Bad Berleburg. Nach dem ersten Fall der Blauzungenkrankheit im Kreis ist der Impfstatus der ehemals freien Wisent-Herde im Fokus. Die Verwaltung klärt auf.

Der erste Fall der für Wiederkäuer gefährlichen Blauzungenkrankheit (Serotyp 3) im Kreis Siegen-Wittgenstein ist nicht nur für Landwirte ein Grund zur Beunruhigung. Er wirft auch ein Licht auf die medizinische Betreuung der zuerst frei lebenden, inzwischen jedoch gegazäunten Wisent-Herde. Die Grünenfraktion im Kreistag hatten nun mit einer Anfrage an Landrat Müller den Impfstatus der Tiere in den Fokus gerückt.

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Lahmheit, Fieber, gestörtes Allgemeinbefinden mit verminderter Futter- und Wasseraufnahme, Nasenausfluss oder im schlimmsten Fall der Tod – eine Infektion mit der Blauzungenkrankheit, übertragen durch Stechmücken (Gnitzen), kann für Wiederkäuer wie Wisente fatal enden. Ausgerechnet jene Tiere, die lange Zeit Aushängeschild des europäischen Artenschutzprojekts „Wisente im Rothaargebirge“ galten und zuletzt zum Dreh- und Angelpunkt in einem großen Streit um Besitz und Verantwortung verkamen. Dass die über 40 Tiere nun auf 24 Hektar leben, kritisiert nicht nur der BUND in seiner Klage auf sofortige Freilassung der Tiere, die Grünen des Kreises sehen in der Haltung nun auch das Risiko einer erhöhten Krankheitsanfälligkeit. „Die Tiere des Landesbetriebes Wald und Holz im Wisentgehege Hardehausen sind seit Wochen gegen die Blauzungenkrankheit geimpft“, zieht die Partei den Vergleich zu einer anderen Wisentherde.

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„Bezüglich der Versorgung der Wisente im Gehege in Bad Berleburg steht das Veterinäramt im engen Austausch mit den Wisentzuchtzentren West (Hardehausen) und Süd (Donaumos). Nach Rücksprache mit der verantwortlichen Betreuerin der Herden in Hardehausen wurden die dortigen Wisente erst einmalig in den letzten zwei Wochen gegen die Blauzungenkrankheit geimpft. Vor dem Hintergrund nicht auszuschließender Nebenwirkung des zur Verfügung stehenden, bisher nicht zugelassenen, Impfstoffes hat man sich dort nach bereits erfolgten Kalbungen letzte Woche erst für die Erstimpfung aller Wisente entschieden“, teilt die Pressestelle der Kreisverwaltung nun auf Nachfrage dieser Redaktion mit. Jedoch: „Für einen wirksamen Impfschutz ist aber eine Mehrfachimpfung erforderlich. Im Wisentzuchtzentrum Nord (Gehege Springe, Niedersachsen), welches sich wie NRW im BT-Restriktionsgebiet befindet, wurden bisher nur wenige männliche Tiere erstgeimpft.“

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Die Haltung in einem Gatter ist für die Übertragung der Krankheit nicht entscheidend, argumentiert die Verwaltung nun mit Blick auf die Kritik der Grünen. Das Virus überträgt sich über Stechmücken, nicht über Sekrete und Exkrete wie beispielsweise Kot von Tier zu Tier: „Ebenso können im Rudel lebende oder auch einzeln lebende Wildwiederkäuer betroffen sein.“ Die bisherigen, in Deutschland festgestellten Infektionen mit der aktuell sich verbreitenden BTV-3 Variante bei Großwiederkäuern seien mit milder Symptomatik wie Rückgang der Milchleistung, Fressunlust aufgrund von Veränderungen der Maulschleimhaut und Fieber verbunden.

„Ein Zutrieb der Wisente in die errichtete Fanganlage wurde bewusst unterlassen, um die Tiere, gerade die zurzeit noch hochträchtigen Kühe, vor Stress, Verletzungen und möglichen Verkalbungen zu schützen.“

Kreisverwaltung
über die medizinische Betreuung der Wisente

Die Wisente, „die in den letzten Jahren nicht gemanagt wurden und Fangeinrichtungen nicht kannten, mussten erst an diese gewöhnt werden. Ein Zutrieb der Wisente in die errichtete Fanganlage wurde bewusst unterlassen, um die Tiere, gerade die zurzeit noch hochträchtigen Kühe, vor Stress, Verletzungen und möglichen Verkalbungen zu schützen“, heißt es auf Nachfrage. In den seit mehr als 50 Jahren bestehenden Gehegen der Wisentzuchtzentren, in denen die Tiere unter anderem bereits in den Fanganlagen geboren wurden, erfolgen die Zwangsmaßnahmen wie Behandlungen und Blutprobenentnahmen hingegen jährlich. Das Management der Berleburger Herde erfolge nun jedoch im „Zeitraffer“. Die Tiere haben „in wenigen Wochen die Fanganlage angenommen, jedoch, wie bei in Großgehegen gehaltenen Tieren üblich, auf Distanz zu den Menschen.“ Mittlerweile zeigen die Wisente eine „gewisse Zutraulichkeit“, weshalb „in Absprache mit der die Wisente betreuenden Nutztierpraxis die Impfmaßnahmen für diese Woche bereits terminiert“ wurden.

Die Impfung gestalte sich jedoch mit Blick auf die Größe des Geheges schwierig: „Aufgrund der erforderlichen Mehrfachapplikation zum Erreichen eines wirksamen Impfschutzes ist ein einmaliges Impfen in der Fanganlage mit den zurzeit zur Verfügung stehenden, nicht zugelassenen Impfstoffen nach derzeitigen Erkenntnissen nicht ausreichend. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist es völlig offen, ob die Tiere der Herde nach einer Erstimpfung bereit sein werden, ein zweites Mal in die Fanganlage zu gehen.“