Niederschelden. Henner und Frieder auf flauschigen Kissen, Tassen mit personalisiertem Design: Lovely Handmade Siegen macht (fast) alle Kundenwünsche möglich.
Henner und Frieder, eigentlich bekannt als knallharte (Bronze-)Kerle, lassen sich dank Nadine Oberliesen von einer ungeahnt soften Seiten kennenlernen. Unter dem Namen „Lovely Handmade Siegen“ bietet die 35-Jährige in ihrem Etsy-Shop ein Kissen an, das mit Bergmann, Hüttenmann, dem Krönchen und einem „Siegen“-Schriftzug bestickt ist – und richtig kuschelig und weich. Die sogenannten Leseknochen – weil die Form an einen Knochen erinnert und somit perfekt unter den Nacken oder die Beine passt – gibt es aber noch in einer Vielzahl anderer Varianten; so wie bei Lovely Handmade sehr viel in sehr vielen Designs zu bekommen ist. Besonders verblüffend daran: Fast alle entsteht in einem einzigen kleinen Zimmer.
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„Ich habe immer gesagt: Ich möchte Produkte im Angebot haben, die man so und in dieser Aufmachung nur bei mir bekommt“, sagt Nadine Oberliesen. Sie hat außer den Leseknochen unter anderem Tassen, Trinkflaschen, Brotdosen und Spardosen im Sortiment, auch Brillenputztücher und Buttons, meiste verziert mit Sprüchen und niedlichen Bildchen: Tiere, Pflanzen, vieles im Comic-Stil. Einiges ist per se für Individualisierung vorgesehen, etwa Becher oder Trinkflaschen mit Namen, denn „personalisiert mag doch jeder“. Doch Nadine Oberliesen geht noch einige Schritte weiter. Sie variiert auf Anfrage Designs, verwendet andere Farben und Stoffe: „Ich versuche, alles möglich zu machen, was meine Kunden wünschen.“
Lovely Handmade Siegen: wenige Quadratmeter, doch riesige Produktvielfalt
Faszinierender Weise entsteht die Vielfalt in einem einzelnen Raum mit nur wenigen Quadratmetern. Und der ist gleichzeitig auch nach das Schlafzimmer der 35-Jährigen, die in Niederschelden in einer WG mit ihrer Mutter lebt. Neben dem Bett hat sie hier ihre Materialschränke, ihren Computer und ihre Geräte, alles ordentlich und akkurat – der Platz ist optimal genutzt. Sie verwendet frei verfügbare, teilweise aber auch kostenpflichtige Vorlagen und setzt aus Cliparts und Einzelmotiven am PC eigene Designs zusammen. Für die Umsetzung kommt dann die Technik zum Einsatz: Sie hat eine Stickmaschine, eine „Flachpresse“ für das Bedrucken von T-Shirts und sonstigen Textilien, eine „Tassenpresse“ für das Bedrucken von Tassen, Spardosen und Trinkflaschen (die sie als „Rohlinge“ vom Großhändler bezieht), eine Nähmaschine, eine Buttonmaschine, zwei Plotter – alles untergebracht auf der wenigen Fläche.
Ganz nach Wunsch
Beim Besticken der Leseknochen kommen beeindruckende Zahlen zusammen. Für eine der aufwändigsten Varianten im Lovely-Handmade-Sortiment, einen Knochen mit Lama-Motiv und Fransen, braucht die Stickmaschine 32455 Stiche und 70 Minuten.
Nadine Oberliesen fertigt die meisten der Produkte in ihrem Etsy-Shop nach Bestellung an. Die Bilder auf der Seite sehen zwar wie Fotos aus, sind aber originalgetreue Visualisierungen. Auf diese Weise lässt sich die Bandbreite des Angebots illustrieren, ohne ein großes Lager vorhalten zu müssen. Kundinnen und Kunden können so auch unkomplizierter Individualisierungswünsche einbringen, etwa von der Vorlage abweichende Farben.
Zu bestimmten Zeiten im Jahr gibt es Spezial-Kategorien: Zu Weihnachten etwa oder wenn Einschulungen anstehen. „Viele Menschen möchten personalisierte Sachen zum Schulstart verschenken“, sagt Nadine Oberliesen.
Die Maschinen erledigen Teile der Aufgaben zwar selbstständig, beispielsweise das Besticken der Stoffe. Aber um die Vorlagen zu entwickeln, kommt es auf Kreativität und einen Blick für Gestaltung an. Handarbeit ist darüber hinaus auch immer wieder gefragt, ebenso sind Fingerspitzengefühl und enorme Sorgfalt erforderlich. Für Becher und Flaschen etwa verwendet Nadine Oberliesen ein „Sublimationsverfahren“, mittels dessen die Motive so perfekt aufgebracht werden, dass sie nicht aufgeklebt oder aufgemalt aussehen, sondern wie mit der Oberfläche verschmolzen. Für ein rundum makelloses Ergebnis braucht es aber Präzision und Konzentration bei der Bedienung der Maschine, denn jeder Vorgang wird per Hand vorbereitet. Gibt es am Resultat auch nur das Geringste auszusetzen – einen ungleichmäßigen Farbverlauf, eine unerwünschte Kante –, geht das Produkt nicht in den Verkauf, sagt Nadine Oberliesen. Stattdessen folgt eine neuen Anlauf. „Perfektionistin“, beschreibt sie sich und lächelt.
„Ich war schon immer kreativ.“
Siegen: Angebot von Lovely Handmade – es kommt immer Neues hinzu
Seit rund zehn Jahren ist sie am Ball. Aus gesundheitlichen Gründen kann sie keiner Vollzeit-Tätigkeit außer Haus nachgehen, berichtet sie, eine Ausbildung zur Kfz-Mechtronikerin musste sie abbrechen. „Aber ich war schon immer kreativ. Und wenn man zu Hause bleiben muss, sucht man sich etwas, womit man seine Kreativität ausleben kann.“ Nachdem sie eine Nageldesign-Fortbildung gemacht hatte, „bin ich auf den Trichter gekommen: Damit kann man ja auch Schlüsselanhänger gestalten!“ Das seien allerdings „zu viele“ geworden. Sie habe die Menschen in ihrem Umfeld damit beschenkt, die hätten sich zunächst auch gefreut, doch „irgendwann hat die Familie die Nase mal voll gehabt“, scherzt sie selbstironisch. Da sei die Idee entstanden, die Anhänger zu verkaufen. Also meldete Nadine Oberliesen Gewerbe an.
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Schrittweise wurde das Portfolio größer. Die Siegenerin verbindet technisches Interesse mit kreativer Energie, schaut sich viel auf Instagram, Facebook und TikTok um, probiert gerne Neues aus. Sie bringt sich alles selbst bei, „peu à peu“, sagt sie. Seit der Pandemie habe das Geschäft noch einmal deutlich Fahrt aufgenommen, weil Online-Shopping bedingt durch die Lockdowns zusätzlichen Schub bekam.
Siegen: Henner und Frieder aufs Kissen gestickt – Bekannte lieferte die Vorlage
„Angefangen habe ich auf dem Speicher zu Hause“, erzählt sie. Zu dieser Zeit lebte sie in Eisern. Vor fünf Jahren zog sie in die jetzige Wohnung um, ihr Zimmer plante sie von Beginn an für die Anforderungen ihrer Tätigkeit. Verkauft hat sie ihre Produkte erst bei DaWanda, nachdem dieses Portal den Betrieb einstellte bei Etsy. Es brauche dabei weit mehr als „nur“ die Herstellung der Artikel, betont sie. Sie muss beispielsweise nachweisen, dass ihre Geschirrteile die für den Kontakt mit Lebensmitteln vorgeschriebenen Auflagen erfüllen, sie muss Lizenzfragen im Blick haben, muss wissen, welche Schriftarten und Begriffe sie überhaupt gewerblich nutzen darf und welche geschützt sind. Beim Versand hilft ihre Mutter, auch dabei gebe es einiges zu beachten. Und Kundenbindung ist auch ein Thema für sich. „Es steckt so viel dahinter“, merkt sie über ihre Arbeit an.
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Vernetzung gehört natürlich auch dazu. Da sie selbst zum Beispiel keine Stickvorlagen anfertigt, muss sie in manchen Fällen auf externe Expertise zugreifen. Henner, Frieder und das Krönchen etwa hat ihr eine Bekannte aus der Szene geliefert. Doch dass Siegens Wahrzeichen nun mit solchen Kuschelqualitäten überzeugen können, dass ist allein Nadine Oberliesens Verdienst.
Zum Etsy-Shop Lovely Handmade Siegen geht es hier.
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