Ein Überblick über Rücknahmesysteme, Ökobilanzen und Pfandlogos.
Die Materialfrage: Glas und Plastik
Etwa zwei Drittel der Wasserflaschen, die in Deutschland verkauft werden, sind aus Plastik. Hergestellt werden sie aus dem Kunststoff Polyethylenterephthalat – kurz PET. Die Deutschen haben ihre PET-Flasche schätzen gelernt: Sie ist leicht und nahezu bruchsicher. PET gibt es als dünnwandige (Einweg-) und dickwandige (Mehrweg-) Flasche.
Glasflaschen hingegen sind überwiegend Mehrweg: Sie können bis zu 50-mal neu befüllt werden, ehe sie aussortiert werden, die stabilen PET-Mehrwegflaschen nur bis zu 25-mal. Der Nachteil von Glas: Die Flaschen sind schwer und verursachen höhere Transportkosten und CO2-Emissionen. Einweg-Glasflaschen können zwar beliebig oft eingeschmolzen werden. Der Prozess aber verbraucht viel teure Energie.
Einweg – in vielen Fällen ökologisches Schlusslicht
Was passiert mit den Plastik-Einwegflaschen? Zurück in den Getränkemarkt. Im Rücknahmeautomaten wandert die eingeworfene Einweg-Plastikflasche in den Kompaktor. In dieser Maschine wird sie zusammengedrückt und dann mit anderen Flaschen zu Ballen verpresst. Im Recyclinghof werden die Flaschen wieder getrennt, gesäubert und nach Farben sortiert. Dann werden sie zu kleinen Plastik-Flakes geschreddert, die später eingeschmolzen werden, um daraus neue Flaschen herzustellen.
Die Rückgabe und das Schreddern der Einweg-Plastikflaschen suggerieren bei vielen Verbrauchern das Bild eines geschlossenen Kreislaufs. Tatsächlich aber sagt es nichts darüber aus, wie gut die Einweg-Plastikflaschen recycelt werden können. Das Material wird zwar wiederverwendet, aber eben nicht zu 100 Prozent für neue Flaschen. Der Naturschutzbund Deutschland (Nabu) schätzt in einer Studie, dass nur 34 Prozent des recycelten PETs wieder zu einer neuen Getränkeflasche verarbeitet werden. Die Deutsche Umwelthilfe beziffert den Anteil gar auf nur 26 Prozent.
Hersteller und Umweltverbände streiten über Altplastik
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Der überwiegende Teil der geschredderten Einwegflaschen wird laut Nabu zu minderwertigeren Textilfasern, Folien oder Putzmittelflaschen verarbeitet. Für die Herstellung neuer Einweg-Flaschen aber werden Erdöl oder Erdgas gebraucht – fossile Energien, die die Umwelt belasten, knapp und teuer sind.
Wie groß genau der Anteil von Altplastik in einer neuen Einweg-Flasche ist, darüber streiten sich Hersteller und Umweltverbände. Einen in sich geschlossenen Materialkreislauf gibt es bei Einwegplastikflaschen nicht, stellt die Deutsche Umwelthilfe in diesem Faktencheck zu Ökobilanzergebnissen fest. Laut Nabu entstehen durch das PET-Flaschensystem jährlich 450.000 Tonnen Plastikmüll – rechne man die Flaschenverschlüsse mit ein.
Einweg-PET-Flaschen im Mehrwegkasten
Die Ökobilanz von Einweg-PET-Flaschen habe sich in den letzten Jahren durch die Erhöhung des Recyclings verbessert, argumentiert hingegen die Verpackungsindustrie. Als Beispiel dafür gilt Petcycle. Petcycle ist ein System für Einwegflaschen aus Plastik, die in Mehrwegkästen verkauft werden. Eingeführt wurde es 1999 von mittelständischen Unternehmen: Händler aus der Region verkaufen Getränke in Einweg-PET-Flaschen im Mehrwegkasten gegen Pfand.
Auch hier werden die gebrauchten Flaschen zerkleinert und zu neuen Gebinden verarbeitet. Laut Angaben der Petcycle GmbH liegt der Rücklauf der Flaschen bei annähernd 100 Prozent. Auch bestehe jede neue Flasche inzwischen zu mindestens 80 Prozent aus Altplastik. Damit liege die Ökobilanz von Petcycle-Flaschen „auf gleichem Niveau“ wie von Glas- oder PET-Mehrwegsystemen, stellt das Unternehmen fest.
Hintergrund: Mehrwegpflicht für das Essen zum Mitnehmen: Das gilt ab 2023
Umweltverbände wie die Deutsche Umwelthilfe bezweifeln diese Darstellung. Wie auch andere Einwegflaschen aus Plastik seien die enthaltenen Flaschen nach einmaliger Nutzung Müll. Sie würden nicht wieder befüllt, sondern müssten neu produziert werden.
Mehrweg und regional – am besten für die Umwelt
Das Umweltbundesamt (UBA) fällt ein grundsätzliches Urteil: Die Umweltbilanz einer Flasche ist umso besser, je öfter sie befüllt werden kann. Deswegen, so sehen es auch die meisten Umweltverbände, sollten Verbraucher Mehrwegflaschen kaufen und dabei auf Regionalität achten. Regional bedeutet, dass die Flaschen in der Region abgefüllt werden. Dazu müssen Verbraucher wissen, wo sich die jeweilige Quelle oder Abfüllanlage von einem Mineralwasser befindet.
»» Tipp: Die deutschen Mineralbrunnen bieten auf dieser Seite einen „Brunnenfinder“ an, der bei Eingabe einer Postleitzahl Quellen aus der Region auflistet.
Aus welchem Material die Mehrwegflasche besteht, also aus Glas oder Plastik, sei dabei zu vernachlässigen, stellt das UBA fest. Wichtig sei der Blick auf die Transportwege. Laut der Deutschen Umwelthilfe werden Einwegflaschen im Schnitt 450 Kilometer weit bis zum Verkaufsort transportiert. Das sei etwa doppelt so weit wie beim Transport von Mehrwegflaschen. Kürzere Wege aber bedeuten einen geringeren Ausstoß von klimaschädlichem CO2, der für die Umweltbilanz mitentscheidend ist. Wichtig für die Ökobilanz ist zudem, wie häufig eine Flasche wiederverwendet wird. Auch hier punktet Mehrweg.
Glas hui, Plastik pfui? So einfach ist das nicht. PET-Mehrweg-Flaschen haben den Vorteil, dass sie dank ihres leichten Gewichts beim Transport weniger CO2-Emissionen verursachen. PET-Flaschen der Gesellschaft deutscher Mineralbrunnen (GDB) werden zudem von mehreren Abfüllern genutzt. Diese „Poolflaschen“ verringern die Zahl der Transporte und sparen somit Emissionen ein.
Dass Mehrwegflaschen gespült und gereinigt werden müssen, hält die Deutsche Umwelthilfe im Vergleich zu Einweg nicht für entscheidend: In der Gesamtbetrachtung würden weniger Energie und Ressourcen verbraucht als bei der Neuproduktion von Einweg-Plastikflaschen und Dosen.
Fazit: Mehrweg vor Einweg
Regional abgefülltes Mineralwasser in einer Mehrweg-Standardflasche gilt als nachhaltigste Lösung beim Getränkekauf. In einer Studie der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) für die Deutsche Umwelthilfe gehen die Autoren davon aus, dass bei einer Transportdistanz von bis zu 600 Kilometer Mehrwegsysteme ökologisch vorteilhafter sind.
Plastik kann gegenüber Glas eine bessere Ökobilanz haben, wenn auch hier die Transportwege kurz sind. Diesen Vorteil erzielen standardisierte Poolflaschen, die von mehreren Unternehmen genutzt werden. Der Weg zum nächstgelegenen Abfüller ist kürzer, die CO2-Emissionen beim Transport sind aufgrund des leichteren Gewichts niedriger. Einen klaren Verlierer gibt es auch: Als ökologisches Schlusslicht gelten Einweg-Glasflaschen.
DUH: Zwei Millionen Plastikflaschen pro Stunde
Doch obwohl Mehrweg-Getränkeverpackungen die ökologisch bessere Wahl sind, ist ihr Anteil in den vergangenen Jahren beständig gesunken und kommt nun nicht vom Fleck: Nach Zahlen des Umweltbundesamts lag er 2020 bei rund 43 Prozent – 1,3 Prozentpunkte höher als ein Jahr zuvor, aber meilenweit vom gesetzlichen Ziel von 70 Prozent entfernt. Nach Zahlen der Deutschen Umwelthilfe fallen in Deutschland weiterhin fast zwei Millionen Einweg-Plastikflaschen an Müll an – pro Stunde.
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Ein Grunde für die Zielverfehlung ist, dass Verbraucher Schwierigkeiten haben, Mehrweg von Einweg zu unterscheiden. Vor allem die unterschiedliche Bepfandung sorgt für Verwirrung.
Wichtig für die Umweltbilanz: Die Länge der Transportwege
Aus welchem Material die Flasche besteht, Glas oder Plastik, sei dabei zu vernachlässigen, stellt zumindest das UBA fest. Wichtig ist jedoch der Blick auf die Transportwege. Laut der Deutschen Umwelthilfe werden Einwegflaschen im Schnitt 450 Kilometer weit bis zum Verkaufsort transportiert. Das sei etwa doppelt so weit als beim Transport von Mehrwegflaschen. Kürzere Wege aber bedeuten einen geringeren Ausstoß von klimaschädlichem CO2, der für die Umweltbilanz mitentscheidend ist.
Wie Verbraucher Mehrweg erkennen können
Eine eindeutige, gesetzlich vorgeschriebene Kennzeichnung von Mehrweg-Getränkeverpackung gibt es nicht, kritisiert die Verbraucherzentrale NRW. Zu erkennen sind sie an dem Umweltzeichen Blauer Engel oder dem Mehrweg-Logo. Auf den Glas- oder Plastikflaschen können folgende Aufschriften stehen: Leihflasche, Pfandflasche, Mehrweg, Mehrweg-Flasche. Leere Flaschen werden zum Abfüller gebracht und gespült. Dann können sie wieder mit einem Getränk befüllt werden.
Für jede abgegebene Mehrwert-Flasche – egal, ob aus Glas oder PET und egal, welches Getränk enthalten ist – gibt es Pfand. Er beträgt in den meisten Fällen 15 Cent, bei Bier-Mehrweg-Flaschen sind es acht Cent.
Wie Verbraucher Einweg erkennen können
Einweg-Flaschen und -Dosen, für die Pfand erhoben wird, müssen von den Herstellern deutlich sichtbar als pfandpflichtig gekennzeichnet werden. Erkennbar sind sie an den Aufschriften Pfandflasche, Einwegpfand 0,25 Euro, PET-CYCLE oder dem Zeichen der Deutschen Pfandsystem GmbH (DPG), so die Verbraucherzentrale NRW. In den meisten Fällen kennzeichnen die Abfüller Einweg-Verpackungen mit dem DPG-Zeichen und einem EAN-Code (Strichcode). Die Pfandgebühr liegt bei allen Einwegflaschen oder -dosen bei 25 Cent.
Auch der Handel muss etwa am Verkaufsregal deutlich sichtbar darauf hinweisen, ob es sich um eine Einweg- oder eine Mehrweg-Getränkeverpackung handelt.
So werden Flaschen des Petcycle-Systems gekennzeichnet
Wie auch andere Einwegflaschen aus Plastik werden die in den Mehrweg-Kästen enthaltenen PET-Flaschen nach einmaliger Nutzung zerkleinert. Auf den Flaschen ist immer auch das Pfand-Logo für Einweg abgebildet. Es muss ein Pfand in Höhe von 25 Cent erhoben werden. Die Mehrwegkisten sind meist mit einem Pfand von 1,50 Euro versehen. Laut Unternehmensangaben hat Petcycle mit etwa 1,2 Milliarden Flaschen einen Marktanteil von rund acht Prozent.
Das steht auf Einwegflaschen ohne Pfand
Es geht noch komplizierter. Es gibt Einwegflaschen und Dosen ohne Pfand. Sie tragen weder das DPG-Logo noch eine Mehrwegkennzeichnung und werden nach Gebrauch entsorgt. Diese Flaschen sind mit dem grünen Punkt oder dem Wegwerfsymbol gekennzeichnet. Das ist das Gegenteil von Kreislauf.
Von der Pfandpflicht ausgenommen sind aktuell Milch- und Milchmischgetränke (zum Beispiel Buttermilch oder Ayran). Doch die Übergangszeit endet schon bald: Ab dem 1. Januar 2024 muss auch für diese Einweg-Behälter Pfand gezahlt werden. Damit fällt auch die letzte Ausnahme in diesem komplizierten Pfandsystem.
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