Siegen/Bad Laasphe. Beschuldigten droht die dauerhafte Unterbringung in einer forensischen Psychiatrie. Er ist verantwortlich für über 100 Polizeieinsätze.

Jetzt fällt auch noch der Name Adolf Hitler im Gerichtssaal. Das Strafverfahren gegen einen 33-jährigen Mann ist um eine verrückte Wendung reicher. Im Prozess vor der 1. großen Strafkammer am Landgericht Siegen geht es um die Schuldfähigkeit eines Mannes, dem laut Antragsschrift die dauerhafte Einweisung in ein psychiatrisches Krankenhaus droht. Deswegen wurde durch Staatsanwalt Faßbender auch keine Anklage erhoben, sondern ein Antragsverfahren angestrengt.

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Der Mann, der als Jugendlicher durch Folter und die Ermordung seines Vaters schwer traumatisiert sein soll, flüchtete mit seiner Mutter und Geschwistern aus Afghanistan nach Deutschland. Hier wird er für zahlreiche Straftaten verantwortlich gemacht. Er soll Auslöser für über 100 Polizei- und auch Feuerwehreinsätze in den vergangenen zwei Jahren sein. Eingeworfene Fensterscheiben an Häusern und Geschäften, zerstörte Autoscheiben, angezündete Mülltonnen, dazu Beleidigung, Bedrohung, Erregung öffentlichen Ärgernisses und Widerstand gegen Polizeibeamte und erheblicher Sachschaden sind die strafrechtliche Bilanz eines psychisch Kranken, der die Menschen in Bad Laasphe lange in Atem hielt. Sogar die eigene Familie und vor allem die Schwestern fürchtete sich vor dem Mann. „Wir haben uns fast täglich, wöchentlich mit seinen Eskapaden beschäftigt“, berichtet ein 48-jähriger Polizeibeamter im Zeugenstand.

An der Rückseite der Sparkassen-Filiale in Bad Laasphe soll der tatverdächtige 33-jährige Mann Feuer in Mülltonnen gelegt haben. Laut der Feuerwehr bestand Gefahr, dass sich die Menschen in den Wohnungen über dem Geldinstitut mit Rauchgasen verletzten, oder das Feuer auf das Gebäude übergreift.
An der Rückseite der Sparkassen-Filiale in Bad Laasphe soll der tatverdächtige 33-jährige Mann Feuer in Mülltonnen gelegt haben. Laut der Feuerwehr bestand Gefahr, dass sich die Menschen in den Wohnungen über dem Geldinstitut mit Rauchgasen verletzten, oder das Feuer auf das Gebäude übergreift. © WP | Lars-Peter Dickel

„Wir haben uns fast täglich, wöchentlich mit seinen Eskapaden beschäftigt“

Polizeibeamter
berichtet über die vielen Einsätze

Schaut man auf die Anklagebank, mag man das nicht recht glauben. Dort sitzt der Beschuldigte zwischen Anwalt und Übersetzer in seiner roten Winterjacke, die auch immer wieder in den Zeugenbeschreibungen benannt wird. Der 33-Jährige spricht nicht und scheint dem Prozessgeschehen nicht immer aufmerksam folgen zu können. Allerdings ist der Mann seit Monaten in der forensischen Psychiatrie in Lippstadt-Eickelborn. Dort nimmt er auch Medikamente. Die Diagnose: paranoide Schizophrenie sowie eine psychische und auch verhaltensmäßige Störung durch eine Cannabis-Abhängigkeit. Zu dem Cannabis kommt, dass der Beschuldigte bei vielen, aber nicht allen seiner Taten, unter Alkoholeinfluss stand. Befragt man ihn zu den Gründen für seine Ausraster, nennt er immer wieder „den Strom“ oder „Stimmen im Kopf“, die ihm dies befehlen.

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Am Donnerstag, dem vierten Verhandlungstag, geht es weiter, wie zuvor. Unter dem Vorsitz von Elfriede Dreisbach rekonstruiert das Gericht minutiös alle Fälle aus der Antragsschrift und hört Zeugen und Geschädigte an. Diesmal im Fokus stehen mehrere Sachbeschädigungen in Bad Laasphe, mehrere zerstörte Autoscheiben und eine versuchte Brandstiftung an Mülltonnen der Sparkassen-Filiale in Bad Laasphe. Das hätte laut dem 48-jährigen Polizeibeamten auch böse ausgehen können. Nach Rücksprache mit dem Leiter der Bad Laaspher Feuerwehr hätten die Bewohner der Wohnungen im Obergeschoss durch Rauchgase verletzt werden können und das Feuer hätte auch auf das Gebäude übergreifen können.

Aber was hat jetzt Adolf Hitler damit zu tun? Das erklärt sich erst durch Zeugenaussagen. „Er hat immer wieder von Hitler gesprochen, dass er mit ihm verwandt sei“, berichtet eine 38-jährige Polizeibeamtin über Vernehmungen des Mannes. Ihr 48-jähriger Kollege bestätigt das und fügt hinzu, dass er auch gesagt habe, „dass Hitler mit seiner Schwester schläft“. Seine Kollegin schildert das Sprunghafte des Beschuldigten bei Vernehmungen. „Manchmal hat er komische Sachen gesagt. Und dann war er wieder ruhig und hat uns den nächsten Tatort genannt“, erinnert sich die Beamtin. Und manchmal habe es so geschienen, als verstehe er kein Deutsch.

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In Vernehmungen hatte sich die Polizeibeamtin aber nicht direkt bedroht gefühlt. Sie berichtet aber davon, wie er speziell auf Polizeibeamtinnen mit sexuellen Anzüglichkeiten reagiert habe, während er den männlichen Kollegen gegenüber respektvoller gewesen sei. Sexuell übergriffig soll der Mann aber auch gegenüber seiner Schwester geworden sein. „Er hat gesagt, er will mit seiner Schwester schlafen“, berichtet ein Polizeibeamter.

Am Montag, 27. Januar um 9.30 Uhr geht die Beweisaufnahme mit weiteren Fällen weiter.