Netphen. Die Nachbardörfer Sohlbach und Afholderbach dürfen bei der Kommunalwahl 2025 nicht mehr getrennt über ihre Ortsbürgermeister abstimmen.
Das wird bitter: Weder die Sohlbacher noch die Afholderbacher werden nach der nächsten Kommunalwahl wissen, wen sie eigentlich gewählt haben. Ihre Stimmbezirke werden zusammengelegt, um das Wahlgeheimnis zu wahren. Denn das, so ließ sich die Stadt von einem Sachverständigen versichern, habe „unbedingten Vorrang“. Die Frage, welche Partei in einem Ort die meisten Stimmen und damit das Vorschlagsrecht für das Amt des Ortsbürgermeisters hat, sei „demgegenüber nachrangig“.
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Mit seinen rund 130 Einwohnern ist Sohlbach der kleinste von 21 Netphener Ortsteilen. Bei der Kommunalwahl 2020 gab es 101 Wahlberechtigte, von denen immerhin 87 zur Wahl gingen. Doch bei der folgenden Bundestagswahl zeichnete sich eine niedrige Wahlbeteiligung ab. Weil die Gefahr bestand, dass weniger als 50 Stimmzettel in der Urne landeten, die dann zum Auszählen am Wahlabend in ein benachbartes Wahllokal hätten gebracht werden müssen, legte die Stadt Afholderbach und Sohlbach zu einem gemeinsamen Stimmbezirk zusammen. Auch bei den folgenden Landtags- und Europawahlen mussten mal die Sohlbacher im Dorfgemeinschaftshaus Afholderbach, mal die Afholderbacher im Schützenhaus Sohlbach wählen.
In Sohlbach ist immer die CDU vorn, in Afholderbach die SPD
Das wäre auch bei den Wahlen zum Rat nicht problematisch, weil die beiden Stimmbezirke Afholderbach und Sohlbach schon lange zusammen mit Eschenbach einen gemeinsamen Wahlbezirk bilden und sich ein Ratsmitglied „teilen“. Nur für die Wahl des Ortsbürgermeisters oder der Ortsbürgermeisterin sind die dorfscharfen Ergebnisse von Bedeutung – erst recht im oberen Netphetal: Denn während in Sohlbach stets die CDU die Nase vorn hat, ist das etwas größere Afholderbach tradtionell in der Hand der SPD.
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2009 zum Beispiel holte in Sohlbach Iris Cremer für die CDU 59, Marc Seelbach für die SPD zehn Stimmen. 2014 standes es sogar 59:8, 2020 dann 43:22. In Afholderbach dagegen setzte sich Marc Seelbach 2009 mit 85:45, 2014 mit 65:39 und 2020 mit 73:29 durch. In den zusammengelegten Stimmbezirken dagegen hatte die CDU stets die Nase vorn: bei der Bundestagswahl mit 44 gegen 35, bei der Landtagswahl 2022 mit 60 gegen 37, bei der EU-Wahl 2024 mit 49 gegen 19.
Nur je eine Stimme für UWG und FDP in Sohlbach
Der Sachverständige weist die Stadt Netphen darauf hin, dass der Rat „nicht verpflichtet“ sei, sich nach dem Stimmenverhältnis zu richten. Der Ortsvorsteher sei „Bindeglied“ zwischen Rat und Verwaltung, hatte zwar das Oberverwaltungsgericht festgestellt: „Die Funktion eines solchen Bindegliedes zwischen Rat und Bevölkerung kann ein Ortsvorsteher nur schwer erfüllen, wenn er eine Partei repräsentiert, die sich nicht oder nur in verhältnismäßig geringem Umfang auf das Vertrauen der Wähler des Bezirks stützen kann.“ Zugleich hatte das Gericht aber Abweichungen zugestanden, „solange das Wählervotum und die im Gemeindebezirk bestehenden Mehrheitsverhältnisse im Ergebnis der Wahl noch Ausdruck finden“.
Der höhere Rang des Wahlgeheimnisses wird beim Blick auf die Zahlen in Sohlbach nachvollziehbar: Die fünf FDP-, sechs Linken- und acht UWG-Wählerinnen oder-Wähler wären schon 2020 aufspürbar gewesen, der einzige FDP-Wähler von 2014 und der einzige UWG-Wähler von 2009 erst recht.
Übergroßer Bezirk Herzhausen/Unglinghausen
Dagegen haben Herzhausen und Unglinghausen das umgekehrte Problem: Sie sind zu viele. Nämlich genau 86. Zwischen 967 und 1308 Wahlberechtigte dürfen in einem Wahlbezirk wohnen, im Durchschnitt 1138. Die Zahl ergibt sich, wenn die Zahl der 19.356 Wahlberechtigten auf 17 Wahlbezirke aufgeteilt wird. Zugestanden werdenn im Kommunalwahlgesetz Abweichungen bis zu 25 Prozent. Rechnerisch müssten aus Unglinghausen und Herzhausen Wähler nach Eckmnannshausen/Oelgershausen/Frohnhausen abgegeben werden. Wenn allerdings Wahlberechtigte an ein zu Fuß nichht erreichbares Wahllokal in einen Nachbarort verwiesen würden, würde die Wahlbereitschaft „erheblich gemindert“, fürchtet die Stadtverwalung. Gewachsene Ortsstrukturen würden zerschlagen.
In Dreis-Tiefenbach werden die Wahlbezirke zu klein
Dass es überhaupt zu Änderungen im Zuschnitt der Wahlbezirke kommen muss, liegt daran, dass maßgeblich neuerdings nicht mehr die Zahl der Einwohner, sondern die Zahl der Wahlberechtigten ist. Das hat vor allem Folgen für Gegenden mit großem Anteil von Nicht-EU-Ausländern und/oder mit vielen unter 16-Jährigen. Spürbar wird das nun in drei der vier Dreis-Tiefenbacher Wahlbezirke, die weniger Wahlberechtigte haben, als die Toleranzgrenze zulässt. Die Verwaltung rät dennoch davon ab, einzelne Häuser aus dem auch nur noch so eben stark genug besetzten vierten Dreis-Tiefenbacher Wahlbezirk herauszulösen. „Mit einer Veränderung würden die Strukturen in den betroffenen Wahlbezirken erneut zersplittert und die Nachvollziehbarkeit sowie Verlässlichkeit für die Wahlberechtigten wäre nicht mehr gegeben.“
Der Wahlausschuss tagt am Montag, 11. November, 17 Uhr, im Ratssaal.