Kreuztal. Nach dem anfänglichen Hype um die Wickeltaschen machen Krisen dem Unternehmen zu schaffen. Gründerin Carolin Flender muss neue Wege gehen.
Eltern sein heißt nicht, nur noch Wickeltaschen mit Dinosaurier- oder Feenmotive zu haben. Mit „Anna und Oskar“ gründete die Kreuztalerin Carolin Flender vor sieben Jahren ihr Rucksacklabel und stellt stylische Wickeltaschen her, die so gar nicht nach Baby aussehen. Was ganz klein begann, wurde zwischenzeitlich zum großen Geschäft und entwickelt sich nun wieder zur One-Woman-Show. Deshalb muss Carolin Flender wieder einen Schritt zurücktreten.
Angefangen hat alles mit dem Wickelrucksack „Hugo“, der mit einem einfarbigen und schlichten Design überzeugte. „Die ersten Rucksäcke habe ich damals zu Hause genäht und an Freunde und Bekannte verkauft, bevor ich meinen eigenen Onlineshop eröffnet habe. 2019 habe ich dann nach einer Produktion gesucht, weil ich die Mengen nicht mehr von Hand nähen konnte“, erzählt Carolin Flender. Es folgten zwei erfolgreiche Jahre für das junge Unternehmen. „Wir hatten total den Hype und haben in dieser Zeit auch zwei Gründerpreise gewonnen. Darauf folgten neue Produkte und die ersten Mitarbeiter.“
Siegen: So steht es um die Marke „Anna und Oskar“
Auch die Corona Pandemie sei für die Marke nicht so schlimm gewesen, wie man vielleicht erwartet habe, sagt Flender. „Die Online-Shops haben von der Quarantäne profitiert, da man nur so einkaufen konnte, sodass unsere Verkaufszahlen nicht wirklich zurückgegangen sind“, sagt Carolin Flender. „Aber die Lieferengpässe danach haben mich vor eine Herausforderung gestellt, wo ich vorher eine Lieferzeit von zehn bis 12 Wochen hatte, waren es plötzlich 40 Wochen. Ich musste Produkte fast ein Jahr im Voraus bestellen, was logistisch und finanziell nicht einfach war. Dann habe ich unser Lager gefüllt“. Doch auf das volle Lager folgte die Krise.
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Mit dem Krieg in der Ukraine und der Energiekrise kam die ersten schwierigen Zeiten für das junge Unternehmen. „Die Familien hatten plötzlich weniger Geld und damit gingen auch unsere Verkaufszahlen zurück. Ich kann gut verstehen, dass man dann eher Fast Fashion kauft als ein Produkt, das in der Herstellung teurer ist“, sagt Carolin Flender. Die Rucksäcke von Anna und Oskar werden alle in Europa unter fairen Bedingungen hergestellt, was einerseits schön ist, andererseits aber auch einen höheren Preis mit sich bringt, sagt Flender.
Siegen: Kreuztalerin Carolin Flender entlässt Mitarbeiter und verpackt die Wickelrucksäcke wieder selbst
Obwohl auch diese Krisen überwunden wurden, ging es mit der Marke weiter bergab. „Seit 2021 geht es so schlecht weiter. Das Lager war zwar immer noch voll, aber unser Tagesgeschäft war total eingebrochen. Wo wir vorher zehn Rucksäcke am Tag verkauft haben, war es jetzt nur noch einer“, sagt Carolin Flender. „Ich habe angefangen, Kosten zu sparen, alles etwas kleiner zu machen und wieder mehr selbst zu machen, obwohl ich mich eigentlich mehr zurückziehen wollte, um für meine Kinder da zu sein.“ Der Tiefpunkt war für die Marke dann im Oktober letzten Jahres erreicht. „Die Inflation kam für uns völlig ungelegen. Ich musste Mitarbeiter entlassen und immer wieder kamen Selbstzweifel in mir auf, dass ich es einfach nicht schaffe, diese Krise abzuwenden. Egal, was ich tat, es wurde nicht besser und das nagte langsam an mir.“
Carolin Flender wandte sich vor Kurzem mit einem Instagram-Video an ihre Follower und berichtete über die Situation der Marke. „Ich habe von Anfang an alles transparent gemacht und das muss ich auch mit den schlechten Seiten tun, auch wenn wir in unserem Newsletter schon lange darauf hingewiesen haben. Wir haben immer gehofft, dass es bald besser wird, aber das ist bisher nicht passiert“, sagt Carolin Flender. Jetzt muss sie wieder alles selbst machen und damit auch ein Stück weit zu den Anfängen der Marke zurückkehren. Nachdem das Team zwischenzeitlich auf acht Mitarbeiter angewachsen war, muss Carolin Flender nun wieder vieles alleine machen. Sie hat nur zeitweise Unterstützung von zwei Mitarbeiterinnen.
Siegen: Kreuztalerin Carolin Flender muss ihre Marke „Anna und Oskar“ neu aufstellen
Doch ans Aufgeben denkt Carolin Flender nicht. Sie will weitermachen und hat dafür auch schon einen Plan: „Das Sortiment wird verkleinert und ich werde die Marke mit anderen Punkten von Eltern sein verknüpfen. Ich habe eine Fortbildung zum systemischen Coach gemacht und biete Kurse rund um Familienthemen an. Wahrscheinlich werden wir auch den Laden abgeben und alles wieder familiärer handhaben“. Sie wird die Marke Anna und Oskar etwas umstrukturieren, für die Zukunft anpassen und mit den Kursen auch etwas produktunabhängiger machen.
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Der Blick in die Zukunft ist noch ungewiss, aber für Carolin Flender hat sich einiges geändert. „Am Anfang hatte ich total das Gefühl, dass es nur bei uns so ist und, dass nur ich das alles wieder hinkriegen kann, aber dann habe ich gemerkt, dass es bei den anderen auch so ist. Meine ganze Familie und meine Freunde stehen hinter mir, es gab kein ‚Ich hab‘s doch von Anfang an gesagt‘ oder so. Da ist mir ein Stein vom Herzen gefallen“, sagt Carolin Flender.