Eslohe/Bödefeld. Pia Gierse und Christina Schulte sind Fleischermeisterinnen. Die eine in Bödefeld. Die andere in Eslohe. Sie räumen mit einem Irrtum auf.

Die Würste baumeln, als die beiden Frauen den großen Rollwagen fürs Foto vorsichtig ins rechte Licht rücken. Freundlich lächeln Pia Gierse und Christina Schulte in die Kamera, als sie sich daneben postiert haben. Die beiden sind Fleischermeisterinnen von Beruf - und der beste Beweis dafür, dass es sich dabei keineswegs um eine Männerdomäne handelt. Keine blutverschmierte Schürze, kein Kreuz wie ein Bär, kein grimmiger Gesichtsausdruck, kein Hackebeil in der Hand. Neben dem Rollwagen wollen die beiden noch etwas ganz anderes ins rechte Licht rücken. Etwas, das ihnen sehr am Herzen liegt: Das Image ihres Berufes. Denn der sei keineswegs so grob, wie sich manch einer das vorstellt, sagt Christina Schulte.

Freundschaft entstanden

Kennengelernt haben sich die beiden vor ziemlich genau zwölf Jahren. Damals hatte Pia Gierse ein Praktikum in der Fleischerei Schulte in Eslohe absolviert. Heute ist sie 31 Jahre alt, machte im Jahr 2013 ihren Meister und arbeitet in der elterlichen Fleischerei Gierse in Bödefeld. Christina Schulte ist 36 Jahre alt, seit dem vergangenen Jahr Fleischermeisterin und leitet gemeinsam mit ihrem Mann die Fleischerei Schulte in Eslohe. Konkurrentinnen? Pia Gierse und Christina Schulte blicken sich gegenseitig an. „Nein“, sagen sie wie aus einem Mund. Ganz im Gegenteil. Im Laufe der Jahre sei vielmehr eine Freundschaft gewachsen. Und gewachsen ist auf beiden Seiten in dieser Zeit ebenso die Leidenschaf für den Beruf.

„Nicht so schlimm, wie viele glaube“

Ja, das Schlachten gehört für beide mit zum Berufsalltag. Aber zum einen mache es nur einen kleinen Teil aus, sagt Pia Gierse und zum anderen sei das auch gar nicht so schlimm, wie viele glauben. Weil es inzwischen längst keine Selbstverständlichkeit mehr ist, dass heimische Metzgereien selbst schlachten, sind die beiden sogar stolz darauf. Im Raum Schmallenberg ist die Metzgerei Gierse die einzige Metzgerei mit eigenem Ladenlokal, die noch selbst schlachtet. Im Raum Eslohe sind es die Schulten. „Eine Rarität sozusagen“, sagt Pia Gierse. Und eben genau deshalb mache es so stolz. „Wir kennen die Bauern, wissen, wo die Tiere herkommen“, erklärt die 31-Jährige. Man begleite sie quasi förmlich vom Hof bis in die Theke.

Und unter anderem genau hier, in der Theke, kommt die filigrane Arbeit ins Spiel, die den Großteil des Arbeitsalltages ausmacht. Denn: „Eine schöne Theke lädt zum Kaufen ein“, sagen Christina Schulte und Pia Gierse. Bunt und ansprechend solle es sein, denn neben der Produktion sei auch die Präsentation das A und O. Ebenso wie eine ordentliche Beratung der Kunden. Christina Schulte und Pia Gierse stehen gern im Laden und bringen an den Mann und die Frau, was sie gemeinsam mit ihren Kolleginnen und Kollegen produziert haben. Es sei die Mischung, die den Beruf ausmache - die Mischung aus Produktion, Präsentation, Partyservice, Verkauf und Büroarbeit.

Glücklich mit getroffener Entscheidung

„Eine 40-Stunden-Woche am Schreibtisch könnte ich mir beim besten Willen nicht mehr vorstellen“, sagt Christina Schulte. Allerdings habe sie sich zugegebenermaßen vor 15 Jahren auch nicht vorstellen können, mal hinter einer Wursttheke zu stehen“, ergänzt sie und lacht. Tja, und dann habe sie in die Metzger-Familie Schulte eingeheiratet und so habe das Ganze nach ihrer kaufmännischen Ausbildung seinen Lauf genommen: Zunächst eine Ausbildung zur Fleischereifachverkäuferin und nun eben noch zur Abrundung den Meistertitel oben drauf. Derweil war der Weg der Bödefelderin Pia Gierse als Metzgerstochter mehr oder weniger vorbestimmt. Allerdings sei es auch für sie zunächst keine Selbstverständlichkeit gewesen, in den Betrieb einzusteigen, sagt sie. Heute ist sie glücklich mit ihrer Entscheidung - ebenso wie Christina Schulte.

Sowohl in der Metzgerei Gierse in Bödefeld als auch in der Metzgerei Schulte in Eslohe, spielt der Partyservicebereich eine bedeutende Rolle. In Bödefeld macht er etwa die Hälfte aus. In Eslohe immerhin 20 Prozent.

„Doch die Nachfrage ist deutlich größer“, sagt Christina Schulte. „Wir würden gern mehr machen, um die Kundenwünsche in diesem Bereich befriedigen zu können, aber es fehlt schlichtweg an Personal.“ Es sei heute schwierig, Leute zu finden, die an den Wochenenden arbeiten wollen. „Und bei uns funktioniert das auch nur in dieser Dimension, weil neben mir auch Mama, Papa, Onkel, Tante, Schwester und Freundinnen an den Wochenenden mit dabei sind“, ergänzt Pia Gierse.

„Als guter Metzger bist du gleichzeitig auch immer Koch“

Platten belegen und dekorieren, hunderte von Frikadellen braten, Kräuterbutter herstellen, Schnitzel panieren, Salate machen und Dips anrühren, all das gehört für Pia Gierse und Christina Schulte ebenso zum Alltag, wie die Produktion von küchenfertigen Produkten - sei es das Füllen eines Cordon Bleus, das Einlegen eines Sauerbratens oder das Rollen einer Roulade.

„Wir nehmen unseren Kunden die Vorbereitung ab, weil viele von ihnen immer weniger Zeit haben, aber eben trotzdem etwas Gutes auf dem Tisch haben wollen“, sagt Christina Schulte. Dazu zähle auch die Produktion etwa von Gulasch und Suppen, die fertig in Gläsern daheim nur noch aufgewärmt werden müssen. „Als guter Metzger bist du gleichzeitig auch immer Koch“, sagt Christina Schulte, während Pia Gierse ihr nickend zustimmt.

Zwei Trends

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Dabei ist es übrigens inzwischen keineswegs mehr so, dass es in einer Metzgerei ausschließlich ums Fleisch und um die Wurst geht. Zur Zielgruppe gehören vor allem in der Grillsaison längst auch Veganer und Vegetarier. Sie kommen in den Laden, um sich mit Grillkäse, Gemüsespießen, Maiskolben und Salaten einzudecken. Der Trend vieler Menschen zum Vegetarismus bereitet dabei weder Christina Schulte noch Pia Gierse Kopfzerbrechen. Denn spätestens seit Corona gibt es einen weiteren Trend, der die Menschen in ihre Läden zieht: der Trend zur Regionalität und zum bewussten Fleischgenuss. „Ein Beruf mit Zukunft also“, sagen Gierse und Schulte. Und wer sich davon überzeugen wolle, dass er sogar noch Spaß macht, sei herzlich eingeladen, mal zum Praktikum vorbeizuschauen. Sehr gern auch weitere Frauen!

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