Siegen. Die Feuerwehr Siegen stellt sich schon seit Jahren auf Hochwasser ein. Was die Stadt und jeder einzelne Bürger zum besseren Schutz tun können.

Die Menschen in Siegen müssen sich mit der Gefahr durch Hochwasser beschäftigen – das betont Matthias Ebertz, Leiter der Feuerwehr Siegen. Irgendwann, da ist der Experte sicher, wird das Problem auftreten, „auch wenn ich Ihnen kein Datum nennen kann“. Die Feuerwehr stellt sich bereits seit Jahren darauf ein, und die Bürgerinnen und Bürger können sich mit einigen relativ simplen Maßnahmen ebenfalls vorbereiten und schützen.

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„Wir sind in Siegen kein typisches Hochwassergebiet“, leitete der Feuerwehrchef seinen Bericht zum „Hochwasserschutz in der Universitätsstadt Siegen“ im Ausschuss für Feuerschutz, Sicherheit und Ordnung ein. Viele Tiefdruckgebiete würden nördlich der Stadt abdrehen, „ein Phänomen, das wir ganz oft beobachten“ – und das auch am 15. Juli, als es vielerorts zu verheerenden Starkregenereignissen mit extremen Überflutungen kam, aufgetreten sei. Ein HQ100, so die Abkürzung für ein Hochwasser, wie es im Schnitt nur alle 100 Jahre einmal vorkommt, haben Behörden und Rettungsdienste als potenzielle Gefahr dennoch auf dem Schirm.

Gefahr von Hochwasser in Siegen: Kaum Retentionsflächen vorhanden

Was aber etwa an der Ahr passiert sei, gehe darüber weit hinaus. Diverse Umstände und Rahmenbedingungen seien zusammengekommen und hätten die Katastrophe verursacht. „Mit so etwas rechnen wir schon ganz lange“, sagt Matthias Ebertz; zwar nicht „in dieser Ausprägung“ – aber auch da müsse nun neu nachgedacht werden.

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Die Gefahr in Siegen liegt vor allem an „Fehlern, die in den letzten 70 Jahren gemacht worden sind“, erklärt Matthias Ebertz:

Retentionsflächen, auf die sich Flüsse und Bäche bei Hochwasser ausdehnen können, gibt es in angemessenem Umfang erst wieder in Eiserfeld mit den Siegauen. Solche Bereiche sind aber äußerst wichtig, damit das Wasser einerseits keine Schäden anrichtet und sich andererseits die Fließgeschwindigkeit reduziert. In der Innenstadt hingegen ragt die Bebauung bis dicht an die Gewässer. Und dort stehen die Gebäude nun eben: „Man kann sie ja nicht abreißen.“

Siegen: Verrohrte Bäche und versiegelte Flächen steigern Überschwemmungs-Gefahr

Die Einmündung der Weiß in die Sieg bei Hochwasser. Bei noch extremeren Pegelständen könnten beide Flüsse über die Ufer treten.
Die Einmündung der Weiß in die Sieg bei Hochwasser. Bei noch extremeren Pegelständen könnten beide Flüsse über die Ufer treten. © WP | Hendrik Schulz (Archiv)

Verrohrte Bäche gibt es reichlich – etwa Fludersbach, Sohlbach, Scheldebach. Übersteigt die Wassermenge den Raum, den die Rohre bieten, gibt es ein Problem. Noch schlimmer wird es, wenn beispielsweise Baumstämme oder ähnlich große Objekte die Rohre verstopfen: Dann entsteht eine Barriere, an der sich das Wasser staut.

Die Weiß mit ihren vier Meter hohen Mauern links und rechts, zwischen denen sie der Einmündung zur Sieg entgegensteuert, ist auch ohne Rohr eingezwängt und erreicht in diesem Abschnitt je nach Pegel enormes Tempo. Damit, dass sie diese vier Meter überschreitet, „ist genauso zu rechnen wie damit, dass die Ahr zehn Meter erreicht“, sagt Matthias Ebertz. Wahrscheinlich ist es also nicht – aber das Risiko besteht.

Versiegelte Flächen verhindern, dass Wasser im Boden versickern kann. Dadurch bleibt es dort stehen oder fließt zusätzlich in Flüsse und Bäche.

Hochwasserschutz in Siegen: Was die Stadt tun kann

Da die Bestandsbebauung nun einmal da ist, bleibt für den Hochwasserschutz nur eine Konzentration auf die beeinflussbaren Faktoren.

Die Feuerwehr, zuständig für die Gefahrenabwehr, müsse sich darauf einstellen, „dass wir unsere Ausrüstung anpassen“, sagt der Leiter. „Irgendwie ist unser Planet sterbenskrank. Dass es schlimmer wird, haben wir schon vor Jahren eingeplant.“ Neu angeschaffte Fahrzeuge seien zum Beispiel geländegängiger und könnten sich auch durch höhere Wasserstände bewegen. Diese Vorbereitung auf Klimawandelfolgen gelte aber auch an anderen Stellen, etwa bei der Beschaffung von Waldbrandfahrzeugen: „Wir wissen, dass schlimmere Zeiten auf uns zukommen.“

Früher häufiger

Früher, daran erinnerte Feuerwehrchef Matthias Ebertz, kamen Überschwemmungen in der Innenstadt häufiger vor – etwa am Gerichtsparkplatz. Seit dem Rückbau der Wehre ist das Risiko deutlich gesenkt. Nachteil: Die Fließgeschwindigkeit ist höher.

Baulich, da ist der Feuerwehrchef ganz deutlich, sei ein Verzicht auf Versiegelung weiterer Flächen das Gebot der Stunde. Der Entsorgungsbetrieb der Stadt Siegen (ESi) habe außerdem ein Programm für die Weiß, um mehr Ausweichflächen zu schaffen. Relevant wird das vor allem, wenn die Universität als Teil des Campus Mitte neue Gebäude im Bereich Löhrtor baut – wobei bei diesem Projekt bereits eine Aufwertung der Weiß vorgesehen ist: Der Zugang zum Wasser soll möglich sein, wofür zwangsläufig mehr Raum erforderlich ist. Um dererlei auch andernorts und an anderen Gewässern umsetzen zu können, braucht es allerdings häufig die Zustimmung von Grundstückseigentümern, wie Matthias Ebertz sagt: „Damit ist eher nicht zu rechnen.“ Eine andere wichtige bauliche Maßnahme: Regenüberlaufbecken.

Hochwasserschutz in Siegen: Was Bürgerinnen und Bürger tun können

Die Feuerwehr hilft selbstverständlich, wenn die Katastrophe eintritt. Bürgerinnen und Bürger sollten sich aber eigenverantwortlich und vorsorglich mit dem Thema befassen, um gewappnet zu sein.

Warnen ist ein zentraler Punkt. Die Stadt Siegen hat ihr Sirenennetz behalten, als viele andere Kommunen sich von den Anlagen trennten – und später wieder nachrüsten mussten. Die Signaltöne zeigen an, was zu tun ist – vor allem Radio oder Fernsehen einschalten und sich so informieren. Dafür, so Matthias Ebertz, sei es notwendig, die verschiedenen Warntöne und ihre Bedeutungen zu kennen. Außerdem gibt es die Warn-App „Nina“.

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Flucht: Sinnvoll sei es, wie der Fachmann unterstreicht, sich vorab Gedanken zu machen, was man mitnimmt, falls man das Haus verlassen muss – und nicht erst im Notfall zu überlegen. Hierzu gibt es Infos auf der Homepage der Stadt.

Siegen: Häuser mit relativ einfachen Mitteln besser gegen Hochwasser schützen

Relativ einfache bauliche Maßnahmen können helfen, das eigene Haus zu schützen: Eine Erhöhung der Lichtschächte, Rückstauklappen oder ein so genannter Pumpensumpf: „Damit kann man schon eine Menge erreichen.“

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So banal es klingt: Bei Hochwasser ist es schon ein wichtiger Schritt, eine höhere Lage aufzusuchen. „Bei der Sieg reicht es, die Löhrstraße hochzulaufen“, rät Matthias Ebertz. Niemals unterschätzen sollte man die Kraft, die von schnell fließendem Wasser ausgeht: Schon relativ geringe Pegel können bei entsprechendem Tempo erwachsene Männer umwerfen und mitreißen.

Alle Infos der Stadt Siegen zum Thema gibt es hier.

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