Rennefeld. Die Fallschirmspringer von Rennefeld stürzen sich aus enormen Höhen über Schmallenberg aus dem Flugzeug. Was die Faszination ausmacht.

Der Motor brummt unentwegt. Die große Tür geht auf und unter einem erstreckt sich das Schmallenberger Sauerland. 3000 Meter geht es hinunter. Dann ist er gekommen, der Moment, an dem es kein zurück mehr gibt. Absprung. Immer näher kommt der Boden. Der Zeiger auf dem Höhenmesser dreht sich immer weiter Richtung null. Adrenalin flutet die Blutgefäße. Mit gut 200 Kilometern pro Stunde rast man dem Boden entgegen. Bei 1000 Metern wird der Fallschirm gezogen und man gleitet gen Boden.

Ein Gefühl, wie es Reinhard Mey besang

So oder so ähnlich wird es sich für jeden anfühlen, der Fallschirmspringen ausprobiert. „Es geht um diesen kleinen Augenblick, sich frei wie ein Vogel zu fühlen und alle Sorgen hinter sich zu lassen“, sagt Thilo Zweigart. Er ist Fallschirmspringer und Ausbildungsleiter beim Fallschirmsportclub Sauerland e.V. „Über den Wolken, muss die Freiheit wohl grenzenlos sein. Alle Ängste, alle Sorgen, sagt man, liegen darunter verborgen und dann, würde, was uns groß und wichtig erscheint, plötzlich nichtig und klein“, sang schon 1974 Reinhard Mey, wenngleich er die Fliegerei ohne Sprung besang.

Fallschirmspringen in Schmallenberg
Über den Wolken zusammen mit anderen Fallschirmspringen ist ein unbeschreibliches Gefühl, sagt der Ausbildungsleiter Thilo Zweigart. © Thilo Zweigart / Skydive Sauerland | Privat

„Es ist schwer zu verstehen, wenn man noch nie selber gesprungen ist“, so Zweigart. Es stelle sich sogar so etwas wie eine Sucht ein, meint er. Eine Sucht nach dem Freiheitsgefühl, dem freien Fall. Manchmal stehe er auch am Boden und schaue sich die Wolken an. „Dann sehe ich ein Loch in einer Wolke und stelle mir vor, wie toll es sein muss, genau da durchzuspringen.“

Aufstieg dauert zehnmal länger als der Fall

Nach gut drei bis sieben Minuten ist der Spuk dann auch vorbei. Dann findet man sich 3000 Meter tiefer wieder auf dem Boden der Tatsachen zurück. „Fast jeder, der nach dem Sprung gelandet ist, steht mit einem riesigen Grinsen auf der Wiese“, sagt Zweigart und grinst selbst. Vier bis fünf Mal am Tag werde über dem Sauerland gesprungen, meist am Wochenende. Gesprungen wird zudem in verschiedenen Disziplinen: auf dem Bauch, im Winkel steil nach unten oder sogar mit einem Wingsuit ausgerüstet stürzen sich die Skydiver aus dem Flugzeug. Tandem, also zwei Springer zusammen, wird nur auf dem Bauch gesprungen.

Fallschirmspringen in Schmallenberg
Familiär geht es in Schmallenberg zu. © Thilo Zweigart / Skydive Sauerland | Privat

Etwa 25 Minuten braucht die 236 PS starke Propellermaschine des Vereins, um auf Sprunghöhe zu steigen. Vier Springer plus Pilot finden im Flugzeug Platz. „Während die ersten Springen, bereiten sich bereits die nächsten vor. Dann geht das hier Schlag auf Schlag.“ 48 aktive Mitglieder zählt der Club, die Mitglieder kommen von weit her: aus Düsseldorf oder Lüdenscheid, aber auch aus der näheren Umgebung. „Bei uns springt der Banker mit dem Zimmermann und der 20-Jährige mit dem 65-Jährigen“, schwärmt Thilo Zweigart vom familiären Miteinander im Club.

Wenig Sprungplätze in NRW

Rennefeld ist übrigens nur einer von sechs Fallschirmsprungplätzen in ganz NRW, sagt Thilo Zweigart. Notwendig für den Sprung aus einer Höhe, so hoch wie die Zugspitze, ist ein ärztliches Attest über die körperliche Fitness. „Man darf nicht unter Herzkreislaufproblemen oder Epillepsie leiden“, nennt Zweigart zwei Beispiele für einschränkende Krankheitsbilder. Außerdem muss ein Mindestalter von 14 Jahren erfüllt sein und der Sprunggast darf nicht schwerer als 90 Kilogramm sein, ergänzt der Ausbildungsleiter.

Thilo Zweigert ist Ausbildungsleiter bei den Skydivern Sauerland.
Thilo Zweigart ist Ausbildungsleiter bei den Skydivern Sauerland. © Thilo Zweigart | Privat

Etwa acht Quadratmeter groß ist der Fallschirm, an dem man Richtung Boden gleitet. Und circa 13 Kilogramm schwer der Rucksack, indem der Fallschirm auf den Rücken geschnallt wird und der Rest der Ausrüstung zusammen. Neben dem regulären Fallschirm ist auch ein Reservefallschirm im Rucksack. Dieser wird auch dann geöffnet, wenn der integrierte Öffnungsautomat keine Öffnung des Hauptschirmes ab einer kritischen Höhe verzeichnet.

Rettungssysteme retten tausende von Leben

„Das System hat schon Tausende von Leben weltweit gerettet“, sagt Zweigart. Ihm zufolge löst das Notsystem in einer Höhe aus, in der „man schon fast die Augenfarbe des Springers sehen kann.“ Innerhalb zwei bis drei Sekunden ist der Schirm geöffnet. Sollte der Fallschirm aus welchen Gründen auch immer nicht öffnen, kommt ein System zum Einsatz, welches auch die Raumfahrt für die Sonden benutzt, wie Zweigart erklärt.

Das Notsystem eines Fallschirmes
So klein ist der Öffnungsautomat eines Fallschirmrucksacks. © WP | Joshua Kipper

Um alleine springen zu dürfen, muss man eine Lizenz erwerben. „Oberstes Gebot ist dabei das Sicherheitsverhalten. Außerdem muss man Flugleistungen erbringen und die Luftverkehrsregeln einhalten können. Einen weiteren Teil macht auch das Formationsspringen aus“, so Zweigart. Etwa 30 bis 60 Sprünge seien im Schnitt nötig, um die Lizenz zu erwerben. „Doch nach der Prüfung lernt man erst richtig“, sagt der Ausbildungsleiter.

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Zum Fallschirmspringen gehört aber auch das Vorbereiten der Ausrüstung für den nächsten Sprung. „Etwa 10 Minuten braucht ein geübter Springer neben Ruhe, um den Schirm zu packen“, so Zweigart. Zehn Minuten, für die nächsten drei Minuten Adrenalinschub.

Zur Vereinsgeschichte

In den frühen Siebziger Jahren bildete sich aus einer militärischen Fallschirmeinheit eine private Gruppe Fallschirmspringer, der Fallschirmspringer-Club Leverkusen, die sich viele Jahre am Rennefeld aufhielten. Ab 1989 ließ sich der Fallschirmspringer-Club Iserlohn nieder, aus dem im Jahre 1994, aus Gründen der Verbundenheit zur neuen Heimat, der Fallschirmsportclub Sauerland e.V. wurde. In dieser Form wird seitdem fortlaufend aktiv Fallschirmsport betrieben.

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