Schmallenberg. Immer häufiger hört man von erschreckenden Fällen. Das sagt ein Schmallenberger Experte über das Verhalten von Jugendlichen.
Gewalt, Schlägereien, Drogenkonsum - früher vielmehr Probleme in urbanen Gegenden, den Ballungszentren. Heute nicht mehr nur dort. Obwohl es nicht gerne zugegeben wird, bleiben auch ländliche Regionen nicht verschont. Die Intensität der Gewalttaten nimmt zu. Das erfährt Andreas Achenbach in seinem Beruf als Streetworker, systematischer Coach und Sozialkompetenz-Trainer häufig genug. Er bietet verschiedene Präventivmaßnahmen und Anti-Aggressivitäts-Trainings an und war unter anderem an Projekten wie der Initiative „Kurve kriegen“ beteiligt. In Schmallenberg und in Eslohe ist Achenbach unterwegs.
Fälle werden verschwiegen
Sein Wunsch: Der Hang zur Gewaltbereitschaft muss gesehen werden und etablierte Lösungsansätze müssen zum Einsatz kommen. Aber viel zu häufig werden die Augen verschlossen. Oft fehlt es an Bereitschaft, etwas zu verändern oder nötige Ausgaben zu leisten. Ursachen verstecken sich in vielen Lebensaspekten der Jugendlichen, wie Achenbach im Interview erzählt.
Wie häufig kommt hier in den ländlichen Regionen Gewalt unter Jugendlichen vor?
Das ist hier schon fast wie in den Städten. Mir liegen keine Statistiken vor, aber ich glaube, dass die Dunkelziffer relativ hoch ist. Häufig werden Fälle aber verschwiegen oder verharmlost. So wurde beispielsweise Drogenkonsum von Passanten bei der Polizei angezeigt, diese ging der Sache aber leider nicht nach.
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Werden solche Fälle unter Jugendlichen hier häufig verschwiegen?
Wenn es zu größeren Auseinandersetzungen kommt, tritt natürlich die Polizei ein. Aber meine Wahrnehmung ist, dass man immer noch versucht, das Bild der heilen Wellt aufrecht zu erhalten. Dass zum Beispiel bei Drogenkonsum häufig Gewalt mit einhergeht, wird häufig nicht beachtet. Mein Eindruck ist, dass die Tragweite von Gewalt und Drogenkonsum unterschätzt wird.
„Die Gewalt am Gegenüber ist dann eine Art Tankstelle für neues Selbstbewusstsein. Viele Jugendliche wissen auch nicht mehr, wie Konflikte richtig gelöst werden und allgemein herrscht dazu noch eine relativ geringe Frustrationstoleranz.“
Messer im Spiel
Wie äußert sich diese Gewalt?
In einigen Fällen sind schon Messer oder Ähnliches mit im Spiel. Die Jugendlichen rüsten auf. Auseinandersetzungen hat es schon immer gegeben und wird es auch immer geben, aber die Intensität hat zugenommen. Die Jugendlichen meinen, sie müssten sich wehren und setzten da vor allem auf körperliche Gewalt, die auch dann nicht aufhört, wenn das Opfer am Boden liegt.
Welche Ursachen stecken hinter diesem Verhalten?
Die Täter haben häufig ein vermindertes Selbstwertgefühl. Die Gewalt am Gegenüber ist dann eine Art Tankstelle für neues Selbstbewusstsein. Viele Jugendliche wissen auch nicht mehr, wie Konflikte richtig gelöst werden und allgemein herrscht dazu noch eine relativ geringe Frustrationstoleranz. Dazu kommt, dass Alkohol und Drogen eine enthemmende Wirkung auf das Verhalten haben und die Situation eskalieren lassen. Ein anderer Punkt ist, dass die Kinder von den Eltern in vielen Fällen nicht mehr richtig wahrgenommen werden. Es wäre wünschenswert, wenn sie ihren Kindern mehr Beachtung schenken würden, den Medienkonsum beobachten und gegebenenfalls reagieren.
Es fehlt an Wertschätzung der Eltern
Welche Verantwortung haben Eltern denn?
Die Eltern tragen die größte Verantwortung. Häufig sind Eltern aber sehr eingebunden, haben beruflichen Leistungsdruck und unterliegen großen Lebenserhaltungskosten. Da fehlt schon mal die Zeit, sich mit ihren Kindern zu beschäftigen. Die Erziehung wird frühzeitig in die Hände des Staates gegeben. Es fehlt immer häufiger an dringend benötigter Wertschätzung der Eltern, gerade auch, weil die Entwicklungsphase eine Herausforderung darstellt. Das heißt, Kinder und Jugendliche sollte sich wahr- und ernstgenommen fühlen.
Welche Verantwortung haben Schulen in dem Kontext?
Schulen müssten da eigentlich viel mehr in die Prävention gehen und vorbeugend etwas unternehmen. Auch Mobbing ist eine grausame Form der Gewalt. Es führt zu einem enormen Leidensdruck bei den Opfern, die teilweise lebenslang unter den Folgen leiden. Die Finanzierung gezielter Maßnahmen stellt allerdings häufig eine große Herausforderung dar.
Wie sollte die Kommune damit umgehen?
Erstmal sollten sich die Orte öffnen und dazu stehen, dass etwas verändert werden muss. Hilfreich ist es, wenn beispielsweise Anti-Aggressivitäts-Trainings bei der Verurteilung eine Auflage wären. Meistens sind die Konsequenzen einfach Sozialstunden oder Jugend-Dauerarrest. Doch selten folgt da eine Verhaltensänderung. Bei Anti-Aggressivitäts-Trainings haben 65 Prozent der Täter der Gewalt abgeschworen, bei 10 bis 15 Prozent war die Gewalt weniger intensiv. Natürlich nimmt dieser Prozess etwas mehr Zeit in Anspruch.
Wie sich Konflikte aufschaukeln
Was haben die sozialen Medien mit der Problematik zu tun?
Eine ganze Menge. Obwohl sie von vielen so wahrgenommen werden, sind sie kein rechtsfreier Raum. Durch die Anonymität ist die Hemmschwelle sehr gering, verletzende Aussagen zu tätigen. Im direkten Kontakt, bei dem Körpersprache, Gestik und Mimik gegeben sind, käme es selten so weit wie im Internet. Konflikte schaukeln sich viel schneller hoch. Cybermobbing ist auch eine Form von direkter Gewalt mit großer Dunkelziffer.
Gibt es Hotspots für Gewalt unter Jugendlichen?
Allgemein beliebte Treffpunkte sind Schulzentren, Bahnhöfe, Kurparks oder die Nähe zu Einkaufsmöglichkeiten. Diese Orte sind Brennpunkte für Gewalt, Alkohol- und Drogenkonsum.
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