Siegen-Wittgenstein. Globales wird lokal: Neue Klima-Stabsstelle beim Kreis Siegen-Wittgenstein unterstützt bei Anpassung an die Klimaveränderung.

Die Starkregen-Katastrophe war ein weiterer Beschleuniger. „Es kommen viel mehr Leute auf uns zu“, berichtet Lara Meurer. „Was früher abstrakt war, wird jetzt geschärft“, bestätigt Dr. Andreas Kaiser, „es kommt so langsam an, dass man weiß, warum es ein Klimaschutzkonzept gibt.“

Lara Meurer und Dr. Andreas Kaiser gehören zur neuen Klimaschutz-Stabsstelle der Kreisverwaltung. Mit besonderer Spannung wird die Klimawirkungsanalyse erwartet, die gerade in Zusammenarbeit mit der TU Dortmund entsteht: Daraus werden die Menschen ablesen können, wie sich Hitze und Dürre, Hochwasser und Starkregen vor ihren Haustüren auswirken. Logisch, dass auch die Überlegungen zu einer dritten Talsperre für den Kreis auf diesem Tisch liegen: ein Projekt, das auf Klimafolgen reagiert, zugleich aber auch selbst Umweltauswirkungen verursacht.

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Markus Menn, Leiter der Stabsstelle, erinnert an den Anfang im Jahr 2015: mit einer Kraft, dem ersten Klimaschutzmanager des Kreises, der die Aufgabe hatte, den mit dem im Jahr zuvor verabschiedeten ersten Klimaschutzkonzept beschlossenen Maßnahmenplan zusammen mit acht beteiligten Kommunen umzusetzen. Mittlerweile gehören zehn Mitarbeitende zu der Stabsstelle, die auch für Mobilität und Wirtschaftsförderung zuständig ist.

Entwicklung: Klimascouts, Geothermie, Photovoltaik

Dr. Andreas Kaiser vertritt seit Februar die neue Koordinierungsstelle Klima, Energie und nachhaltige Regionalentwicklung. Der promovierte Geograf hat sich zuletzt an der Uni Jena mit Starkregen in Südafrika befasst, bevor er in die Siegerländer Heimat zurückkehrte und seine Arbeit bei der Kreisverwaltung aufnahm. Er kümmert sich unter anderem um die Klimascouts, ein Klimabildungsprojekt, mit dem der Kreis sich an der Südwestfalen-Regionale 2022 beteiligt, und um die Geothermie, also die Nutzung von Erdwärme, für die der Kreis auch in den Wettbewerb um Fördermittel getreten ist. „Da sind andere Bundesländer schon wesentlich weiter.“

Förderprogramme

Alle Programme zur Klimaanpassung, an denen sich der Kreis beteiligt, werden hier dargestellt: siegen-wittgenstein.de/klimaanpassung.

Das Förderprogramm „Klimaresilienz in Kommunen“ ermöglicht Förderungen für Dach- und Fassadenbegrünungen: siegen-wittgenstein.de/dachbegruenung.

Mit Spannung erwartet wird – nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts, das bei der CO2-Neutralität Tempo macht – das neue Klimaschutzgesetz. Die Vorgaben kommen vom Staat – „aber umgesetzt wird es auf kommunaler Ebene.“ Kommunen, die etwas tun, haben Aussichten auf Fördermittel, im Bereich des Klimaschutzes im engeren Sinn, aber auch zum Beispiel bei Mobilität: „Es ist wichtig, da den Überblick zu behalten.“ Photovoltaik, Gasrückführung auf Deponien – das Themenfeld, das Dr. Andreas Kaiser zu koordinieren hat, ist nicht zufällig breit: „Klimaschutz ist das Querschnittsthema unserer Generation.“ Immer im Hintergrund: der CO2-Rechner, der vom Statistiker der Stabsstelle bedient wird – einer der Anzeigen für die Klimarelevanz politischer Beschlüsse, die mittlerweile für jede Beschlussvorlage der Gremien angegeben wird.

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Schutz: Nachhaltigkeitsziele konkret umsetzen

Yannika Vitt, studierte Geo- und Umweltwissenschaftlerin, ist seit Mai Klimaschutzmanagerin des Kreises. Ihr Arbeitsprogramm ist das Klimaschutzkonzept des Kreises. Dazu kommt die Qualifizierung für den European Energy Award, den der Kreis jetzt zum ersten Mal errungen hat. Und die Beteiligung an „Global nachhaltige Kommune NRW“. Diesseits der Programmtitel ist ihre Arbeit, die sie auf der zunächst noch befristeten Stelle bis Ende 2021 fortsetzen kann, durchaus handfest: Gerade laufen die nächsten Workshops mit den Firmen, die bei der neuen, dritten Runde von Ökprofit dabei sind. Befasst ist Yannica Vitt mit dem Stadtradeln, den in jeder Kommune geplanten Mobilstationen, Bikesharing und fairer Beschaffung.

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Fünf von 17 globalen Nachhaltigkeitszielen, die die UN formuliert haben, sind Schwerpunkt des Kreises im NRW-Projekt: Nachhaltige Mobilität, gute Arbeit, soziale Gerechtigkeit, lebenslanges Lernen, globale Verantwortung. Auch das wird handfest: Attraktiverer öffentlicher Nahverkehr, bedarfsgerechtes Wohnen, modernes Bildungsangebot, weniger Abfall… Und noch konkreter: Papierloses Kultur-Ticket, Glasfaser für alle, Naturtrekking, Wertstofftonne…

Käferholz am Hainberg in Eckmannshausen: Das Sterben des Fichtenwaldes ist eine Folge von Dürresommern und Borkenkäferbefall.
Käferholz am Hainberg in Eckmannshausen: Das Sterben des Fichtenwaldes ist eine Folge von Dürresommern und Borkenkäferbefall. © Jürgen Schade | Jürgen Schade

Anpassung: Fassaden begrünen, klimagerecht bauen und planen

Lara Meurer, ebenfalls Geografin, ist seit 2020 bei der Kreisverwaltung. Klimaanpassungsmanagerin – das ist das Eingeständnis, dass die Klimaveränderung nicht mehr abwendbar ist. Drei Projekte stehen auf dem Aufgabenzettel:

Klima sicher ist Klimafolgenanpassung für kleine und mittlere Unternehmen: Dämmen, Dach und Fassaden begrünen. Steht das Gebäude am Hang, ist es dem Wind ausgesetzt, droht Hochwasser? „Dann richtet man den Computerraum eher im Dachgeschoss als im Keller ein.“ Neun Unternehmen starten jetzt, der zehnte Platz kann noch besetzt werden. Siegen-Wittgenstein und zwei weitere Kreise sind im Pilotprojekt dabei. „Für uns ist es hoch spannend zu erfahren, wo es wirklich brennt“, sagt Markus Menn, Leiter der Stabsstelle, „die Unternehmen denken um und neu.“ „Aktuell liegt der Fokus auf Starkregen“, berichtet Dr. Andreas Kaiser. Dabei sind die nächsten Hitzewellen nicht weniger brisant: Hallen in Leichtbauweise sind nicht gedämmt.

Evolving Regions: Sieben Kreise und eine Region aus den Niederlanden befassen sich mit drei Themenbereichen. Es geht um klimagerechtes Planen und Bauen, gesunde Lebensverhältnisse sowie um Waldnutzung und Forstwirtschaft. In den Workshops geht es um „grüne und blaue Infrastruktur“, also um Grün und Wasser in der Stadt, um Entsiegelung, um Standards und Standorte für öffentliche Gebäude. „Wir wollen den Fokus auf Senioren legen, und auf Leute, die keine Stimme haben“, sagt Lara Meurer. Eine wichtige Rolle spielt der Dialog, ergänzt Dr. Andreas Kaiser: „Da sitzen Leute an einem Tisch, die sonst nie an einem Tisch sitzen.“ Und die Informationsvermittlung: „Es weiß nicht jeder, dass der Wald nicht jedem gehört“ – was Konflikte zwischen Waldbesitzern und Downhillfahrern erklärt.

Wald Aktiv: Vier Pilotgebiete in Siegen-Wittgenstein werden ausgewählt, in denen Starkregen droht – und wo Waldflächen in Siedlungsnähe sind, die das Wasser aufnehmen.

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