Siegerland. Erstmals gilt das Gedenken am Jahrestag der Befreiung von Auschwitz auch ihnen: drei Männer aus Kreuztal und Siegen.
In der Gedenkstunde des Bundestages am 27. Januar stehen erstmals verfolgte sexuelle Minderheiten als Opfer des Nationalsozialismus im Mittelpunkt. Die Schicksale von drei schwulen Männern aus Kreuztal und Siegen sind mittlerweile dokumentiert.
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Familienvater wird denunziert
Alfred Freudenberg wurde am 20. November 1893 in Kredenbach geboren. Ulrich F. Opfermann und Jürgen Wenke haben den Eintrag für ihn im Aktiven Gedenkbuch des Aktiven Museums Südwestfalen verfasst: Er war Sohn des Modellschreiners Ernst Freudenberg (Kredenbach 1864 bis 1945) und Henriette Freudenberg geb. Stein (Kredenbach 1864 bis 1920). Alfred Freudenberg hatte eine jüngere Schwester, Marie Elise Bülow, geb. Freudenberg (1896-1960). Er wurde Eisenhobler/Dreher von Beruf, heiratete in Kreuztal 1924 Lina Anna Bülow (1895 bis 1953), die Schwägerin seiner Schwester Marie Elise Bülow. Die Eheleute Alfred und Lina Anna Freudenberg hatten eine Tochter, Elfriede. Im September 1940 wurde Alfred Freudenberg aufgrund einer Denunzierung verhaftet, der Vorwurf homosexueller Kontakte stand im Raum.
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Der Prozess vor dem Siegener Landgericht wegen Verstoßes gegen den Paragrafen 175 endete am 7. Januar 1941 mit einer Verurteilung zu drei Jahren Zuchthaus und fünf Jahren Ehrverlust. Nach Verbüßen der Haftstrafe im Zuchthaus Siegburg wurde er am 2. September 1943 in „Vorbeugungshaft“ genommen. Vom Polizeigefängnis Steinwache in Dortmund führte der Weg in das KZ Natzweiler im Elsass, 1944 wurde er von dort in das KZ Dachau bei München deportiert, wo er am 23. Februar 1945 verstarb. Der Stolperstein für ihn wurde 2017 am Haus Jung-Stilling-Straße 9 in Kredenbach gesetzt.
Erst Berufsverbot, dann Gefängnis und KZ
Fritz Stein wurde am 1. Januar 1904 in Kredenbach geboren. Jürgen Wenke hat seinen Lebensweg nachgezeichnet: Die Eltern von Fritz Stein waren der zunächst als Fabrikarbeiter bezeichnete Karl Stein (geboren in Kredenbach 1872, gestorben in Buschhütten am 1957, Berufsbezeichnung: Schneider, zuletzt Invalide) und Emma Stein, geborene Stephan (geboren in Dahlbruch 1872, gestorben in Weidenau/Sieg 1944). Er hatte vier Geschwister. Fritz Stein besuchte die Oberrealschule in Weidenau und das Lehrerseminar in Hilchenbach, arbeitete zunächst als Lehrer. 1929 wurde er an der Wiesenbauschule in Siegen aufgenommen, die er als Kulturbautechniker verließ. Bereits 1921 verließ Fritz Stein das Siegerland. 1939 verzeichnet ihn das Adressbuch der Stadt Wismar als Kulturbauingenieur.
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Man weiß nicht, ob, wo und wie oft Fritz Stein wegen des Paragrafen 175 verurteilt worden ist, bevor er ins KZ verschleppt wurde. Vom 18. Oktober 1940 datiert das Schreiben des „Reichsverbandes Deutscher Ingenieure für Wasserwirtschaft und Kulturtechnik“, in dem diese der „Reichswaltung des NS-Bundes Deutscher Technik“ den Ausschluss ihres Mitgliedes Fritz Stein mitteilt, „wegen Vergehens gegen § 175“. Das war das Berufsverbot. Anfang Januar 1942, vermutlich nach der Entlassung aus dem Gefängnis, wurde Fritz Stein ins Hauptlager Auschwitz 1 deportiert. Er starb am 31. März 1942 im KZ Auschwitz. Ein Stolperstein für ihn wurde Anfang November 2022 in Wismar gesetzt.
Ein Jude aus Weidenau lebt mit seinem Mann in Köln
Max Kahn wurde am 6. Mai 1898 in Weidenau geboren. Der gelernte Bäcker stammte aus einer jüdischen Familie. Klaus Dietermann und Kreisarchivar Thomas Wolf erinnern an ihn im Aktiven Gedenkbuch des Aktiven Museums Südwestfalen: Er war das älteste von sechs Kindern des Handelsmanns Salomon Kahn (1856-1919) und seiner zweiten Ehefrau Paula Kahn (geb. Cohen). Paula Kahn war 1862 in Meppen/Ems geboren, sie starb am 13. Februar 1934 in Kaan-Marienborn und wurde zusammen mit ihren Ehemann auf dem Friedhof in der Hermelsbach in Siegen beerdigt. Max Kahn war Soldat im Ersten Weltkrieg und wurde am 18. April 1918 leicht verwundet. In den 1920er Jahren zog er nach Köln und lebte ab 1929 mit Josef Schlauch zusammen. Am Rathenauplatz 9 in Köln, wo das Paar wohnte, sind Stolpersteine gesetzt. Sie wurden denunziert, mehrfach verhaftet und auf Grund des Paragrafen 175 verurteilt: 1938 zu zwei Jahren Gefängnis, 1940 zu vier Jahren Zuchthaus. 1944 wurde Max Kahn nach Auschwitz deportiert, von dort nach Sachsenhausen und am 4. Februar 1945 nach Buchenwald. Ort und Datum seines Todes sind nicht bekannt.
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