Essen. Mit günstigen Bio-Produkten rollen Discounter den Markt auf. Doch Siegel, Eigenmarken und Werbebegriffe verwirren Verbraucher. Was wichtig ist.
- 15,3 Milliarden Euro haben Verbraucher im vergangenen Jahr für Bio-Lebensmittel ausgeben
- Ein Dschungel aus Siegeln erschwert Verbrauchern den Kauf ökologisch erzeugte Produkte
- Wir zeigen, welche unterschiedlichen Kriterien gelten und worauf Verbraucher achten sollten
Bio boomt. Immer mehr Menschen interessieren sich dafür, wie ihre Lebensmittel erzeugt und verarbeitet wurden. wurden. Welche Zusatzstoffe verwenden wurden. Oder wie die Tiere gehalten werden, von deren Fleisch oder Milch wir uns ernähren.
15,3 Milliarden Euro haben Verbraucherinnen und Verbraucher im vergangenen Jahr in Deutschland für ökologisch erzeugte Nahrungsmittel ausgegeben, teilt der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft mit. Das sind acht Prozent der Lebensmittel-Ausgaben privater Haushalte. Tendenz steigend, wie es scheint: Seit dem Vor-Corona-Jahr 2019 hat die Bio-Branche ein sattes Umsatzplus von 25 Prozent hingelegt. Doch so rosarot wie in den letzten Jahren ist die Öko-Welt schon lange nicht mehr.
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Inflation, massiv gestiegene Energiekosten und der Ukraine-Krieg haben dazu geführt, dass die Deutschen sparsamer einkaufen. Sie wollen weiter Bio-Lebensmittel – aber nicht nicht mehr zu jedem Preis. Discounter wie Aldi oder Lidl erobern mit günstigen Angeboten die Nachhaltigkeitsnische, während der Umsatz in Reformhäusern, Naturkostläden und Bio-Supermärkten einbricht. Werden nun ausgerechnet die Bio-Pioniere zum Verlierer des Booms?
Wer jedoch vor den prallvollen Supermarkt-Regalen steht und Ausschau nach Bio-Produkten hält, muss sich durch einen Dschungel aus Prüfzeichen und Werbebegriffen schlagen. Wie nachhaltig ist Bio überhaupt? Vielen Verbrauchern fehlt Wissen, um die richtige Kaufentscheidung zu treffen. Ein Überblick über wichtige Bio-Siegel und wodurch sie sich unterscheiden.
Das EU-Bio-Siegel
Seit dem 1. Juli 2010 müssen alle Bio-Lebensmittel, die in der EU hergestellt wurden, das EU-Bio-Label tragen. Es hat die Form eines Blattes und dürfte sich in den Supermärkten am häufigsten finden. Es konzentriert sich auf den fairen Handel mit den Erzeugern und Händlern. Das Siegel garantiert, dass Lebensmittel den EU-Mindeststandard erfüllen. „Öko“ oder „bio“ darf ein Produkt nur dann genannt werden, wenn es diese Standards zu mindestens 95 Prozent erfüllt sind:
- Verzicht auf chemische Dünge- und Schutzmittel
- Artgerechte Tierhaltung
- Nur eine bestimmte Anzahl an Tieren pro Quadratmeter
- Tierfutter aus biologischem Anbau
- Verzicht auf Gentechnik
- Verwendung von Antibiotika nur zu medizinischen Zwecken
- Maximal 49 Zusatzstoffe in verarbeiteten Lebensmitteln
Hersteller, deren Produkt dieses Bio-Siegel tragen dürfen, werden mindestens einmal im Jahr von einer Kontrollstelle überprüft. Die Kontrolle lässt sich über einen Code auf der Verpackung zurückverfolgen.
Die Kritik an der EG-Öko-Verordnung ist jedoch groß, da sie nur Mindeststandards festlegt. Beispiel Tierhaltung: EU-Öko-Bauern dürfen bis zu 3000 Hennen in einem Stallabteil halten. Maximal sechs Hühner teilen sich dabei einen Quadratmeter. Die meisten Öko-Verbände haben weit strengere Vorgaben.
Das deutsche Bio-Siegel
Das sechseckige deutsche Logo mit der Aufschrift „Bio“ gibt es schon seit 2001 – und ist eigentlich überflüssig. Das Label blieb nach der Einführung des EU-Siegels gültig und darf seitdem freiwillig auf Produkten verwendet werden. Vergeben wird es vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) - und richtet sich nach den gleichen Kriterien des EU-Siegels. Somit gilt auch hier: Mindestens 95 Prozent der Zutaten, die landwirtschaftlich erzeugt wurden, stammen aus ökologischem Anbau.
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Die Kriterien der wichtigsten Anbauverbände
Neben der staatlichen Kennzeichnung gibt es die Label und Warenzeichen ökologischer Anbauverbände. Diese Zusammenschlüsse von biologisch wirtschaftenden Bauern und Verarbeitern existierten schon vor der Einführung der EG-Öko-Verordnung 1993. Sie entwickelten eigene Kriterien, die zum Teil deutlich über die Standards des EU-Bio-Siegels hinaus gehen.
Demeter
Der älteste Bio-Anbauverband besteht seit 1924 und setzt die strengsten Kriterien für ein Bio-Siegel in Deutschland. Demeter beruft sich auf Impulse aus der anthroposophischen Lehre von Rudolf Steiner, dem Begründer der Waldorfpädagogik. Demeter-Bauern verstehen ihren Hof als Organismus. Sie sind laut Leitlinien verpflichtet, regelmäßig Präparate aus Heilkräutern, Mineralien oder Kuhmist zu verwenden. Demeter erlaubt nur maximal 21 Zusatzstoffe in verarbeiteten Produkten und geht auch in diesen Bereichen der Tierhaltung über die EU-Mindestkriterien hinaus:
- Weniger Geflügel und Schweine pro Hektar
- Verbot der Enthornung von Rindern
- Auslauf für Legehennen
- 100 Prozent Biofutter, mindestens 50 Prozent des Futters vom eigenen Betrieb oder regionaler Kooperation
Bioland
Der 1976 gegründete Anbauverband mit über 7000 Biobauern und über 1000 Herstellern sieht sich als bedeutendster Zusammenschluss in Deutschland. Bioland stellt das Tierwohl an erster Stelle und schreibt etwa regelmäßige Kontrollen mit Beurteilung der Tiere anhand von definierten Kriterien vor. Auch hier sollen erkrankte Tiere bevorzugt naturheilkundlich behandelt werden. Tiertransporte dürfen maximal vier Stunden dauern, die Strecke nur bis zu 200 Kilometer lang sein.
Wie Demeter wirtschaftet auch Bioland mit einem geschlossenen Betriebskreislauf, die langfristige Erhaltung der Bodenfruchtbarkeit steht im Mittelpunkt. Der Unterschied zu anderen Anbauverbänden: Bioland legt viel Wert auf Regionalität, nur Erzeugerbetriebe in Deutschland und Südtirol werden mit dem Siegel ausgezeichnet.
Naturland
Naturland wurde 1982 in München von Wissenschaftlern und Landwirten in München gegründet - mit dem Ziel, den ökologischen Landbau weltweit zu fördern. Heute ist er mit über 65.000 zertifizierten Erzeugern in 58 Ländern einer der weltweit größten Bio-Anbauverbände.
Auch Naturland geht mit seinen strengen Kriterien über die EU-Mindeststandards hinaus, etwa in der Tierhaltung. In den Richtlinien begleitet der Verband die Produkte vom Anbau bis zu ihrem Weg in den Handel. Dabei berücksichtigt Naturland bei der Zertifizierung auch soziale Aspekte, wie etwa den Ausschluss von Kinderarbeit oder die Wahrung der Menschenrechte. Zu finden ist das Siegel nicht nur auf Lebensmitteln, sondern auch auf Holzprodukten und Textilien.
Mehr zum Thema: Infoseite der Verbraucherzentrale NRW
Die Siegel der Discounter Aldi, Lidl & Co
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Längst ist Bio auch in den Supermärkten der Discounter angekommen. Allerdings herrscht in den Regalen ein riesengroßes Durcheinander an Kennzeichen und Werbebegriffen.
Die meisten Discounter setzen bei ihrer Strategie für biologisch erzeugte Lebensmittel auf Eigenmarken: Rewe Bio, Edeka Bio, BioBio (Plus), GutBio (Aldi), Naturgut (Penny), Bio Sonne (Norma) oder K-Bio (Kaufland). Wichtig für Verbraucher: Die meisten Produkte tragen das EU-Biosiegel, damit sind die Mindestanforderungen garantiert.
Doch auch Lebensmittel mit dem Siegel der strengen Anbauverbände stehen inzwischen in den Regalen der Discounter. Lidl kooperiert seit 2018 mit Bioland, Demeter mit Rewe, Edeka und Kaufland. Penny, Aldi Nord und Süd arbeiten mit Naturland zusammen. Aldi Süd hat vor wenigen Monaten seine neue Bio-Eigenmarke „Nur Nur Natur“ eingeführt, eine Art Premium-Marke für Bio-Lebensmittel. So verspricht Aldi Süd allerbeste Bio-Zutaten, eine schonende Verarbeitung und eine Zertifizierung nach Naturland-Kriterien.
Geschützte und ungeschützte Begriffe
Für Verbraucher gilt generell: „Bio“ oder „Öko“ sind rechtlich geschützte Begriffe. Nur Produkte, die den Rechtsvorschriften der EU für den Ökologischen Landbau entsprechen, dürfen auf der Verpackung diese Kennzeichnung tragen. Sie enthalten also mindestens die EU-Bio-Qualität – egal wo man das Produkt kauft. Folgende Begriffe auf Lebensmitteln dürfen ebenfalls nur für Bioprodukte verwendet werden:
- biologisch oder ökologisch
- kontrolliert biologisch oder kontrolliert ökologisch
- biologischer oder ökologischer Landbau.
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Doch Vorsicht: Begriffe wie „natürlich“ oder „naturnah“, „unbehandelt“, „aus umweltschonender Landwirtschaft“ oder „kontrollierter Anbau“ sind nicht geschützt. Sie stehen nicht automatisch für eine ökologische Produktion. Was Verbraucher auch wissen sollten: „Bio“ ist nicht unbedingt „nachhaltig“. So können Bio-Lebensmittel trotzdem einen weiten Transportweg hinter sich haben und aus nicht-saisonalem Anbau stammen, kritisiert etwa der Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Und: Auch Bio-Lebensmittel stecken oftmals in Plastik.
» Info
- Einen recht vollständigen Finder bietet mein-bauernhof.de. Hier kann man mittels einer Karte nach Direktverkaufsstellen, Hofläden und Wochenmärkten suchen.
- Ein Tipp für Verbraucherinnen und Verbraucher, die durch den Dschungel der Lebensmittel-Kennzeichnungen finden wollen: Die Verbraucher Initiative bietet im Netz unter www.label-online.de ein Portal der geläufigsten Lebensmittelsiegel in Deutschland an.