Meschede. „Es ist höchste Zeit“: Die KVWL antwortet auf die Forderung nach einer Notfallpraxis und legt überraschende Zahlen für den HSK vor.
Der Seniorenbeirat Meschede, um den Vorsitzenden Manfred Breider und seinem Stellvertreter Horst Radkte, kämpft für die Einrichtung einer Notfallpraxis in Meschede. Jetzt hat sich Dr. Hans-Heiner Decker, Bezirksstellenleiter der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL), zu den Forderungen geäußert.
Zum Hintergrund: Notfallpraxen sind Anlaufstellen für die Zeiten, in denen der Hausarzt bereits geschlossen hat. Anders als die Notfallambulanz behandeln die Praxen keine schweren Verletzungen oder Unfälle. Die nächsten Notfallpraxen befinden sich in Hüsten und Warstein, aber auch in Brilon, Schmallenberg, Marsberg und Winterberg.
KVWL spricht Klartext: Eine Notfallpraxis in Meschede ist „realitätsfern“
„Es ist bis heute unverständlich, warum keine Notfallpraxis in Meschede existiert“, sagt Horst Radkte. Ein Gespräch zwischen dem Seniorenbeirat und der KVWL, die außerhalb der Öffnungszeiten der Hausärzte für die Notfallversorgung zuständig ist, erzielte nicht das gewünschte Ergebnis. Der Bezirksstellenleiter Decker spricht nun Klartext:
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„Die Initiative zur Errichtung einer KVWL Notfallpraxis am Walburga Krankenhaus Meschede ist realitätsfern und weckt nicht erfüllbare Erwartungen in der Bevölkerung“, sagt Hans-Heiner Decker.
Der Bezirksstellenleiter verweist auf die Notfallnummer 116117 unter der Bürger eine zentrale Ersteinschätzung und Beratung bekommen. Die noch neue Möglichkeit einer Videosprechstunde im Notfalldienst biete dazu eine schnelle Versorgung. „Die Bekanntmachung der 116117 ist wichtiger, als durch unrealistische Forderungen der Politik stets neue unerfüllbare Erwartungen und damit Unzufriedenheit auf ärztlicher wie auf Bürgerseite zu schüren“, so Hans-Heiner Decker.
Notfallnummer 116117
Die Patientenservice-Hotline 116 117 gilt deutschlandweit. Sie funktioniert ohne Vorwahl und ist kostenlos.
Außerhalb der regulären Praxis-Öffnungszeiten können sich Bürgerinnern und Bürger unter der Nummer eine telefonische Ersteinschätzung abholen. Am anderen Ende der Leitung sitzt medizinisch geschultes Personal, das sowohl eine Einschätzung zur Behandlungsdringlichkeit als auch zum Behandlungsort – ob Krankenhaus, Notfallpraxis oder Hausarztpraxis – geben kann.
Bei lebensbedrohlichen Situationen sollte immer die 112 gewählt werden.
Der HSK schneidet im Vergleich gut ab
Die Notfallpraxen sind oft ganzjährig, an Wochenenden und an Feiertagen geöffnet. Besetzt werden diese Praxen von Ärztinnen und Ärzten aus der Region. Da es jedoch immer weniger Landärzte gibt, steigt auch die Anzahl an Diensten, die der Einzelne stemmen müsse.
„Aber nur mit einer erträglichen Dienstbelastung im Notfalldienst ist es möglich, auch noch den Praxisalltag von montags bis freitags zu stemmen. Wird die verpflichtende Dienstbelastung zu hoch, werden potenzielle Praxisnachfolger diesen ländlichen Raum meiden und sich umorientieren“, betont Decker weiter und fragt kritisch: „Was also nützt ein noch dichteres Netz von Notfallpraxen, wenn montags nach einem Wochenende keine Praxis mehr für die Weiterbehandlung bereitsteht?“
Verglichen mit Nachbarkreisen verfüge der HSK zudem über eine hohe Anzahl an Notfallpraxen. Genauer: Der Kreis Soest hat bei einer Einwohnerzahl von knapp 306.000 nur drei, der Kreis Siegen-Wittgenstein bei knapp 276.000 Einwohnern sogar nur zwei Notfallpraxen, während dem HSK mit 261.000 Einwohnern fünf Praxen zur Verfügung stehen, zählt der Bezirksstellenleiter auf.
Bis zur Belastungsgrenze: Zu viele Dienste und zu wenige Ärzte
Die Einrichtung einer weiteren Notfallpraxis würde also, so Decker, nur zu einer noch niedrigeren Auslastung der bestehenden Praxen führen. Was viele nicht wissen: Alle Ärzte der ambulanten Versorgung finanzieren mit einer Kostenumlage von 200 Euro im Monat die Organisation des Notfalldienstes – und damit auch die Notfallpraxen, fügt Decker hinzu. „Die Ärzteschaft – nicht nur im Hochsauerland – fragt sich zurecht, warum gerade sie einseitig über die Belastungsgrenzen hinaus gehen sollte.“
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Statt die Notfallversorgung also kleinteilig zu zersplittern, sollte lieber „das Notfallzentrum am Alexianer Klinikum in Hüsten ausgelastet und die Synergien mit der KVWL Notfallpraxis genutzt werden“, um in der Region weiterhin wirtschaftlich agieren zu können, sagt Hans-Heiner Decker. „In der Zeit zunehmenden Arzt- und Fachkräftemangels ist es höchste Zeit, die Ressourcen im Gesundheitswesen und andernorts schonend einzusetzen und Bürgerpopulismus zu vermeiden. Wer hier uneinsichtig zurückbleibt, drängt die zahlreichen Ärztinnen und Ärzte im Rentenalter in die sofortige alternative Praxisaufgabe und sorgt nachhaltig dafür, dass die wenigen jungen Nachwuchskräfte das Land fliehen“, betont Decker.
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