Siegen. Das Gerüst ist ab: Wer ins neue Johann-Moritz-Quartier in Siegen einzieht, steht schon fest - unter anderem Thalia. Ein Blick hinter die Kulissen.

Die wohl größte Baustelle Siegens biegt auf die Zielgerade ein: Das Johann-Moritz-Quartier (JMQ) am ZOB nähert sich der Fertigstellung. Vor wenigen Tagen wurden die Baugerüste vor der Fassade entfernt, das Gebäude steht optisch schon ziemlich fertig da. Ende November/Anfang Dezember sei die Inbetriebnahme geplant, sagt Andreas Moll, Geschäftsführer der Immowert Immobilienmanagement GmbH. Man stehe derzeit bei 85 bis 90 Prozent Fertigstellung, die oberen Geschosse sind schon weit fortgeschritten. Vor allem im Erdgeschoss, hinter den Bauzäunen, wird noch gearbeitet.

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Die Nutzer des JMQ Siegen: Eigentumswohnungen unterm Dach, Gastronomie in Fußgängerzone

Bis auf das Erdgeschoss ist das JMQ auch nahezu komplett vermarktet. Im 4. und 5. Obergeschoss sind 20 Eigentumswohnungen mit Loggien oder Terrassen zum Innenhof entstanden, teilweise bereits reserviert oder im Kaufprozess weit fortgeschritten. Darunter, im 2. und 3. Obergeschoss, befindet sich das „Boardinghouse“: 102 Apartments unterschiedlicher Größe, bewirtschaftet von einem professionellen Betreiber aus Berlin, zur kurz- oder mittelfristigen Miete in gehobener Ausstattung. „Es gibt in dieser Qualität nichts Vergleichbares in der Region“, sagt Andreas Moll.

Das Gerüst ist ab, das Johann-Moritz-Quartier am Siegener ZOB sieht schon ziemlich fertig aus.
Das Gerüst ist ab, das Johann-Moritz-Quartier am Siegener ZOB sieht schon ziemlich fertig aus. © WP | Hendrik Schulz

Im 1. Obergeschoss eröffnet die Uni ein „Seminar- und Selbstlernzentrum“ - im JMQ wird zur Fürst-Johann-Moritz-Straße hin auch studentisches Leben stattfinden. Die Innenarchitektur erinnert nicht umsonst an das Hörsaalzentrum im Karstadt-Gebäude. Zur Bahnhofstraße hin zieht die Physiotherapie-Praxis von Sven Remané ein, Richtung ZOB der TÜV Rheinland mit seiner Hauptniederlassung.

Passage durchs JMQ Siegen zwischen Bahnhofstraße und Fürst-Johann-Moritz-Straße

Das Erdgeschoss: Zur Bahnhofstraße eröffnen zwei große Gastronomiebetriebe mit Außenbereichen in der dann wieder deutlich breiteren Fußgängerzone. Zum einen „Peter Pane“, Burgergrill und Bar, eine Filiale der bekannten Franchise-Systemgastronomie; zum ZOB hin (ehemals „Louisiana“, später „Verstärker“) die Firma Remos. Ein Familienunternehmen, das an mehreren Standorten gehobene mediterrane Küche anbietet, sagt Andreas Moll. „Kein klassischer Pizzabäcker!“

Ein Lichthof im Johann-Moritz-Quartier.
Ein Lichthof im Johann-Moritz-Quartier. © WP | Hendrik Schulz

Auf der gegenüberliegenden Seite, zur Fürst-Johann-Moritz-Straße befindet sich ein Gebäudetrakt, der voraussichtlich durch eine Kanzlei genutzt werden wird. Wer daneben die zunächst für einen Discountermarkt geplante 800-Quadratmeter-Fläche belege, sei derzeit noch offen - aber es gebe Optionen und Interessenten, so der Geschäftsführer. Die verbindende Passage zwischen den beiden Straßen werde - neugestaltet und beleuchtet - wieder geöffnet. Und nachts geschlossen, aus Sicherheitsgründen. Dazwischen, zur Ecke Europa- und Freudenberger Straße, kehrt die Sparda-Bank zurück, die hier vor dem JMQ bereits eine Niederlassung hatte. Im Bereich der Platane zieht eine Boutique für gehobene Damenoberbekleidung ein.

Thalia kommt nach Siegen: Im JMQ einer der ersten Abholautomaten für Bücher

Außerdem kehrt Thalia zurück: Früher war bereits eine Filiale der Mayer‘schen Buchhandlung an der Bahnhofstraße. In Siegen werde einer der ersten rund um die Uhr geöffneten Abholautomaten für Bücher entstehen, kündigt Andreas Moll an: Bücher können online gekauft und hier jederzeit abgeholt werden.

Im Erdgeschoss des JMQ laufen die Arbeiten noch.
Im Erdgeschoss des JMQ laufen die Arbeiten noch. © WP | Hendrik Schulz

Ganz unten: Die Tiefgaragen. Ein Gebäude mit diesen Dimensionen hat Auswirkungen auf die städtische Verkehrsplanung; Bewohner müssen parken, Lieferanten anfahren können. Ursprünglich waren zwei Untergeschosse dafür vorgesehen, so Andreas Moll, die Gesellschafter hätten sich dann für eine dritte entschieden. Das entsprechende Genehmigungsverfahren habe allerdings auch ein Jahr Zeit gekostet.

Das Gebäude: JMQ in Siegen wird im laufenden Bau-Prozess verändert

Als das JMQ ab 2018 geplant wurde, war die Welt noch eine andere, der stationäre Einzelhandel hatte für die Innenstädte einen anderen Stellenwert, das Onlinegeschäft hat seither erheblich zugelegt. Mit einer Decathlon-Filiale beispielsweise hätte man seinerzeit große Flächen in so einem Gebäude füllen können - die Zeiten sind vorbei. In Zentren geht es zunehmend um Aufenthaltsqualität, weniger um Konsum. Auf diese sich verändernden Marktbedingungen habe man im laufenden Planungs- und Bauprozess reagieren müssen - und das Gebäude habe sich auch entsprechend mitgewandelt. Umzuplanen, neue Nutzer zu finden: Auch das habe Zeit und damit Geld gekostet; gerade im Gastronomiebereich vernünftige Betriebe zu finden: „Total schwer“.

„Wir haben eine richtige Dreck-Ecke aufgelöst.“

Andreas Moll
Geschäftsführer Immowert Immobilienmanagement GmbH
Hinterhof-Situation des einstigen Barmenia-Hauses an der Stelle des heutigen JMQ. (Archiv)
Hinterhof-Situation des einstigen Barmenia-Hauses an der Stelle des heutigen JMQ. (Archiv) © Hendrik Schulz | Hendrik Schulz

„Hier ist eine absolute Premiumadresse entstanden“, sagt Moll. Das neue Quartier füge sich hervorragend ein in die Siegener Stadtentwicklung der vergangenen zehn, zwölf Jahre, setze Projekte wie den Campus Mitte am Unteren Schloss mit Stadtkrankenhaus oder neuer Mensa fort, die von der IPS GmbH entwickelt und umgesetzt wurden. Erst recht, wenn man sich vor Augen führe, was hier vorher war: Eine bauliche Situation, wie sie sich heute noch an vielen Stellen entlang der Friedrichstraße zeigt: Hinterhöfe, verschachtelte, ungenutzte, heruntergekommene Bauten. „Wir haben eine richtige Dreck-Ecke aufgelöst“, sagt Moll. Auch an der Friedrichstraße ist geplant, städtebauliche Strukturen mit der Uni-Ansiedlung zu begradigen.

JMQ Siegen kostet hohe zweistellige Millionen-Summe

Von der reinen Bauzeit her sei das Projekt trotz aller Hemmnisse gut gelaufen, freut sich Moll, nicht zuletzt dank der guten Zusammenarbeit mit dem Baupartner, der ARGE Johann-Moritz-Quartier. Nicht selbstverständlich bei der wohl größten Baustelle in Siegen der vergangenen 15 Jahre, findet der Immobilienfachmann: Eine hohe zweistellige Millionen-Summe wird das JMQ am Ende gekostet haben, die bislang größte Investition der beteiligten Gesellschafter. Letztlich, dagt er, ein gemeinsam verwirklichter Erfolg.

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Das sehe man auch, findet Moll - jetzt ohne Gerüst erst recht. Mit Farbe, Material und Gestaltung der vorgehängten Natursteinfassade und deren strukturierenden Fugen werde durchaus großstädtische Atmosphäre geschaffen. „Das ist kein verglaster anonymer Zweckbau“. Jeder Fassadenstein sei für seine individuelle Position gefertigt worden - „das war schon eine echte handwerkliche Leistung.“

Blick aus dem Bereich der Uni Siegen auf den Innenhof des JMQ.
Blick aus dem Bereich der Uni Siegen auf den Innenhof des JMQ. © WP | Hendrik Schulz
Im Bereich der Platane eröffnet im JMQ ein Restaurant mit gehobener mediterraner Küche.
Im Bereich der Platane eröffnet im JMQ ein Restaurant mit gehobener mediterraner Küche. © WP | Hendrik Schulz
Die Uni Siegen zieht mit einem Seminarzentrum ins JMQ.
Die Uni Siegen zieht mit einem Seminarzentrum ins JMQ. © WP | Hendrik Schulz
Ein Apartment im Boardinghouse mit Blick auf den ZOB Siegen.
Ein Apartment im Boardinghouse mit Blick auf den ZOB Siegen. © WP | Hendrik Schulz