Bad Laasphe. Ein Mädchen und zehn Jungen des Gymnasiums Schloss Wittgenstein lernen in einer AG Herausforderungen und „Nebenwirkungen“ des Schachspiels kennen.

Es ist vielleicht die leiseste AG am Schloss Wittgenstein, wenngleich die Imker auch nicht viel Krach machen. Und dennoch ist es eine sportliche. Betritt man mittwochs in der Mittagszeit den Kunstraum des Gymnasiums, findet man grübelnde Schüler vor. Sie malen nicht. Sie malen sich höchstens aus, wie ihre nächsten drei Züge aussehen könnten – oder die des Gegenübers. Sie denken über Rochaden nach, über Springergabeln und Damentausch. Und sie stellen sich aufgeschlossen den Problemen, die da in Schwarz und Weiß vor ihnen auf dem Tisch stehen.

Schließlich wollen sie alle ihr Diplom schaffen. Beziehungsweise haben gerade eines erfolgreich absolviert und bereiten sich auf das nächste vor. „Die Rochade kann als Strategie sehr wertvoll sein“, vermittelt Herbert Kleinbruckner/Gautam dem Schüler, der ihm gegenüber sitzt und der gerade merkt, dass schon nach vier oder fünf Zügen die Dame futsch sein kann, wenn man keine gute Eröffnung spielt. Dass sie im Spiel ständig die Stellung, also die Lage analysieren müssen, versucht Kleinbruckner/Gautam den Teilnehmern klarzumachen.

Die Erfahrenen helfen den Anfängern

Der Bildhauer und Grafiker sowie Kunstlehrer mit Lehrauftrag am GSW, selbst schon seit langer Zeit passionierter Schachspieler, leitet die 2022 an der Schule ins Leben gerufene AG, und aus den zwei Schüler, die am Anfang reinschnupperten, sind inzwischen mehr als zehn feste Teilnehmer aus verschiedenen Jahrgangsstufen geworden. Das Können in Sachen Schach sei unterschiedlich, auch bei Anfängern, erklärt der AG-Leiter, der dies aber nicht als Problem sieht. „Erfahrenere Spieler können sich weiterentwickeln, indem sie den Anfängern helfen.“

Helfen zum Beispiel bei der Einstiegsprüfung. Was dem Judoka sein weißer Gürtel, ist dem Schachspieler sein Bauerndiplom. Acht Aufgaben stehen in dem zweiseitigen Bogen, über dem einige der AG-Spieler gerade tüfteln – beispielsweise soll der Fehler bei einer bestimmten Stellung, einem bestimmten Zug erkannt und schriftlich geschildert werden. In 45 Minuten müssen die Aufgaben gelöst sein, zwei Drittel müssen richtig sein, was meist kein Problem ist.

Gemeinsam untereinander oder mit dem Lehrer üben die Schach-AGler die Aufgabenstellungen für das Diplom.
Gemeinsam untereinander oder mit dem Lehrer üben die Schach-AGler die Aufgabenstellungen für das Diplom. © Dirk Schäfer

Der Bogen wird dann dem Deutschen Schachverband übermittelt, der das entsprechende Diplom dann ausfertigt. Beim Besuch der Zeitung zeigt sich: Das Können ist da: alle AG-Spieler halten ihre Urkunde hoch. Bei manchen steht schon Turmdiplom drauf; die nächste Stufe vor dem Königsdiplom als höchste Prüfung.

Nicht alle, aber einzelne, haben schon von ihrer Teilnahme an der AG Schach gespielt. Aber alle haben sich anstecken lassen von der Faszination dieses Denksports und sitzen auch außerhalb der AG-Stunde über dem Brett. Und wenn es ein virtuelles Brett ist: Zu Hause auf dem Handy oder Tablet spielten sie häufig, oder nutzten den Urlaub, um nicht aus der Übung zu kommen, berichten einige der Schüler.

In der AG wird dann fürs Diplom geübt oder einfach eine Partie gespielt. Herbert Kleinbruckner/Gautam nimmt sich Zeit für alle. Immer wieder unterbricht er, um falsche und richtige Spielzüge aufzuzeigen, Folgen eines fatalen Zuges zu verdeutlichen, andere Optionen durchzuspielen oder schlicht, um die Regeln zu festigen durch Nachfragen: „Wohin darf der Springer ziehen?“

Zwei Ziele verfolgen Schule, AG beziehungsweise Lehrer: Wenn alle Teilnehmer zumindest ein Diplom haben, sollen sie als Mannschaft auch bei Schulwettkämpfen antreten. Ob einzelne Spieler so ehrgeizig sind, auch im Schachverein weiterzumachen, wird sich dann zeigen.

Ein willkommener Nebeneffekt könnte sein, dass sich mit dem freiwilligen Schachspiel bei den Schülern die Leistungen in den – mitunter weniger freiwilligen – herkömmlichen Unterrichtsfächern verbessern. „Schach kann soviel mehr, das ist erwiesen“, sagt Herbert Kleinbruckner/Gautam. Seine eigenen Erfahrungen decken sich mit wissenschaftlichen Untersuchungen: Wer Schach spielen lernt, verbessert sich meist in Mathematik sowie bei Eigenschaften wie Konzentrationsfähigkeit, Lese- und Sprachverständnis, ja sogar in Sachen Sozialkompetenz.