Siegen. Ein Erfahrungsbericht: So schaffen Online-Wahlberater (Un-)Sicherheit bei der Entscheidung.
Die Grünen, SPD, Freie Wähler oder doch die Tierschutzpartei? Online findet man vor der anstehenden Bundestagswahl einige Helfer zur Entscheidungsfindung. Eingetrichtert wird besonders jungen Leuten immer wieder: Wählen gehen ist wichtig. Mit der Wahl kann jede und jeder einzelne aktiv an der Zukunft Deutschlands mitwirken.
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Doch wie hilfreich sind die Websites bei der Entscheidungsfindung wirklich? Liefern sie übereinstimmende Ergebnisse oder verwirren sie nur weiter? Ein Selbstversuch.
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Der Wahl-O-Mat
Die Bundeszentrale für politische Bildung betreibt den Wahl-O-Mat schon seit dem Jahr 2002. Es gibt 38 Thesen, die zuvor schon alle 29 zur Wahl antretenden Parteien mit Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung beantwortet haben.
Start. Beginnend beim Ukraine-Konflikt geht es weiter mit Kernenergie, Tempolimit auf der Autobahn, Schwangerschaftsabbruch und Schuldenbremse. Das Themenspektrum ist groß und nach einigen Klicks muss ich die eine oder andere These bereits zweimal lesen. Am Ende gibt es noch die Möglichkeit zur doppelten Gewichtung einiger Themenpunkte und zur Ein- und Ausgrenzung einzelner Parteien. Auch das ist endlich abgehakt und zack: das Ergebnis.

Was denn nun? Tierschutzpartei und Die Partei haben das gleiche Ergebnis erzielt. Grüne und SPD auch. Generell liegt der Übereinstimmungsgrad sehr nah beieinander. Die Entscheidung, wo ich am 23. Februar das Kreuz setzen werde, kann ich so noch nicht fällen.
Der Real-O-Mat
Vielleicht hilft der Real-O-Mat ja weiter. Im neuen Tab öffne ich den „Reality Check“. Wahlkampf können die Parteien viel machen. Nur wie stimmen sie am Ende tatsächlich ab? Beim Real-O-Mat zählt nicht das Wahlversprechen der Parteien, sondern das tatsächliche Abstimmungsverhalten im Bundestag der letzten Jahre. Dementsprechend sind auch nur Parteien berücksichtigt, die in der Vergangenheit bereits Entscheidungen treffen konnten. Wieder gibt es Thesen, dieses Mal aber nur 20, auf die man Zustimmung, Ablehnung oder Enthaltung reagieren kann.
Der gesetzliche Mindestlohn soll mindestens 12 Euro betragen. „Ja, finde ich auch.“ IP-Adressen sollen drei Monate lang gespeichert werden? Ist mir nicht so wichtig, Enthaltung. Das kann ich aber gar nicht auswählen, da keine Partei so abgestimmt hat. Also doch die These überspringen. Noch ein paar Klicks und fertig. Jetzt gilt es auch hier wieder, die Gewichtung einzelner Thesen zu bestimmen und schon sehe ich die Auflistung aller Parteien.

Das soll ich nun also wirklich wählen. Aber Moment. Jetzt sind es sogar drei Parteien mit der gleichen prozentualen Übereinstimmung. Und die liegt mit 59 Prozent bei SPD, FDP und den Grünen sogar deutlich niedriger als beim Wahl-O-Mat. Kleinere Parteien, die vorhin noch ganz oben waren, können hier außerdem gar nicht berücksichtigt werden. Ich stelle mir die Frage: Liegt es an mir oder an den Parteien, die ihre Versprechen nicht halten?
Der Wahlkompass
Dritter Tab. Die Uni Münster stellt noch eine Alternative zur Entscheidungsfindung. Der Wahl-Kompass wurde von einem dort ansässigen Team entwickelt und beinhaltet 31 Thesen. Diese kann man mit „volle Zustimmung“, „Zustimmung“, „Neutral“, „Ablehnung“, „Volle Ablehnung“ und mit „keine Meinung“ beantworten. Das Klicken macht langsam müde. Hier darf ich nun am Ende noch für jede Partei auswählen, wie wahrscheinlich es auf einer Skala von 1 bis 10 ist, dass ich sie wähle. Fragt sich: Will ich das durch den Test nicht herausfinden? Jedenfalls nun das Ergebnis.

Da stehe ich nun. Im Bereich progressiv/wirtschaftlich links. Direkt bei der ÖDP, die der Real-O-Mat nicht berücksichtigen konnte und die der Wahl-O-Mat deutlich weiter unten platziert hat. SPD und Volt sind auch nicht weit von mir entfernt. Es zeichnen sich zwar Tendenzen ab, aber die Aussagen sind alles andere als übereinstimmend.
89 Thesen später dampft der Kopf. Ich hätte es einfach lassen sollen. Die „Helfer“ haben mich nur noch weiter verwirrt. Vielleicht ignoriere ich einfach, was mir vorgeschlagen wird und entscheide nach dem besten Wahlkampfslogan, der mir begegnet. Plakate gibt es einige in Siegen, da wird schon was für mich dabei sein.
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