Wittgenstein. Unterschiede im Umgang mit geschlechtergerechter Sprache resultieren aus losen Vorgaben des Schulministeriums. Wir haben nachgefragt.
Das Thema der geschlechtergerechten Sprache, auch als inklusive Sprache oder Gendern bezeichnet, sorgte vor einigen Jahren für viele Diskussionen. Ob man nun immer nur generisches Maskulinum (Schüler), beide Geschlechtsformen, das Sternchen (Schüler*innen), das „Binnen-I“ (SchülerInnen), den Doppelpunkt (Schüler:innen) oder eine ganz neutrale Form (z.B. Lernende) verwendet, war ein Streitthema. Inzwischen ist das Reizthema aus dem öffentlichen Diskurs weitgehend verschwunden. Die meisten Institutionen scheinen also einen funktionierenden Umgang mit der geschlechtergerechten Sprache gefunden haben. Doch wie handhaben es die Schulen in Wittgenstein?
„Geschlechtersensible Bildung“ ist Priorität
Das Nordrhein-Westfälische Schulministerium hat sich „Geschlechtersensible Bildung“ und Gleichberechtigung auf die Fahne geschrieben: Aufgabe der Schulen sei es, „eine tatsächliche Gleichberechtigung der Geschlechter zu fördern und auf den Abbau bestehender Nachteile hinzuwirken“, heißt es in der offiziellen Handreichung. Konkrete Empfehlungen zum Umgang mit Sprache gibt es allerdings auch in der ausführlichen Handreichung nicht. In NRW gibt es weder ein Verbot noch eine offizielle Erlaubnis für die Verwendung gendergerechter Schriftsprache. In einigen anderen Bundesländern ist das „Gendern“ mit Sonderzeichen im Wort entweder generell vom Schulministerium untersagt oder wird explizit erlaubt.
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Umgang mit gendergerechter Sprache an den Schulen
Da der sprachliche Umgang mit Gleichberechtigung den Wittgensteiner Schulen also freigestellt bleibt, haben wir direkt nachgefragt. Für die meisten Schulen ist gendergerechte Sprache im Jahr 2024 kein großes Thema mehr: nach ausführlichen Diskussionen und Zeiten der Verunsicherung habe sich der Umgang jetzt etabliert. So nutzt die Realschule Schloss Wittgenstein „wenn das ,*‘ oder die ausführliche Formulierung“ und auch die Realschule Erndtebrück verwendet in Anschreiben meistens das Gendersternchen. Das städtische Gymnasium Bad Laasphe hat sich unverbindlich darauf geeinigt, beide Geschlechtsformen auszuschreiben. Beim Johannes-Althusius-Gymnasium (JAG) gibt es keine allgemeine Regelung für die Lehrer, allerdings orientieren sich Schulleitung und Verwaltung an einem Leitfaden zur geschlechtergerechten Sprache der Universität Düsseldorf. Die Grundschulen in der Region möchten sich gar nicht zum Thema äußern. Bei den Jüngeren scheint geschlechtergerechte Sprache also auch noch keine Rolle im Unterricht zu spielen.
Schüler haben eher wenig Interesse am Gendern
Von der Realschule Schloss Wittgenstein heißt es auch, das Thema scheine bei den Jugendlichen „wenig Beachtung“ zu finden, auch beim Städtischen Gymnasium Laasphe habe bisher keinerlei Interesse der Schüler an der Thematik bestanden. Am JAG hingegen wenden manche Jugendliche das Gendern „selbstverständlich“ an, andere lehnen es ausdrücklich ab. Auch an der Realschule Erndtebrück sei vielen Schülern die Verwendung beider Geschlechtsformen „in Fleisch und Blut übergegangen“, Gendersternchen benutzen sie jedoch eher nicht. Wenn Schüler in ihren Texten geschlechtergerechte Sprache verwenden, wird dies aber an keiner der Schulen als Fehler gewertet.
Verschiedener Stellenwert
An der Realschule Schloss Wittgenstein wird das ganze Thema nach erster Verunsicherung nun „entspannt“ gesehen, auch an der Realschule Erndtebrück stand das Thema nie im Vordergrund. „Wir haben andere Probleme“, sagt Schulleiterin Darjana Sorg. Am JAG allerdings ist man froh, dass „unsere Landesregierung nicht so populistisch unterwegs ist, wie die bayrische“ und man sich deshalb fortwährend in einer Diskussion zum Thema befinden könne. In Bayern ist ein Verbot des Genderns in Schulen und in der Verwaltung geplant.
„Nur etwa jeder sechste findet geschlechtsgerechte Sprachformulierungen gut“
Für Corie Hahn vom Städtischen Gymnasium Bad Laasphe ist die Sache klar: „Nur etwa jeder sechste findet geschlechtsgerechte Sprachformulierungen gut“, verweist sie auf eine Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes „Civey“. Auch wenn andere Umfragen auf weniger gravierende Ergebnisse kommen, zeigt sich tatsächlich deutschlandweit eindeutig eher Ablehnung oder zumindest Desinteresse am Thema.
Meinungsbild aus den Sozialen Medien
Auf Facebook und Instagram sind die meisten Wittgensteiner Stimmen dem Gendern an Schulen gegenüber negativ eingestellt. 84 Prozent der Instagramnutzer, die an unserer Umfrage teilgenommen haben, finden Gendern an Schulen nicht sinnvoll. Man halte „absolut gar nichts“ davon und „weigere sich“ zu gendern. Außerdem wird ein Zusammenhang zwischen den schlechten Ergebnissen bei den PISA-Studien und dem komplizierten Gendern vermutet. Anhand der negativen und mitunter despektierlichen Kommentare wird auch deutlich, dass sich viele Leute bevormundet fühlen und kein Verständnis für einen Wandel der Sprache zugunsten einer Minderheit haben. Die positiven Stimmen zur Verwendung geschlechtergerechter Sprache in der Schule betonen, man solle die natürliche Veränderung der Sprache zulassen und das Gendern als eine freiwillige Option akzeptieren. Auch weißt ein User auf die Wichtigkeit von diskriminierungsfreier Sprache hin, da Sprache immer auch „Botschaften transportieren kann“.