Hilchenbach. Am Jahrestag der Pogromnacht treffen sich Neonazis in Hilchenbach, Aktionsbündnis „Dammstraße dichtmachen“ demonstriert dagegen. Mehrmals wird es laut.
Die rechtsextreme Kleinstpartei „Der 3. Weg“ hat am Samstag, 9. November, dem Jahrestag der Pogromnacht 1938, auf dem von ihr genutzten Grundstück Dammstraße 5 eine Veranstaltung durchgeführt. Dagegen protestierten mehrere Gruppen. Die Polizei war mit starken Kräften vor Ort.
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Die Polizei schätzte die Teilnehmerzahl bei den Neonazis auf rund 40 Personen. Nachdem die Behörde im Oktober ein Konzert mit rechtsradikalen Rappern unterbunden hatte - den Musikern wurde ein Betretungsverbot ausgesprochen -, sollte es nun nachgeholt, auch ein Handwerkermarkt sowie eine „Sportveranstaltung“ durchgeführt werden. Wie Polizei-Pressesprecher Niklas Zankowski vor Ort auf Nachfrage erklärte, habe eine mögliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestanden, darum sei das Betretungsverbot ausgesprochen worden. Die beiden Rapper seien bekannt dafür, indiziertes Liedgut vorzutragen.
„Gegen den Rechtsruck“ in Hilchenbach: In der Spitze doppelt so viele Demonstranten wie Neonazis
Mit der Veranstaltung waren deutlich mehr Hilchenbacher nicht einverstanden. Im Bereich der Einmündung der Straße „Im Burgweiher“ fand parallel eine öffentliche Veranstaltung unter dem Motto „Gegen den Rechtsruck“ statt: Rund 50 Teilnehmer waren vom Aktionsbündnis „Dammstraße Dichtmachen“ bei der Polizei angemeldet worden, die Kreispolizeibehörde, die von einer Hundertschaft unterstützt wurde, schätzte die Teilnehmerzahl in der Spitze auf 80 Personen, die ihre Ablehnung der Neonazis deutlich mit Rufen, Musik und Transparenten deutlich machten. Vor Ort waren auch einige teils vermummte Mitglieder der Antifa.
„Ich möchte weiterhin in einer Demokratie und in Freiheit leben.“
Auch die „Omas gegen Rechts“ aus Siegen unterstützen die Demonstration gegen die Neonazis. „Ich möchte weiterhin in einer Demokratie und in Freiheit leben“, sagte Helga Franz. Sie finde es enorm wichtig, daher nicht die Augen zu verschließen. Die Zeit des Nationalsozialismus dürfe sich nicht wiederholen, „darum gehen wir hier mit auf die Straße.“
Lauter wurde es, als ein Vertreter des „3. Wegs“ sich einmal mit einem Handy vor der Sichtschutzwand aufbaute und dieses in Richtung der Demonstranten hielt; ein zweites Mal lief er mit einem Bierglas in diese Richtung. Die Polizei forderte ihn auf, zurück zur Veranstaltung zu gehen. Mehrere Male griff die Polizei am Wendekreis am Ende der Dammstraße ein, als ein selbsternannter Journalist, der mit einem mehrstündigen Live-Video berichtete, mit Teilnehmern der Antifa aneinandergeriet - sie wollten den nach Polizeiangaben rechten Youtuber offenbar nicht in ihren Reihen haben und hielten ihm Regenschirme vor die Handykamera, wodurch er sich in eine Opferrolle gedrängt sah. Ein weiteres Mal gab es lautstarken Redebedarf, als ein Mann den Demonstranten zu nahegekommen war: Er habe sich ein eigenes Bild machen wollen und 20 Euro für den Eintritt für die Veranstaltung des „3. Wegs“ gezahlt, war danach zum Protest-„Lager“ gegangen.
Hilchenbach: Stilles Gedenken für deportierte Juden von „Alles außer Rechts“ am Marktplatz
Deutlich ruhiger ging es dann um 18 Uhr am Gedenkstein am oberen Teil des Marktplatzes zu. Hier hatte das Frauenbündnis „Alles außer Rechts“ zu einem stillen Gedenken an die aus Hilchenbach deportierten Jüdinnen und Juden eingeladen. Während es in den Vorjahren immer Wortbeiträge gegeben hatte, hatten die Veranstalter diesmal mit der musikalischen Begleitung von Werner Hucks an der Gitarre einen anderen Weg gewählt. Rund 80 Teilnehmer waren gekommen. „Wir haben es bewusst in diesem Jahr mal still, ruhig und andächtig gewählt“, sagte Barbara Sohler, denn letztlich würden jedes Jahr die gleichen Worte gesprochen. Sie stellte klar: „Man muss nicht immer laut sein, um eine Stimme zu haben.“
„Man muss nicht immer laut sein, um eine Stimme zu haben.“
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Auch in Siegen fanden am Wochenende Gedenkveranstaltungen statt. Knapp 40 Menschen folgten der Einladung des Bündnisses „Siegen gegen Rechts“ auf Gleis 3 und 4 im Hauptbahnhof. Von hier aus wurden ab 1942 jüdische Menschen in die Ghettos, KZ und Zwangsarbeiterlager der Nazis deportiert. Erinnert wurde an die Judenpogrome im November 1938 als Signal für den Völkermord des Holocaust. Die Siegener Synagoge wurde 1938 einen Tag später, am 10. November, von den Nazis niedergebrannt. Die Gedenkveranstaltung am Platz der Synagoge, wo sich heute das Aktive Museum Südwestfalen, fand am Sonntagnachmittag statt (wir berichten noch).