Hilchenbach. Am 31. August ist Schluss, nach 52 Jahren schließt die Ginsburg-Apotheke ihre Türen. Der Grund: Niedriges Apothekenhonorar und Personalmangel.

„Wir möchten Ihnen mitteilen, dass wir die Ginsburg-Apotheke leider [...] schließen müssen, da aufgrund des Fachkräftemangels nicht mehr ausreichend Personal zur Verfügung steht“, steht am Eingang der Ginsburg-Apotheke in Hilchenbach. Am 31. August ist Schluss, nach 52 Jahren wird der Betrieb eingestellt. „Das fällt mir und meiner Frau, aber besonders meinen Schwiegereltern sehr schwer. Es ist ihr Lebenswerk“, sagt Dr. Christof Werner. 1972 hat sein Schwiegervater die Ginsburg-Apotheke eröffnet. Seit 16 Jahren betreibt Christof Werner (50) die Ginsburg-Apotheke und die Stadt-Apotheke zusammen mit seiner Frau Katrin. Die Ginsburg-Apotheke bleibt jedoch im Besitz der Werners. „Wir räumen die Filiale im September aus und nutzen diese dann als Lager.“

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Der Personalmangel ist aber nur ein Grund für die Schließung. Der Hauptgrund: Christof Werner bricht die wirtschaftliche Basis weg. Das Apothekenhonorar sei seit mehr als zehn Jahren nicht mehr angepasst und zuletzt sogar nochmals gekürzt worden – obwohl im selben Zeitraum der Verbraucherpreisindex und die Kosten in Apotheken gestiegen sind, sagt Christof Werner. „Ich wünsche mir einen Inflationsausgleich. Die Apothekenvergütung soll künftig automatisch an die Inflation beziehungsweise der gesamtwirtschaftlichen Entwicklungen angepasst werden.“ Die Kunden seien geschockt, wenn sie von der Schließung erfahren. „Die meisten sind traurig, können es aber verstehen. Manche Kunden sagen sogar, bei ihren Arbeitsstellen herrsche auch ein Fachkräftemangel.“

Hilchenbach: Apothekenhonorar seit über zehn Jahren nicht mehr angepasst

Apotheken finanzieren sich zum großen Teil über die Krankenkassen. Das Prinzip: Die Apotheke erhält einen Fixzuschlag pro Packung des verschreibungspflichtigen Medikaments (8,35 Euro) und eine Vergütung in Höhe von drei Prozent des Apothekeneinkaufspreises. Einen festgelegten Rabatt müssen die Apotheken den gesetzlichen Krankenkassen gewähren (zwei Euro pro Packung). Das Problem: „Die Pauschale pro Packung ist seit 2013 nicht mehr angepasst worden. Wir sind also netto bei dem, was wir vor zwanzig Jahren bekommen, haben“, erklärt Christof Werner. 

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Noch ist hier reger Betrieb. Anfang September ist damit Schluss. Dann nutzt Christof Werner die Ginsburg-Apotheke als Lager. © Westfalenpost | Ronja Afflerbach

Die Folge: Junge Apothekerinnen und Apotheker hätten keine Lust mehr, eine Filiale zu übernehmen. Er würde es selber auch nicht mehr machen, sagt Werner. Eine ehemalige PTA aus seiner Filiale habe zwar die Elch-Apotheke in Dahlbruch übernommen. Das sei ein Einzelfall. Es sei extrem schwierig, gutes Personal zu finden. „Und bald gehen viele der Boomer-Generation in Rente.“ In der Ginsburg-Apotheke gehen zwei Mitarbeiterinnen in Ruhestand, eine andere in Mutterschutz, die anderen drei Mitarbeiterinnen wechseln zur Stadtapotheke. Viele seiner Mitarbeiterinnen sind schon über 30 Jahre in den Apotheken beschäftigt. „Wir sind ein sehr gutes Team.“

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Ab dem 1. September räumen Apotheker Christof Werner und seine Frau Katrin die Ginsburg-Apotheke aus. Noch bis Ende August können Hilchenbacher hier ihre Medikamente bekommen. © Westfalenpost | Ronja Afflerbach

Ginsburg-Apotheke Hilchenbach: Durch Schließung Lohnerhöhungen für Angestellte

Christof Werner fühlt sich alleingelassen von der Politik. Zu viel Bürokratie, zu wenig Honorar, Lieferengpässe bei den Medikamenten und dann noch der Personalmangel. Rund 80 Prozent des Umsatzes einer Apotheke resultieren aus verschreibungspflichtigen Arzneimitteln, rund 20 Prozent aus Medikamenten, die rezeptfrei gekauft werden können. Die Umsatzrendite, die den Anteil des Gewinns am Umsatz angibt, liegt bei Einzelapotheken bei 4,8 Prozent. Die Stadtapotheke werfe noch Gewinn ab, sagt Werner. „Durch die Schließung der Ginsburg- Apotheke hoffe ich meinen Mitarbeitenden endlich mehr Gehalt zahlen zu können. Die Betriebskosten fallen ja dann weg.“ Seine Mitarbeiterinnen hätten bisher keine Lohnerhöhung gefordert. Doch Christof Werner will das ändern. „Es ist unterirdisch, welche Einstiegsgehälter PTAs oder Apotheker bekommen. Klar, dass immer weniger sich für diesen Beruf entscheiden, sondern eher in die Forschung, Industrie oder zu Pharmaunternehmen gehen.“

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Das Tarifgehalt eines Pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) liege im ersten Berufsjahr bei 2419 Euro brutto, bei Apothekern sind es 3.805 Euro im ersten Jahr. „Wir müssen leistungsgerechte und konkurrenzfähige Gehälter zahlen können, sonst werden wir keinen Nachwuchs finden.“ Die Zahl der Apotheken werde weiter abnehmen, davon ist Christof Werner überzeugt: „Das ist politisch so gewollt.“

Apotheken-Reform: Christof Werner ist genervt von Lauterbachs Vorschlägen

Werner kritisiert Lauterbachs Vorschläge einer Apotheken-Reform. Die geplanten „Pseudo-Apotheken“, in denen kein Apotheker vor Ort ist, seien eine einzige Katastrophe, sagt Werner. „Diese Pseudo-Apotheken ohne Apotheker funktionieren nicht. Die Pharmazeutisch-technischen Assistenten (PTA) wollen das nicht machen, die Verantwortung ist zu groß. Wer haftet denn auch, wenn ein falsches Medikament ausgegeben wird?“, fragt der 50-jährige Apotheker. Auf zehn offene Stellen gebe es nur eine Bewerbung. Wenige würden noch die Ausbildung zur PTA abschließen. „Und es sind auch wenige wirklich qualifiziert. Es werden weniger, die die Ausbildung auf hohem Niveau abschließen“, sagt Werner, der auch stellvertretender Leiter der PTA-Fachschule Westfalen-Lippe ist.

„Diese Pseudo-Apotheken ohne Apotheker funktionieren nicht. Die Pharmazeutisch-technischen Assistenten wollen das nicht machen, die Verantwortung ist zu groß.“

Dr. Christof Werner, Apotheker aus Hilchenbach

Durch Online-Versandapotheken entstehe zudem eine Wettbewerbsverzerrung. Die Apotheken kontrolliere niemand. Oft hätten sie in den Niederlanden ihre Lager, würden die Kundinnen und Kunden von dort aus beliefern, könnten dadurch auch günstigere Preise anbieten, erzählt er. „Sie haben eine ganz andere Kostenstruktur als wir. Das sind also nicht die gleichen Spielregeln.“ Die Kundenfrequenz sei dadurch zurückgegangen. „Jedoch sind die Online-Apotheken nicht der Grund der Schließung.“ Überleben werden neben den Online-Apotheken die größeren Apotheken, prognostiziert Christof Werner.

Hilchenbach: Digitalisierung werde immer wichtiger im Apotheken-Geschäft

Bei der Digitalisierung versucht seit jeher Christof Werner mitzuhalten. Das E-Rezept funktioniere noch nicht so gut, weil die Abläufe im Alltag zwischen Arzt und Apotheke bei der Entwicklung nicht vernünftig mitgedacht würden und technische Probleme den Abruf des Rezeptes oftmals verhindern oder verzögern, sagt Werner. Rezepte können aber bei den Hilchenbacher Apotheken von Christof Werner online über eine eigene App oder auf der Homepage eingereicht werden. „Das wird auch gut angenommen.“

Christof Werner hat noch Hoffnung, trotz der prekären Lage der Apotheken. „Wenn sich die Rahmenbedingungen ändern, können wir die Ginsburg-Apotheke vielleicht wieder eröffnen. Ich schließe das nicht aus.“ Aber zum jetzigen Zeitpunkt steht fest: Die Ginsburg-Apotheke schließt. Ab dem 1. September wird Christof Werner gemeinsam mit seiner Frau Katrin i das Geschäft nach und nach ausräumen.

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