Meschede. Neubau oder doch Gebrauchtimmobilie? Für viele Paar scheint der Wunsch vom Haus unerreichbar. Experten geben Tipps und machen Mut.

Ein frei stehendes Haus mit kleinem Garten - Schulen und Kitas gut erreichbar: So stellen sich viele junge Paare im Sauerland den Traum von den eigenen vier Wänden vor. Aber ist das aktuell überhaupt finanzierbar? Die Redaktion hat bei den Experten der Volksbank Sauerland und der Sparkasse Mitten im Sauerland nachgefragt. Dirk Atteln (Vorstandsmitglied), Beatrix Reke-Bücker (Immobilienberaterin) und Fabian Tillmann (Baufinanzierungsspezialist) von der Sparkasse sowie Jörg Schlomberg, Baufinanzierungsspezialist der Volksbank, machen Mut.

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Der Traum

Trotz der allgemeinen Verunsicherung sei der Traum vom eigenen Häuschen im Sauerland sehr real, sagen die Experten von Volksbank und Sparkasse. Und das Positive: „Der Markt kommt in Bewegung“, beobachtet Dirk Atteln. Die Bauzinsen - auch wenn sie natürlich deutlich höher sind als vor zwei, drei Jahren, hätten mit rund 3,5 bis 4 Prozent noch lange kein Rekordhoch erreicht. Die Preise für Gebrauchtimmobilien entwickelten sich sogar nach unten. „Denn angesichts der hohen Eigenheimquote im Sauerland kommen aktuell vermehrt Häuser aus den 50er- bis 70er Jahren auf den Markt.“ Aber: Eine Baufinanzierung bleibe eine sehr individuelle Entscheidung, die stark von den eigenen Einkommens- und Eigenkapitalvoraussetzungen abhänge, so Jörg Schlomberg von der Volksbank. Die eigene finanzielle Leistungsfähigkeit und die Ansprüche müsse man sorgfältig abwägen.

Die Sparkassen-Mitarbeiter (von links): Dirk Atteln (Vorstandsmitglied), Beatrix Reke-Bücker (Immobilienberaterin) und Fabian Tillmann (Baufinanzierungsexperte) erläutern die Situation am Sauerländer Immobilienmarkt und machen Hoffnung auf die eigenen vier Wände.
Die Sparkassen-Mitarbeiter (von links): Dirk Atteln (Vorstandsmitglied), Beatrix Reke-Bücker (Immobilienberaterin) und Fabian Tillmann (Baufinanzierungsexperte) erläutern die Situation am Sauerländer Immobilienmarkt und machen Hoffnung auf die eigenen vier Wände. © Funke Medien NRW | Ute Tolksdorf

Die Abwägung

Die Experten sehen die Verunsicherung ihrer Kunden angesichts gestiegener Zinsen bei gleichzeitig teureren Lebenshaltungs- und Baukosten. „Am besten setzt man sich in Ruhe zusammen und guckt, was man sich leisten kann“, rät Fabian Tillmann. „Erst dann sollte man entscheiden, ob es ein Neubau sein muss oder eine Gebrauchtimmobilie auch passt. Ob es ein Haus auf dem Dorf sein kann oder in der Kernstadt.“ Diese Beratung bieten die heimischen Banken kostenfrei an.

Jörg Schlomberg, Baufinanzierungsexperte der Volksbank Sauerland

„Der Kunde sollte das gewählte Baufinanzierungskonzept verstehen und sich mit der monatlichen Rate wohlfühlen.“

Jörg Schlomberg

Die Kosten

3,5 bis 4 Prozent betragen aktuell die Kosten für Bauzinsen im Schnitt, vor drei Jahren lagen sie bei einem Prozent. Für einen Neubau musste man zuletzt in Meschede beispielsweise im Baugebiet Alte Ziegelei II noch rund 500.000 Euro auf den Tisch legen. Ein Neubau, jetzt an der Sündelt oder auf dem Langeloh, kostet leicht 600.000 bis 700.000 Euro. Hinzu kommen - was viele vergessen - rund 12 Prozent Kaufnebenkosten, die sich aus 6,5 Prozent Grunderwerbssteuer, ca. zwei Prozent Notar- und Gerichtskosten sowie möglichen Maklerkosten in Höhe von 3,57 Prozent zusammensetzen. Das macht bei einer Darlehenssumme von 650.000 Euro mit 50.000 Euro Eigenkapital, 3,8 Prozent Zinsen und zwei Prozent Tilgung eine Belastung von rund 3142 Euro im Monat. Die Bankmitarbeiter wissen: Das ist für die meisten Sauerländer nicht mehr zu bezahlen. 

Die Finanzierung

Es sei denn, es gibt Unterstützung: durch einen Zuschuss aus der Familie, weil man selbst mehr an Eigenkapital angespart oder die Bereitschaft und das Können hat, viel in Eigenleistung zu erledigen. Auch das müsse man realistisch und ehrlich durchrechnen, empfiehlt Fabian Tillmann. Ein Finanzstock von 20 Prozent des Kaufpreises aus Eigenkapital und Eigenleistungen ließen Käufer und Bank auf jeden Fall ruhiger schlafen, so Atteln. „Denn auch wir wollen ja, dass die Finanzierung auf soliden Füßen steht.“ Doch selbst dann bleibt der Neubau sehr teuer.

Gebraucht-Immobilien

Eine Alternative kann der Kauf einer Gebrauchtimmobilie sein. Wer sich darauf einließ, wusste zwar 2023 länger nicht, welche weiteren Kosten durch das Gebäude-Energie-Gesetz auf ihn zukommen würden. „Diese Unsicherheiten lichten sich aber langsam“, sagt Beatrix Reke-Bücker. Man wisse jetzt, bis wann eine Heizung getauscht und ein Dach gedämmt werden müsse. „Dadurch belebt sich der Markt wieder.“ Und: Er entwickele sich zurück zu einem Käufermarkt. „Man kauft ein altes Haus für rund 200.000 Euro, steckt 100.000 Euro bis 150.000 Euro rein und zahlt dann im Vergleich zum Neubau immer noch nur die Hälfte.“ Der Vorteil sei auch, so Atteln, dass man nicht alles auf einmal erledigen müsse. „Man kauft sich was Altes und macht es nach und nach schick.“

„Es gibt attraktive Förderprogramme, deren Gesamt-Summe liegt dann leicht im sechsstelligen Bereich.  “

Fabian Tillmann
Bankfinanzierungsexperte der Sparkasse

Die Förderungen

Aktuell gebe es außerdem viele attraktive Förderprogramme, beispielsweise über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) oder die NRW-Bank, weiß Jörg Schlomberg. „Je energetischer und klimafreundlicher der Neubau ist, desto höher ist die Förderung“, ergänzt Fabian Tillmann. Hinzu komme auch eine Förderung für einkommensschwächere Personenkreise, die über den Kreis beantragt werden müsse. Darüber ließen sich Zinsen langfristig sichern. „Die Konditionen waren zuletzt sehr günstig“, rechnet Tillmann vor, „bei 0,5 Prozent Zinsen plus 0,5 Prozent Verwaltungsbeitrag. Zusätzlich gibt es noch einen Tilgungsnachlass.“ Auch die Höhe des Einkommens und die Zahl der Kinder könne sich positiv auswirken. „Die Gesamt-Förderung liegt dann leicht im sechsstelligen Bereich.“

Das Baugebiet „Alte Ziegelei“ entsteht hier im Jahr 2021. Die Preise sind mit den aktuellen Neubau-Preisen nicht mehr zu vergleichen.
Das Baugebiet „Alte Ziegelei“ entsteht hier im Jahr 2021. Die Preise sind mit den aktuellen Neubau-Preisen nicht mehr zu vergleichen. © WP | Ute Tolksdorf

Risiken mitdenken

Für eine Baufinanzierung bindet man sich langfristig. Deshalb muss man auch Risiken mitbedenken. Was ist, wenn ein Einkommen ausfällt, weil ein Partner erkrankt oder ein Kind kommt. Was ist bei Tod, Arbeitslosigkeit oder Arbeitsunfähigkeit? Vieles könne man, manches müsse man absichern, sagen die Experten. „Unsere Aufgabe ist es, auf die Risiken hinzuweisen“, sagt Atteln.

Gibt es einen Minimal-Verdienst?

„Bei 1000 Euro geht nichts“, sagt Fabian Tillmann, auf die Frage, bei welchem Einkommen, der Traum vom Haus tatsächlich platzt. Aber, so schiebt er direkt nach, einen ausgewiesenen Minimalverdienst gebe es nicht. „Die Faustformel lautet, dass die Kreditrate nicht mehr als ein Drittel des Nettoeinkommens betragen sollte“, so der Baufinanzierer und sein Volksbank-Kollege Schlomberg ergänzt: „Nach Abzug der Belastungen aus der Baufinanzierung, sollten von dem monatlichen Verdienst ausreichend Mittel verbleiben, um die Lebenshaltung und die persönlichen Ansprüche dauerhaft abzudecken.“ Die Darlehnsnehmer sollten in jedem Fall das gewählte Baufinanzierungskonzept verstehen „und sich mit der monatlichen Rate wohlfühlen.“