Bad Laasphe/Siegen. Bad Laaspher Bevölkerung hatte Angst: 33-Jähriger soll 104 Straftaten auf dem Kerbholz haben. Zeugen beschreiben den psychisch kranken Mann.

„Die Stimmung in Bad Laasphe war aggressiv“. So beschreibt ein 60-jähriger Kriminalhauptkommissar die Lage in der Kernstadt von Bad Laasphe. „Hilflos“ fühlten sich die Menschen, die zwischen 2023 und 2024 über zwei Jahre in Angst gelebt haben. Verantwortlich dafür ist ein 33-jähriger, psychisch kranker Mann aus Afghanistan. Der muss sich jetzt wegen 29 Anklagepunkten vor der 2. großen Strafkammer des Landgerichtes Siegen verantworten. Im Mittelpunkt steht auch die Frage, ob der Mann, der aktuell in der forensischen Psychiatrie in Lippstadt-Eikelborn behandelt wird, schuldfähig ist. Staatsanwalt Moritz Faßbender hat in diesem Sicherungsverfahren die dauerhafte Unterbringung des Mannes in einem psychiatrischen Landeskrankenhaus beantragt. Neben der Strafkammer unter dem Vorsitz von Richterin Elfriede Dreisbach wird auch dem forensischen Gutachter Dr. Bernd Roggenwallner dabei eine wichtige Rolle zukommen.

Kämmerer Manfred Zode präsentiert den Schaden an der Eingangstür des Jobcenters. In Bad Laasphe wurden im Januar 2024 Gebäude durch Steine beschädigt.
Kämmerer Manfred Zode präsentiert den Schaden an der Eingangstür des Jobcenters. In Bad Laasphe wurden im Januar 2024 Gebäude durch Steine beschädigt. © Stadt Bad Laasphe | Jens Gesper

„Ich habe in acht Jahren als Sachbearbeiter den Eindruck gewonnen, dass mehr als nur Sachbeschädigung möglich ist.“

Kriminalhauptkommissar
Kennt den Mann seit 2017

Der 60-jährige Kriminalhauptkommissar im Zeugenstand kennt den Beschuldigten sehr gut. „Wir haben auch ein sehr gutes Verhältnis“, sagt der Zeuge. Seitdem der offenbar in Afghanistan gefolterte und durch die Ermordung seines Vaters zusätzlich traumatisierte Mann mit seiner Mutter und Geschwistern nach Deutschland kam, ist der Beschuldigte immer wieder aktenkundig geworden. „Ich habe 104 Strafverfahren mit ihm bearbeitet“, berichtet der Kriminalbeamte. Los ging es 2017 mit Ladendiebstählen und Drogenkonsum. Dann war eine Zeit lang Ruhe, ehe es 2023 mit einer stark zunehmenden Geschwindigkeit zu Sachbeschädigungen, Beleidigungen, öffentlichem Entblößen und Bedrohungen gekommen sei. „Ich habe in acht Jahren als Sachbearbeiter den Eindruck gewonnen, dass mehr als nur Sachbeschädigung möglich ist“, formulierte der Polizist seine Einschätzung. Das Problem sei, dass der heute 33-Jährige immer wieder in die Psychiatrie eingewiesen worden sei. Dann sei er medikamentös eingestellt worden und wieder frei gekommen. In Freiheit aber sei niemand da gewesen, der kontrolliert habe, ob er seine Medizin nehme. Ohne die Wirkung der Medikamente sei es schnell wieder zu Straftaten gekommen.

Im Landgericht Siegen steht im Saal 165 ein Mann vor Gericht, der 29 Straftaten, wie Sachbeschädigungen, dazu Körperverletzung, Widerstand gegen Polizeibeamte, Bedrohung und Exhibitionismus begangen haben soll. Ihm droht die dauerhafte Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie.
Im Landgericht Siegen steht im Saal 165 ein Mann vor Gericht, der 29 Straftaten, wie Sachbeschädigungen, dazu Körperverletzung, Widerstand gegen Polizeibeamte, Bedrohung und Exhibitionismus begangen haben soll. Ihm droht die dauerhafte Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie. © WP | Lars-Peter Dickel

Mit Hitler in Kabul gewohnt

Das deckt sich mit den Aussagen von anderen Polizeibeamten. Die beschreiben ihre Erfahrungen mit dem stadtbekannten Täter, der starken Stimmungsschwankungen unterliege. Auffällig dabei sei, dass er entweder sich selbst oder anderen Schaden zufüge und dann keine nachvollziehbaren Begründungen dafür liefern könne. „Es kommt auf seine Tagesstimmung an“, sagt eine 50-jährige Polizeibeamtin. Die hat ihn auch schon so erlebt, dass er den Kopf an ein Brückengeländer an der Lahn schlug, ein benutztes Taschentuch von der Straße auflas und vor ihren Augen zerkaut und verschluckt hat. Außerdem habe er sich an diesem Tag seine eigene Spucke ins Gesicht gerieben. Auch die Polizeibeamtin hat mehrere Einsätze mit dem Mann erlebt. „Der Strom hat es ihm befohlen. Manchmal war es auch Gott“, berichtet sie über die Gespräche mit dem 33-jährigen. Gott befehle ihm auch, sich selbst zu verletzten, hat er erklärt und dann bezeichnete er sich auch „als gottgegebenen Herrscher aller Arschlöcher“ oder erzählt von „Adolef“ Hitler. Adolf kann er nicht sagen. Aber Hitler habe mit ihm und seinen Schwestern zusammen in Kabul gewohnt.

„Nach der Zeugenaussage habe ich doch Angst, dass er mir etwas tun könnte.“

Zeuge
Wohnte in der Flüchtlingsunterkunft

Ebenso verrückt sind auch die Begründungen für Steinwürfe gegen das Firmenschild des Bad Laaspher Unternehmens HWS, wie ein anderer Polizeibeamter berichtet. „Er hat auf seine blaue-weißen Badelatschen gezeigt und gesagt, dass Blau und Weiß seine Lieblingsfarben seien. Die Farbkombination Rot-Weiß gehe aber nicht und die müsse er zerstören.“

„Wir haben täglich Ausschau nach ihm gehalten“, berichtet der 23-jährige Beamte im Zeugenstand. Und ein 34-jähriger Kollege erinnert sich daran, dass die Polizei in Bad Laasphe alles ausgeschöpft habe, was man machen könne: „Ich bin sogar nachts zwei Stunden mit ihm durch Bad Laasphe spazieren gegangen, damit er nichts macht“. Auf die Frage von Richterin Elfriede Dreisbach, ob er von dem Beschuldigten auch beleidigt worden sei, antwortet der Polizist resignieren mit Ja: „Wenn wir für die Beleidigungen auch noch Anzeigen geschrieben hätten, hätten wir das 33-fache an Fällen.“

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So professionell wie die Polizisten im Zeugenstand nehmen es zwei Zeugen aus der Flüchtlingsunterkunft in Bad Laasphe nicht. Beide berichten von einem Vorfall, bei dem der Mann die Mülltonnen der Flüchtlingsunterkunft angezündet haben soll. Persönlichen Streit hätten sie mit dem Mann nicht, aber: „Er stellt eine Bedrohung für alle anderen dar“, sagt ein 37-jähriger Zeuge und dessen 32-jähriger Freund betont: „Nach der Zeugenaussage habe ich doch Angst, dass er mir etwas tun könnte“.

Bei einem nächsten Termin könnte bereits der psychiatrische Gutachter Dr. Roggenwallner gehört werden. Die Schwestern, die als Zeuginnen geladen worden sind, sollen laut der vorsitzenden Richterin bereits bekannt gegeben haben, dass sie von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch machen wollen. Weiter geht das Verfahren am Donnerstag, 30. Januar, um 9.30 Uhr in Saal 165 des Landgerichtes Siegen.