Deuz. Der Deuzer Heiko Weiß baut mit Freunden Modellbahn-Landschaften. Gemeinsam mit Frau Andrea hat er ein Buch herausgegeben: Er ist „Dr Isebahsbähner“

Die Hufeisenbrücke könnte fast schon an ihren Platz gebracht werden, neben die Gleise muss noch der Bahnhof gestellt werden, die Fassaden des Geisweider Stahlwerke-Hochhauses sind gerade aus dem 3-Drucker gekommen, Nikolaikirche und Oberes Schloss liegen noch in der Plastikkiste. Im Keller bei Heiko und Andrea Weiß in der Deuzer Irle-Siedlung ist die Siegtalbahn in Bau. Im H0-Miniaturformat, versteht sich. Während Stadt und Landschaft in Bau sind, drehen die ersten Züge schon ihre Runden auf 50 Metern Schiene. Wann das neue Siegen im Maßstab 1:87 fertig ist? In 13 Jahren vielleicht, überlegt Heiko Weiß. Für den 53-Jährigen wird es die dritte große Modellbahnanlage sein, die er zusammen mit Freunden baut. Und seine letzte, wie er schon jetzt festgelegt hat.

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Der gelernte Maschinenbautechniker ist kein Eisenbahnfreak, der Typenbezeichnungen von Loks und Kursbuchstrecken-Nummern herunterrattert. Er ist der „Isebahsbähner“, wie er auch sein Buch genannt hat, das gerade in den Handel kommt. Nicht nur die Geschichte eines Hobbys, sondern, wie Heiko Weiß betont, „auch eine Geschichte von Freundschaft“. Wenn er weiß, dass die Freunde am Donnerstagabend zum Löten, Schweißen und Basteln kommen, „dann gibt mir das Lebensmut.“ Es hat seinen Grund, dass er auf einer der letzten Seiten seines Buches über die Organspende informiert: Heiko Weiß wird in den nächsten Jahren dringend eine neue Niere benötigen.

Der Anfang; 66 Kartons, 200 Loks, 1000 Waggons

Es gibt Fotos, die den kleinen Heiko mit seiner ersten Modelleisenbahn zeigen, die er als Kind geschenkt bekommen hat. Er konnte wohl nicht viel damit anfangen, der Vater hat sie bald wieder weggepackt. Hinterlassen hat er aber, als er schon früh, mit 50 Jahren, starb, eine riesige Sammlung von um die 200 Loks, 1000 Waggons und jeder Menge nicht ausgepackter Bausätze für Häuser und anderes Modellbahnmobiliar. 66 Kartons packt Heiko Weiß nun in seinem Hobbykeller aus. „Wir hatten keinen Plan.“ Nur zwei Bücher vom Modellbahn-Hersteller Märklin, „gutes räumliches Vorstellungsvermögen“, wie er selbst sagt. Und irgendwie dann doch Spaß an der Bahn, die zur Familie gehörte – die Eltern haben bei der SEAG gearbeitet, der Siegener Eisenbahnbedarfs AG, die später Waggon Union hieß, und als Kind hat er Netphen noch mit Bahnhof und Dampflok-Sonderzügen erlebt. „Und dann wurden wir erst mal Eltern“, erzählt Andrea Weiß.

Das erste Werk: Bärnau und Mausbach mit Meiler und Ginsburg

Sie geben sich die Kosenamen Maus und Bärchen, Bärnau heißt folglich ihre erste Phantasie-Stadt. Sie lernen, dass man am besten ein Mittelgebirge baut und Tunnel braucht, wie man auch auf acht Quadratmetern mit Hilfe von geschwungenen Straßen, gestaffelten Gebäudegrößen und Fotohintergrund Perspektive schafft. Wie ein Gleisplan aussieht und wie die Loks aus dem Nachlass des Vaters für digitale Steuerung ausgerüstet werden. Bis zur Steuerung über Rechner und Bildschirm ist es zwar noch eine Weile hin. Aber Weichen und Signale werden hier auch in den 1990ern schon digital gestellt.

50 Meter Gleis für die neue Siegtalbahn sind schon in Betrieb.
50 Meter Gleis für die neue Siegtalbahn sind schon in Betrieb. © WP | Steffen Schwab

„Bärnau“ zieht mit um ins neue Haus in Deuz, wird vergrößert, sodass auch „Mausbach“ noch gebaut wird. Bei einer Wanderung stoßen sie auf ein Modell der Ginsburg, aus einem durchgeschnittenen Tischtennisball wird ein Kohlenmeiler. „Die ersten Siegerland-Motive“, sagt Heiko Weiß, der mit Karsten Hofacker, Jürgen Knoche und Jürgen Römer Mitstreiter findet, die in den nächsten zehn Jahren an der Anlage mitbauen. Als Jürgen Knoche 2010 an den Folgen einer Herzoperation stirbt, bekommt der Freund ein Grab an der Kirche in „Mausbach“: „Für mich auch ein Stück Trauerarbeit.“ Im Mai wird die Anlage fertig, man fotografiert, filmt, dokumentiert. Dann war bald klar: „Wir reißen ab.“

Das zweite Werk: „MiniaturSiegerland“ mit Krönchen und Applauskurve

„MiniaturSiegerland“, kurz: „MiSiLa“, heißt das neue Projekt, das die Freunde 2011 angehen, sobald der Hobbykeller renoviert ist. Aus Anfängerfehlern in „Bärnau“ haben sie gelernt, vor allem „Schattenbahnhöfe“ werden jetzt nicht mehr vergessen – Gleisanlagen in der unteren Ebene, in der Züge abfahrbereit gehalten, gestartet werden und sich durch Wendel und Tunnel nach oben in die Miniaturlandschaft hinaufschrauben. „Wir haben erst mal mit den markanten Gebäuden angefangen.“ Die Nikolaikirche mit dem Krönchen ist Eigenbau, der Siegener Bahnhof ist aus dem Kibri-Bausatz 9531 entstanden. „Kit-Bashing“ nennt man das, wenn die Modellbausätze verfremdet werden. So wie aus dem „Bahnhof Steinheim“ der Siegener Hauptbahnhof im hässlichen Grün der 1970er Jahre wird, entstehen aus Schwarzwald-Häusern (da kommen die meisten Modellbaufirmen her …) Häuser mit Siegerländer Sparfachwerk. Die Werthenbacher Kapellenschule müssen sie übrigens nicht pimpen: Die hat die Firma Noch als Modellbausatz im Katalog.

Erinnerung an das
Erinnerung an das "MiniaturSiegerLand": Das Phantasie-Siegen ist den 1970er Jahren nachempfunden. © privat | Privat

Mit jeder Menge Liebe zum Detail entstehen das Phantasie-Siegen der 1970er Jahre und das benachbarte Miniatur-Deuz: mit Henner und Frieder und dem Spandauer Bären, Fördertürmen und gegen die Stilllegung protestierenden Bergleuten, mit der Applauskurve und der einstigen Siegener Rotlicht-Meile. Sie bauen das Schachspiel auf der Fissmer-Anlage auf und stellen die Figuren der Partie von Vater Heiko und Sohn André – ein Remis – nach, sie lassen die Miniatur-Andrea zu Hause in Deuz Heikos Motorrad mit dem Auto umfahren, und sie stellen Heikos Onkel Norbert Exner hinter die Theke seines Gasthofs Stute, der im Original in Dreis-Tiefenbach stand. Sie müssen einen Heidenspaß dabei gehabt haben: Sogar ein Kunstraub in H0 wird inszeniert – der Dieb hat einen Rubens aus dem Siegerlandmuseum unterm Arm.

Wie das Buch „Dr Isebahsbähner“ entsteht

„MiSiLa“ wird bekannt, mehrere Artikel erscheinen in der Fachpresse, Märklin lässt einen Film produzieren, das Portal „Unser Siegen“ nimmt ein Video auf die Stadtgeschichtsseite, die Weidenauer Fotografenmeisterin Mareike Loos fotografiert die Anlage, und auch von den Uni-Architekten werden die Deuzer eingeladen. Und dann, weil ohnehin eine Sanierung im Keller ansteht: „Wir reißen wieder ab.“ Was so wenig stimmt wie die Annahme, auf den eben doch kurzlebigen Weiß-Anlagen werde etwas „verewigt“. Das Team, auch Tochter Alina und Sohn André sind längst dabei, baut sorgfältig ab. Gebäude und Figuren werden auch auf der neuen Siegtalbahn ihren Platz finden, die diesmal so in Modulen und mit einer Unterbau-Konstruktion aus Aluminium-Profilen gebaut wird, dass sie auch für einen Umzug demontiert werden kann. Und die Bahn bekommt erstmals eine Oberleitung …

Die Hufeisenbrücke wird auch im Modell ihren Platz beim Siegener Bahnhof bekommen.
Die Hufeisenbrücke wird auch im Modell ihren Platz beim Siegener Bahnhof bekommen. © WP | Steffen Schwab

„Das war eigentlich nie für eine Veröffentlichung gedacht“, erzählt Heiko Weiß. Nur für die Familie wollte er seine Modellbahngeschichte dann doch verewigen. Doch dann wuchs das Interesse von Freuden und Bekannten, Buchhändlerinnen machten Mut, zwei Jahre dauert die Arbeit an dem Buch. 500 Exemplare „Dr Isebahsbähner“, opulent illustriert, mit QR-Codes zu den Filmen versehen, kurzweilig erzählt von Andrea Weiß, tatsächlich auch mit ein paar Basteltipps angereichert, sind nun im Handel. Heiko Weiß plant „optische Lesungen“, in denen Filme und viele Bilder gezeigt werden. „Meine zweite Leidenschaft ist Lego“, sagt er noch. „Damit bauen wir oben auf dem Dachboden.“

Heiko und Andrea Weiß. Dr Isebahsbähner. Vom Spielzeug zum Hobby. mub.Verlag. 192 Seiten. 29,95 Euro. Bezugswquellen auf der Seite mub-verlag-de

Die Fassade des Krupp-Hochhauses kommt aus dem 3-D-Drucker.
Die Fassade des Krupp-Hochhauses kommt aus dem 3-D-Drucker. © WP | Steffen Schwab

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