Bad Berleburg. Dirk Pöppel und Andreas Kurth sprechen aus Überzeugung über Karrierechancen und über die Vergleichbarkeit von Ausbildung und Studium.

Die gute Nachricht ist: Wittenstein ist mit viele sehr erfolgreichen Unternehmen, vielen Ausbildungsplätzen, einem Berufskolleg und einer „Lehrwerkstatt“ viel besser aufgestellt als andere Landstriche. Dass Dirk Pöppel und Andreas Kurth aus dem Berufsbildungsausschuss der Industrie- und Handelskammer Siegen-Wittgenstein/Olpe im Gespräch mit dieser Zeitung trotzdem nicht müde werden, für einen Karrierestart mit einer bodenständigen Berufsausbildung zu werben, hat aber einen ernsten Grund. Die schlechte Nachricht ist: Inzwischen konkurrieren Handwerksbetriebe und Industrieunternehmen nicht mehr nur untereinander um Auszubildende, sondern sie stehen auch im Wettbewerb mit anderen Bildungsangeboten wie Hochschulstudiengängen.

Dirk Pöppel, Berufsbildungsausschuss der IHK

„Deutschland wird weltweit um das System der dualen Ausbildung beneidet. Wir sind da exzellent aufgestellt.“

Dirk Pöppel

Die Zahl der Abiturienten in Deutschland steigt: 1950 waren es noch drei Prozent eines Altersjahrgangs. 1980 waren es bereits 30 Prozent, 1994 waren es 34 Prozent. Laut Statistischem Landesamt machen aktuell im Durchschnitt 38,8 Prozent aller Jugendlichen in NRW Abitur. Für Dirk Pöppel ist klar, dass sich in den Elternhäusern etwas ändern müsse und auch an den Gymnasien, die sich vielfach aus einer Tradition heraus als Wegbereiter einer akademischen Laufbahn verstehen.

„Bilderbuchkarrieren“ ließen sich auch ohne Abitur und ohne Studium machen. Pöppel kennt beide Bildungswege. Er hat Industriekaufmann gelernt, sich zum Fachwirt weitergebildet und anschließend den Bilanzbuchhalter gemacht. Später folgte noch ein Master in Betriebswirtschaft. Unterm Strich sei das für Unternehmen wie Arbeitnehmer aber nicht allein entscheidend: „Wir bezahlen nicht den Abschluss, wir bezahlen die Aufgabe. Ein Hochschulprofessor, der den Hof fegt, wird nur fürs Fegen bezahlt“, macht Pöppel das Ganze plastisch.“

Auch interessant

Andreas Kurth - Geschäftsführer des BZW.

„Damals wie heute ist die Idee richtig, sein berufliches Seepferdchen in einer außerbetrieblichen Lehrwerkstatt zu machen.“

Andreas Kurth

Auch interessant

Pöppel ist die Vergleichbarkeit der unterschiedlichen Bildungsabschlüsse sehr wichtig. Die ist in den acht Stufen des Deutschen Qualifikationsrahmens (DQR) klar geregelt. Eine dreijährige Berufsausbildung liegt auf der DQR-Stufe 4. Der Bachelor als Studienabschluss auf Stufe 6 und somit auf einer Stufe mit dem Meister in Handwerk und Industrie, dem Fachwirt oder dem Techniker. Der Master als Stufe 7 ist mit dem Betriebswirt vergleichbar. Der Vorteil in einer Berufsausbildung und schließenden Fortbildungen liege auf der Hand, sagen Pöppel und Kurth. Für den Mitarbeiter bedeute dies, dass er einen sicheren Arbeitsplatz habe und Gehalt. Das Unternehmen profitiert von Mitarbeitenden, die sich für neue Aufgaben qualifizieren und in der Firma Karriere machen. Auf dem Gehaltszettel sind dann Studienabschlüsse mit erfolgreichen Fortbildungen gleichwertig. Nur floss häufig während der Fortbildung weiter Geld von Unternehmen, während bei Studiengängen, Bafög oder Unterstützung der Familie notwendig seien.

Auch interessant

Wittgenstein hat den Vorteil, mit Ausbildungsunternehmen, Berufskolleg und Berufsbildungszentrum viele Aspekte der dualen Ausbildung wohnortnah abzubilden. Andreas Kurth ist Geschäftsführer des Berufsbildungszentrums Wittgenstein (BZW), das den meisten Menschen in Wittgenstein besser unter dem Namen „Lehrwerkstatt“ bekannt ist. Und Kurth wirbt für diese zentrale Berufsbildungs-Institution, die zahlreiche wittgensteiner Unternehmen als Gesellschafter betreiben. Während andernorts solche zentralen Ausbildungseinrichtungen geschlossen werden, ist das in Wittgestein kein Thema: „Damals wie heute ist die Idee richtig, sein berufliches Seepferdchen in einer außerbetrieblichen Lehrwerkstatt zu machen. Mit dieser Grundlagenausbildung können Auszubildende und Unternehmen etwas anfangen“, sagt Kurth und betont, dass sich hier Ausbilder hauptberuflich um den beruflichen Nachwuchs kümmern können. „Die duale Berufsausbildung ist wichtiger als je zuvor.“

Das unterstützt auch Dirk Pöppel, der jetzt als Vorsitzender des Berufsbildungsausschusses der Industrie- und Handelskammer Siegen-Wittgenstein Olpe führt. „Deutschland wird weltweit um das System der dualen Ausbildung beneidet. Wir sind da exzellent aufgestellt.“ Und Andreas Kurth pflichtet ihm bei: „Die einzigen, die das infrage stellen, sind wir Deutschen selbst.“ Wie erfolgreich Deutschland mit dieser Form der Berufsausbildung aus Praxis in den Unternehmen und Theorie in Berufsschulen sei, zeige die europaweit niedrige Jugendarbeitslosigkeit. Laut Statista liegt sie in Deutschland im Juli 2024 bei 6,6 Prozent. Der Durchschnitt der Eurozone liegt bei 14,2 Prozent. Spitzenreiter sind und Spanien mit 25,5 Prozent und Schweden mit 25,8.

Über allem ist Andreas Kurth aber eines auch ganz wichtig: „Wir sollten wieder mehr von Berufen reden, statt von Jobs“, sagt er, denn im Wort Beruf stecke auch Berufung. Und Dirk Pöppel macht klar: „Wir leben in einem Land, in dem einem alle Möglichkeiten offenstehen.“

Auch interessant