Siegen-Wittgenstein. In Freudenberg hat der Bau begonnen, in Kreuztal und Hilchenbach laufen Grundstücksverhandlungen. Die Notarzt-Debatte wird neu beginnen.
Im Siegener Stadtgebiet in acht Minuten, im Umland in zwölf Minuten nach dem Notruf an der Einsatzstelle: Das ist die Vorgabe, die der Rettungsdienst erfüllen muss. Bei 83 Prozent aller Adressen im Kreisgebiet hätte das vor 2019 geklappt. Zu 94,2 Prozent soll dieses Ziel erreicht werden, nachdem alle Rettungswachen da angesiedelt sind, wie sie im Rettungsdienstbedarfsplan 2019 vorgesehen waren. Inzwischen arbeitet Thomas Tremmel, nach vier Jahren als Leitender Branddirektor in Düsseldorf, wieder als Amtsleiter im Siegener Kreishaus und bereitet den nächsten Bedarfsplan vor. Noch aber stehen nicht alle 2019 beschlossenen Neubauten.
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Die neuen Rettungswachen in Siegen-Wittgenstein
Am 1. November geht an der Maccostraße in Niederschelden ein Interimsstandort der neuen Wache Siegen-Süd in Betrieb, wo ein Rettungswagen stationiert wird. Der Standort für den Neubau sei auch bereits gefunden, berichtete Thomas Tremmel jetzt dem Gesundheitsausschuss. Für die geplanten Wachen in Kreuztal-Mitte und Allenbach, die den Standort in Ferndorf ersetzen sollen, seien „die Verhandlungen so weit fortgeschritten, dass wir guter Dinge sind“, sagte der Leiter des Amtes für Brand- und Bevölkerungsschutz und Rettungswesen. Für die Übergangszeit wurde in Hilchenbach ein Rettungswagen beim DRK-Ortsverein am Ruinener Weg platziert. Die Dauerbaustelle auf der B 508 zwischen Kreuztal und Hilchenbach ist aber auch so überwindbar: Vom Rettungswagen aus können die Baustellenampeln auf Rot geschaltet werden.
Die Neubauten in Womelsdorf und Deuz sind eröffnet, ebenso die Erweiterung in Wahlbach, der Bau auf der Freudenberger Wilhelmshöhe hat gerade begonnen, die Ausschreibung für die Neubauten in Bad Berleburg und Bad Laasphe läuft, fehlt noch Wilnsdorf: Dort soll ein Neubau auf dem Gelände des bisherigen Busbahnhofs des Gymnasiums errichtet werden.
„ Der Nebenbei-Notarzt ist nicht mehr möglich.“
Die Zahl der Einsätze für den Rettungsdienst sind seit 2019 um etwa 30 Prozent gestiegen, sagt Thomas Tremmel. Das bedeute für die Planung „mehr als nur zusätzliche Autos“. Wobei dieses Thema mit der Krankenhausplanung zusammenhängt. Wenn Abteilungen geschlossen werden sollten oder überlastet sind, werden längere Fahrten zu den nächsten Krankenhäusern anfallen. „Dann werden mehr Fahrzeuge gebraucht, weil Einsätze länger dauern.“ Georg Weil (CDU), selbst leitender Notarzt, regt an, sich auch für eine Rettungswinde stark zu machen, mit der der Rettungshubschrauber Christoph 25 ausgestattet werden kann. Damit kann der Arzt in unwegsamem Gelände abgeseilt und der Patient schonend in den Hubschrauber heraufgezogen werden. „Im Hauberg ist es für den Rettungshubschrauber schwierig zu landen. Das habe ich oft genug erlebt.“
Bausteine für den Rettungsdienst in Siegen-Wittgenstein
Die neuen Bausteine für den nächsten Rettungsdienstbedarfsplan stellte Thomas Tremmel, der zugleich auch hauptamtlicher Kreisbrandmeister ist, vor:
Notfallmedizinische Ersteinschätzung: Tremmel berichtet über ein Projekt aus seiner Düsseldorfer Tätigkeit, das er gern auf Siegen übertragen möchte. Ersthelfer-Teams schauen sich die Hilfe suchende Person an, bevor ein Blaulicht-Einsatz veranlasst wird. Sie können „mal ein Pflaster kleben“, sie können dafür sorgen, dass betrunkene Jugendliche in die Obhut ihrer Eltern gelangen, zum Beispiel. „Auf diese Weise haben wir 70 Prozent der Einsätze vom Rettungsdienst ferngehalten.“ Die Ersteinschätzung werde aber auch eine „nicht zu unterschätzende“ soziale Funktion haben, sagt Thomas Tremmel auf Nachfrage von Anke Flender (SPD): zum Beispiel einem Patienten da, wo es nötig scheint, den Kontakt zu einem Pflegedienst aufzuzeigen.
Kassenärztlicher Bereitschaftsdienst: Als die 116117 als Notrufnummer eingeführt wurde, konnte man schon mal 20 Minuten in der Warteschleife hängen. Das sei besser geworden, sagt Thomas Tremmel, „unter 90 Sekunden“. Allerdings sei die bessere Vernetzung mit den 112-Leitstellen erforderlich. Der Disponent in der Leitstelle soll die Anrufe, die erkennbar keinen Einsatz des Rettungswagens erforderlich machen, direkt an den Kollegen der Hausarztzentrale weiterleiten können.
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Patientenmanagement: Gemeint ist ein von einer Software unterstütztes System, das für den Patienten im Rettungswagen das passende Krankenhaus findet und ihn dort anmeldet. Dazu gehört vor allem auch die Entscheidung, ob die Hilfe suchende Person ins Kranenhaus gebracht werden muss oder an eine Notfallpraxis verwiesen werden kann. „Für eine Wundversorgung muss man nicht in die Notaufnahme, wenn nicht geröntgt werden muss“, erklärt Thomas Tremmel am Beispiel. Aufgabe des Patientenmanagements ist es auch, Krankentransporte oder die Verlegung von Intensivtransporten zu veranlassen. Neu sind die „Entlastungstransporte“, die - so berichtet Thomas Tremmel - in der Corona-Pandemie an Bedeutung gewannen: Erkrankte, die keine Intensivbehandlung mehr brauchten, konnten verlegt werden, um so Intensivbetten für neue Patienten freizubekommen.
Telemedizin: Der Telenotarzt in der Leitstelle unterstützt die Notfallsanitäter im Rettungswagen. Ziel, so Thomas Tremmel, sei es, „notärztliche Kapazitäten noch effizienter einzusetzen“. Beschlossen worden sei das schon 2019, stellt Bernd Brandemann (CDU) fest und fragt nach dem Stand der Umsetzung. Thomas Tremmel verweist auf die umfangreichen Anschaffungen und Vertragswerke. Fünf südwestfälische Kreise und der Oberbergische Kreis bilden die Trägergemeinschaft, in jedem Kreis sollen im nächsten Jahr mindestens die Rettungswagen für den Einsatz des Telenotarztes ausgerüstet werden. Wieder aufgreifen wird der Kreis die Umstellung des Notarzt-Systems, die 2018/19 auf heftigen Widerspruch gestoßen ist. Damals war vorgesehen, Notärzte nicht mehr für den Einsatz zu Hause oder in der Praxis abzuholen, sondern von den Rettungswachen aus einzusetzen, zentral von vier Standorten aus, nicht mehr aus Kreuztal und Netphen. „Der Nebenbei-Notarzt ist nicht mehr möglich“, sagt Thomas Tremmel. Wichtige Aufgaben am Einsatzort können die auch nach einem neuen Berufsbild ausgebildeten Notfallsanitäter übernehmen, zum Beispiel über die Verwendung von Medikamenten bestimmen,
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Akuttransportwagen: Dieser neue Fahrzeugtyp soll zum Einsatz kommen. wo der Rettungswagen mit Blaulicht nicht erforderlich ist, aber - anders als beim einfachen Krankentransportwagen - eine Erstversorgung des Patienten möglich sein soll. Vorgabe ist. dass der Rettungswagen in zwölf, der Notarzt in 20 Minuten. Der Akuttransportwagen soll in 20 bis 30 Minuten da sein. Der Krankentransportwagen, der vorab geplante Transporte übernimmt, ist in 45 Minuten zur Stelle.