Siegen. Bei einem Workshop in Siegen lernen Jugendliche, wie sie Erklärvideos produzieren. Begleitet werden sie dabei von zwei professionellen Youtubern.
Der Klimawandel ist eskaliert: Emils Gesicht ist nass, Marvin hält mit der Kamera drauf. In Siegen im Jahr 2070 lässt es sich kaum noch aushalten: „Wir haben Dezember und es ist 40 Grad hier. Du willst nicht wissen, wie heiß es im Juli ist“, sagt Emil. Tatsächlich ist es nicht ansatzweise so warm. Aber für ein Erklärvideo muss die Szene eben sitzen: Da hilft auch ein Spritzer Wasser ins Gesicht. Für das perfekte Video ist beim „MINT-YouTubing“-Workshop im Berufskolleg Technik in Siegen kein Aufwand zu viel.
Siegen: Jugendliche produzieren eigene Videos im Berufskolleg Technik
Teil der Landesinitiative
Das Kursangebot ist Teil der Landesinitiative „zdi“ – „Zukunft durch Innovation“. Das Berufskolleg Technik stellt dafür die Räumlichkeiten und die Ausstattung zur Verfügung. Im letzten Jahr nahm Leon Diederichs aus Siegen an dem viertägigen Workshop teil. Sein Video reichte er bei der „Science Video Award 2020“-Jury der MINT-Community NRW für die Kategorie „Beste Erklärung“ ein. Vor kurzem konnte er den Preis dafür entgegennehmen.
„Wir wollten was über die Natur und den Weltraum machen“, sagt Marvin. Zusammen mit seinem Videokollegen Emil entschied er sich dann für die Sonneneinstrahlung. „Das verbindet beides“, so Emil. Vor dem Dreh schrieben die beiden Jungen ein Skript: „Wir telefonieren mit einem Wissenschaftler“, erläutert Emil, der diesen verkörpert. Nicht nur Dreh-, sondern auch Schauspielkunst ist beim Workshop gefragt.
Die Achtklässlerin Amelie ist für ihr Video derweil extra in ein Drachenkostüm geschlüpft. Zusammen mit Michel dreht sie einen Kurzfilm über die Regeneration von Körperteilen. Vorbild ist dafür ein Schwanzlurch, der Axolotl. „Diesem Tier können sogar Gehirnhälften nachwachsen“, erklärt Michel. Das Skript der beiden Jugendlichen sieht vor, dass Amelie im Drachenkostüm die Hand von Michel abbeißt. Drama darf schließlich auch in einem Erklärvideo nicht fehlen.
Amelie geht in ihrer Rolle voll auf: „Ich habe schon in der Schule viele Videos gedreht“, erzählt sie. Umso mehr, als die Corona-Pandemie ausbrach und viel Homeschooling auf dem Stundenplan stand. Mit dem Erlernten aus dem Workshop knüpft Amelie daran an. Professionelle Youtuber wollen dennoch alle fünf Workshop-Teilnehmer nicht werden. Sie möchten die neu erworbenen Fähigkeiten viel lieber für kleinere Videoprojekte im privaten Raum nutzen.
Siegerland: Youtuber aus Köln zu Gast in Siegen
„Ich finde es super, dass sich bei diesem Workshop alle vor die Kamera stellen“, sagt Simon Wessel-Therhorn. Oft würden die Kursteilnehmer davor zurückschrecken – nicht so in Siegen.
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Zusammen mit seinem Youtube-Kollegen Eduard Flemmer leitet Wessel-Therhorn die Workshop-Gruppen an. Beide drehen professionell Erklärvideos für den eigenen Youtube-Kanal „LekkerWissen“ – auch bekannt von „musstewissen Physik“ – und sind damit die perfekten Lehrer. Sie wiederum genießen aber auch die Zeit mit den jungen Videoproduzenten: „Die haben total Bock drauf. Die Arbeit mit ihnen macht unglaublich viel Spaß“, erzählt Eduard Flemmer.
Siegen: Vier Tage lernen, wie gute Erklärvideos entstehen
Am Anfang des Workshops zeigten er und sein Kollege den Jugendlichen, was ein Erklärvideo überhaupt ist. „Da gibt es auch verschiedene Stilmittel, zum Beispiel eine Geschichte oder Zeichnungen“, erklärt Simon Wessel-Therhorn. Um sie zu veranschaulichen, schauten sich die Youtuber zusammen mit den Jugendlichen am Anfang etwa „Die Sendung mit der Maus“ an. Seit Jahrzehnten ist das Format für seine Erklärvideos bekannt.
„In der anschließenden Recherchephase haben die Jugendlichen dann versucht, Antworten auf ihre Fragen zu finden“, sagt Simon Wessel-Therhorn. Sie hätten sich die Themen für ihr jeweiliges Video selbst ausgesucht. Vorgabe war nur, dass es sich um Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) dreht. Tipps für die passende Kameraperspektive und -einstellung erhielten die Achtklässler von Eduard Flemmer und Simon Wessel-Therhorn.
„Nach dem Dreh geben wir ihnen dann noch eine Einführung ins Schnittprogramm ‘DaVinci Resolve’“, so Wessel-Therhorn. Das kostenlose Programm habe den Vorteil, dass die Kinder auch nach dem Workshop damit arbeiten könnten.
„Ganz am Ende gibt es dann noch die Präsentation der Videos“, erklärt der Youtuber den Ablauf. Zwischen drei und sechs Minuten werden diese am Ende jeweils lang sein. Alle wurden mit Tablets oder Smartphones gefilmt. Wenn die Jugendlichen wollen, würde ihr Video auch vom zdi (siehe Infobox) veröffentlicht, so Wessel-Therhorn.
Youtuber in Siegen: Sechs Tipps für das perfekte Erklärvideo
Doch wie dreht man jetzt das perfekte Erklärvideo? Die Youtuber aus Köln geben Tipps:
- „Man sollte eine Geschichte erzählen“, sagt Simon Wessel-Therhorn. Nur dann bleibt der Zuschauer auch dabei.
- „Das Thema sollte man selbst verstanden haben“, meint der 35-Jährige. Wer sich richtig auskennt, kann es auch erklären. Am besten wählen Videoproduzenten ein Thema, das sie selbst interessiert.
- „Benutzt die eigene Sprache“, empfiehlt der Experte. Auch Fremdwörter gilt es zu vermeiden. „Es sollte zum Beispiel Kniescheibe statt Patella heißen“, betont Wessel-Therhorn.
- „Wer Lust hat, kann sich auchverkleiden.“ Denn das Outfit spielt auch beim Videodreh keine unwichtige Rolle.
- „Klar und deutlich reden“ – das sei das Wichtigste bei jedem Video, meint Simon Wessel-Therhorn.
- „Am Anfang muss man begreifen, dass die Konzeption für ein Video super wichtig ist“, ergänzt der 39-jährige Eduard Flemmer. Wie so oft ist die Planung nicht zu unterschätzen. Wenn die Recherche und das Skript erledigt sind, ist schon ein großer Schritt getan.
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