Netphen. Vier Wochen Verschnaufpause wurden der Stadt zugebilligt. Noch im Juni soll der Rat erneut über Standorte für Flüchtlingsunterkünfe entscheiden.
Die Stadt Netphen hat erstmals einen Zuweisungsstopp für Geflüchtete bei der Bezirksregierung beantragt. Seit 27. Mai werden der Stadt keine neuen Geflüchteten mehr zugewiesen, die Frist endet aber bereits am 21. Juni. „Diese Zeit wird dringend benötigt, um jede Möglichkeit der Kapazitätserweiterung in den vorhandenen Gemeinschaftsunterkünften auszuschöpfen“, heißt es in einer Vorlage für den Sozialausschuss, der sich am Mittwoch, 19, Juni, mit dem Thema befasst.
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Die vorhandenen Belegungskapazitäten reichten „bei weitem nicht aus“, heißt es weiter, „die Zuweisungen werden absehbar nicht weniger werden, das Gegenteil ist zu erwarten und vorhandene Plätze in den städtisch geführten Gemeinschaftsunterkünften werden oftmals auch langfristig belegt.“ Für die Ratssitzung am Donnerstag, 27. Juni, kündigt die Verwaltung eine weitere Vorlage mit Standortvorschlägen für neue Gemeinschaftsunterkünfte an.
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Neue Wohncontainer werden im Juli bezugsfertig
Erst im April hatte es der Rat abgelehnt, der Anpachtung einer Fläche in der Altwiese zu beschließen. Dort, am Ortsausgang in Richtung Eschenbach, hätten weitere Container aufgestellt werden können. Die Mehrheit hatte stattdessen an dem Standortbeschluss für die Schmellenbach festgehalten. Zu dem Gelände unterhalb des Sportplatzes muss allerdings zunächst eine Zufahrt gebaut werden. Aktuell zur Verfügung stehen die Standorte auf dem ehemaligen Lokschuppengelände in Deuz beim Bühlgarten und die Braas in Netphen neben dem bestehenden Übergangsheim. 42 Personen können dort ab Juli untergebracht werden. Erst vor wenigen Tagen hat die Stadt auch das ehemalige Postverteilzentrum in der Talstraße als Notunterkunft belegt.
Verwaltung legt dem Rat Liste an möglichen Standorten vor
„Wir haben den Katalog wesentlich erweitert“, sagt Beigeordneter Andreas Fresen im Gespräch mit dieser Zeitung, „es sind jetzt fast doppelt so viele wie letztes Mal.“ Im November 2023 hatte die Verwaltung eine Liste mit 15 untersuchten Standorten vorgelegt, von denen allerdings zwei als „nicht geeignet“ (eine Wiese in der Schmellenbach, der Park- und Grünstreifen am Sportplatz Dreis-Tiefenbach) durchgefallen waren) und der Bolzplatz an der Anton-Gabriel-Straße, der Platz der Container-Kita am Deuzer Freibad, der alte Sportplatz Hainchen, der Bedarfsparkplatz am Kirchweg in Hainchen und der Parkplatz 3 im Freizeitpark als nur „bedingt geeignet“ vom vornherein abgestuft wurden. Das galt auch für die Schmellenbach, für die sich der Rat dann trotzdem ausgesprochen hatte. Vom Rat nicht gewollt waren als „gut geeignet“ bewertete Standorte: die Südstraße in Hainchen gegenüber dem Schützenhaus, der Bolzplatz auf dem Sterndill in Deuz, der alte Sportplatz in Hainchen und der Platz oberhalb des SGV-Heims am Güldenweg in Netphen, wo früher die Container der AWO-Sport-Kita (jetzt im Freizeitpark) standen.
„Es gibt eine Menge Möglichkeiten“, sagt Beigeordneter Fresen. Gedacht werde nicht nur an Wohncontainer, sondern auch an massive Mehrfamiienhäuser. Nach wie vor sei die Stadt auch daran interessiert, Wohnhäuser zu kaufen oder anzuumieten.
Nur noch 29 freie Plätze in Notunterkünften
Derzeit hat die Stadt noch 29 freie Plätze in ihren Unterkünften, 386 sind belegt. Die Aufnahmeverpflichtung der Stadt beträgt derzeit noch 107 Personen, außerdem sind noch 90 Personen aufzunehmen, deren Asylantrag anerkannt wurde und die eine Wohnsitzauflage für Netphen über drei Jahre haben. Fast 60 Personen hat die Stadt seit Januar allein aus der Ukraine aufgenommen.
Allein in den letzten drei Monaten sind 90 Personen neu nach Netphen gekommen, überwiegend minderjährige Kinder und Jugendliche. Drei Großfamilien seien „ausreisepflichtig“, weil sie kein Asyl beantragt haben und illegal eingereist sind, heißt es im Bericht der Sozialarbeit; sie sind trotzdem der Stadt zugewiesen worden. Die Unterkünfte sind überbelegt, die Suche nach eigenen Wohnungen oft erfolglos. Ein Problem sind die „Wiederauftaucher“: Obwohl sie jahrelang nicht in Netphen waren, müssen sie wieder aufgenommen und untergebracht werden. Der Wohnraum, der für sie frei gehalten werden müsse stehe oft leer, sie seien nur schwer erreichbar.
Zusammenleben „immens konfliktbehaftet“
Als „immens konfliktbehaftet“ wird das Zusammenleben in den Gemeinschaftsunterkünften beschrieben, „Gewalt, Missgunst, Manipulation untereinander und Aggressionen gegen die Sozialarbeiterinnen und Hausmeister“. Streit gibt es über Sauberkeit und Nachtruhe. „Aktuelle Hauptaufgabe“ der Sozialarbeit seien „Deeskalation und Kontrolle“, heißt es in dem Bericht. Fremde müssen aus dem Haus gewiesen werden, Rauchen auf den Zimmern ist verboten. Unannehmlichkeiten gibt es, wenn Fett in die Ausgüsse gekippt wird und Kohlen auf den Herdplatten entzündet werden dürfen. „Grundsätzlich wird die Sozialarbeit für die Zu- und Missstände verantwortlich gemacht“, erfährt der Sozialausschuss. Das Team aus dem Rathaus sieht sich mit „abwertendem, verachtenden und in Einzelfällen boshaftem Verhalten“ konfrontiert. Ein konzeptionelles Arbeiten sei für die Sozialarbeit kaum bis gar nicht möglich, „Sicherheit und Gewaltschutz stehen dem momentan voran.“
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