Irmgarteichen. In Irmgarteichen haben Eigentümer Bauplätze verkauft, bevor sie ihrer Verpflichtung zum Straßenbau nachgekommen sind. Viele Käufer waren ahnungslos.

Die Zuschauerplätze im Ratssaal sind alle besetzt. Es geht um 405.000 Euro, die die 25 Anwohner von Hofäckerweg und Krummstück für den Ausbau ihrer Straße aufbringen sollen. 20 Euro Erschließungsbeitrag pro Quadratmeter seien „sogar ein Schnäppchen“, wird Rainer Schild, Leiter des Fachbereichs Tiefbau, irgendwann im Verlauf der langen Diskussion im Stadtentwicklungsausschuss einmal sagen. Nur: Die Flächen und die Grundstück sind halt groß, im Schnitt 16..200 Euro werden für jeden fällig, für manchen nur 7000 Euro, für andere aber auch viel mehr. Sie haben keine guten Karten.

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Rainer Schild nimmt den Ausschuss gedanklich mit zurück in die Jahre 1999/2000. Damals war die Fläche zwischen Koblenzer Straße und Glockenstraße in Irmgarteichen Wiese. Grundstückseigentümer wollten Bauland daraus machen - und verkaufen. Ein Bebauungsplanverfahren sei an den vielen Widersprüchen gescheitert, erinnert der Fachbereichsleiter. 2002 griff die Stadt zu einem anderen rechtlichen Instrument, machte aus dem „Außenbereich“ einen „Innenbereich“. Jetzt durfte gebaut werden, sogar ohne die nötige Straße. Die wollten die Anlieger später selbst anlegen. 2001 und 2003 wurde das in Erschließungssicherungsverträgen zugesagt. Sie bauten aber nicht. Und verschwiegen anscheinend den Käufern der Grundstücke, dass irgendwann eine offene Rechnung auf sie zukommt.

Auch die letzte Erinnerung nach 20 Jahren bleibt ungehört

2019, erzählt Rainer Schild, habe sich die Stadt in Erinnerung gebracht, noch einmal drei Jahre Zeit gegeben. Und weil sich immer noch nichts tat, 2022 selbst den ersten Planungsauftrag vergeben. „Es war an der Zeit, das nachzuholen, auch aus Gleichbehandlungsgründen.“ Andere Bauwillige erfüllen ihre Verpflichtungen aus Erschließungssicherungsverträgen, die meisten zahlen schon den höheren Preis für das bereits erschlossene Baugrundstück. Bei einer Anliegerversammlung wurden die Betroffenen informiert, danach gingen 15 Widersprüche bei der Stadt ein. Durch den vorhandenen Wirtschaftsweg sei die Erschließung gesichert, der geplante Ausbau sei überdimensioniert, sie hätten von dem Vertrag nichts gewusst. Letzteres, so Rainer Schild, „musste zwischen Käufer und Verkäufer erfolgen, das wird in der Regel auch vom Notar abgefragt.“ Und mit einer Fahrbahnbreite von 4,75 Meter ohne Gehweg werde ein „Minimalstandard“ gebaut. Ohne Ausweichen auf den Randstreifen kommen Pkw und Lkw dort nicht aneinander vorbei.

Kleiner Trost: Abrechnung im Rathaus Netphen „dauert eine ganze Weile“

Ob die Hauseigentümer die Rechnung der Stadt „abstottern“ können, fragt Alfred Oehm (CDU). Rainer Schild empfiehlt den Gang zur Bank. Die Stadt nämlich müsse „Zinsen deutlich über den Marktzinsen“ erheben. Ignaz Vitt (UWG) rät, das Vorhaben „ein bisschen zu verschieben“. Nicht nötig, beruhigt Beigeordneter Andreas Fresen. Auf zwei Jahre würden zwei Jahre Abrechnungszeit folgen. „Das dauert eine ganze Weile, und schon sind wir fünf Jahre weiter.“

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Der Hofäckerweg sei „knitterhagelkaputt“, sagt Paul Legge (CDU), „den kann man kaum noch als Weg erkennen.“ Er selbst habe sich vor Jahrzehnten dafür eingesetzt, dass die Grundstücke mit Erschließungssicherungsverträgen bebaut werden konnten. „Dass das der Verwaltung jetzt auf die Füße fällt, kann nicht sein.“ „Uns war allen klar, dass diese Debatte kommt“, sagt Tobias Glomski (Grüne). Die Debatte über das Kommunalabgabengesetz, an deren Ende der Abschaffung der Anliegerbeiträge für den Straßenausbau stand, hat nämlich für die erstmalige Erschließung von Baugebieten keine Auswirkungen – da werden nach wie vor 90 Prozent fällig. KAG-Beitrag oder Erschließungsbeitrag: „Für die Anlieger macht das keinen Unterschied.“

Fast einstimmig: Rechnung für den Straßenausbau kommt

Lothar Kämpfer (SPD) spricht sich für eine Vertagung aus – „um den Anliegern ein bisschen mehr Zeit einzuräumen, sich mit dem Sachverhalt zu beschäftigen.“ „Ihre Entscheidung“, erwidert Rainer Schild, „ich wüsste nicht, was sich ändern sollte.“ Höchstens die Kosten: Aufträge, die im Winter ausgeschrieben werden, treffen in der Regel auf günstigere Angebote als später im Frühjahr. Bei einem zu späten Baubeginn – die Bauzeit wird auf acht Monate angesetzt – drohe zudem eine Winterbaustelle. „Eine bittere Pille“, sagt Silvia Glomski (Grüne). Mit zwölf gegen vier Stimmen wird die Vertagung abgelehnt. Dem Straßenausbau stimmt der Ausschuss dann gegen die Stimme von Tobias Glomski (Grüne) zu. Er plädiert dafür, dem Willen der Anlieger zu folgen und die Straße in ihrem jetzigen Zustand zu belassen. Was Beigeordneter Andreas Fresen schon vorher zurückgewiesen hat: „Wir übernehmen diese Verantwortung nicht.“

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