Siegen. Kinderpornos bei Siegener gefunden, „wie eine Briefmarkensammlung. Widerwärtig“, sagt der Ankläger. Dem Mann droht auch der Verlust der Rente.
Der Angeklagte ist ruhig, wirkt fast verstört. Der 54-jährige Siegerländer sieht sich sieben Vorwürfen gegenüber, die mit dem Besitz und der Weitergabe von kinder- und jugendpornographischem Material zu tun haben: Zwischen September 2016 und Juli 2018 soll er mehrfach Fotos von Jungen unter und auch über 14 Jahren über diverse Plattformen bekommen und selbst verschickt haben.
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Bei einer Durchsuchung fanden sich diverse Laptops und Mobiltelefone sowie ein ganzer Stapel von Datenträgen mit unzähligen Fotos und Videos. „Wie eine Briefmarkensammlung“, sagt Oberamtsanwalt Markus Urner mit Abscheu in der Stimme, findet die Vorgänge widerwärtig und hofft, dass der Angeklagte zumindest diese Botschaft aus dem Saal mitnimmt. Hinter jedem Foto stehe ein Schicksal, „eine gequälte Kinderseele“. Urner ist sicher, dass keiner der abgebildeten Jungs freiwillig posiert oder agiert hat.
Angeklagter gesteht in Siegen vor Gericht – „sensationell umfangreiches Material“
Der Jurist hält dem Angeklagten zugute, dass dieser geständig ist und damit eine angesichts des „sensationell umfangreichen Materials“ eine lange Hauptverhandlung überflüssig macht. Aber unter einem Jahr und acht Monaten Freiheitsstrafe geht es bei ihm nicht. Personen wie der Angeklagte sorgten dafür, einen widerlichen „Markt“ lebendig zu halten. Immerhin sieht Urner Raum für eine Bewährung.
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„Es ist für einen Verteidiger nicht leicht, in einer solchen Sache zu plädieren“, beginnt Anwalt Wolfgang Wehn, der bei der Beschreibung der Taten ebenfalls von „widerwärtig“ spricht. Allerdings sieht er seinen Mandanten nicht als „typischen Fall“, vielmehr als stillen, in sich gekehrten Mann, der „zur damaligen Zeit allein war und immer tiefer hineingerutscht ist“. Für Wehn bleibt wichtig, dass es nur „in seinem Kopf“ stattgefunden, dass der Angeklagte nie im normalen Leben andere angesprochen oder verletzt habe. Inzwischen sei für diesen auch Zeit vergangen, mit der genutzten Möglichkeit, die Dinge für sich zu reflektieren und zu bearbeiten.
Strafe über ein Jahr: Altersgeldansprüche aus Öffentlichem Dienst könnten futsch sein
Als die Polizei das Haus durchsuchte, in dem er lebte, war er zur Arbeit, nur die alte Mutter daheim. Mit dieser und seinem Freund, mit dem der Mandant seit einigen Jahren in einer Fernbeziehung lebe, sei es zu langen Gesprächen gekommen. Was den Fall für den Anwalt besonders schwierig macht: Als Spätfolge der Taten hat der Angeklagte auch seinen langjährigen Arbeitsplatz verloren. Weil dort ebenfalls problematische Fotos „aus Dusche und Umkleide“ die Runde machten. Bei einer Strafe über einem Jahr könne er seine Altersgeldansprüche aus dem Öffentlichen Dienst verlieren. Sagt Wehn und bittet um eine Ausnahmebestrafung innerhalb der Toleranzgrenze, für die vielleicht dann das Bußgeld höher ausfallen könne. Urner hatte 3000 Euro beantragt. Immerhin gebe es keine Vorstrafen, ein ruhiges Leben ohne große Außenwirkung, betont der Verteidiger.
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Amtsrichter David Klappert lässt sich Zeit, verkündet schließlich ein Jahr und sechs Monate zur Bewährung. Das Gespräch mit der Mutter hält der Vorsitzende nicht für ausreichend. Da müsse eine Aufarbeitung her, bei der ein Bewährungshelfer nützliche Hilfe leisten könne. Weshalb der Richter die Bewährungszeit auch auf ungewöhnliche vier Jahre festlegt. Dazu kommen 3000 Euro an das Kinderhospiz in Olpe. Klappert sieht den Zeitablauf und die geständige Einlassung, auch die fehlenden Vorstrafen, als positiv. Ob es allerdings tatsächlich so ganz ohne Außenwirkung geblieben sei, bleibe vor dem Hintergrund des Entlassungsgrundes fraglich.
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Jedenfalls habe der Angeklagte sehr großes Glück gehabt, dass die letzte Tat vier Jahre zurückliege. Nach den zwischenzeitlich geänderten Strafandrohungen „hätten Sie mit dem doppelten oder dreifachen rechnen müssen!“ Es gibt keine Erklärungen zum Rechtsmittelverzicht.