Menden. Silke* und Anna* sind verheiratet und bekommen mithilfe eines Spenders ein absolutes Wunschbaby. Doch es kommt anders als gehofft.

Eigentlich wollte Silke* nie schwanger sein. Doch mehrere Fehlgeburten ihrer Partnerin Anna* und deren Diagnose Endometriose bringen ihren Entschluss ins Wanken. Sie entschließt sich, es zu versuchen, obwohl sie eher der maskulinere Typ Frau ist. Jetzt, rund ein Jahr später, hält sie ihr Baby Silas* in den Armen. Es waren heftige Monate, auf die die kleine Familie zurückblickt. „Das Ergebnis zu sehen ist einfach das Schönste“, sagt Silke* glücklich. Doch klar sei auch: „Ich brauche nicht nochmal eine Schwangerschaft. Ich bin froh, wenn ich mich wieder wohlfühle.“

„Das Ergebnis zu sehen ist einfach das Schönste. Aber ich brauche nicht nochmal eine Schwangerschaft. Ich bin froh, wenn ich mich wieder wohlfühle.“

Silke*

Absolutes Wunschkind, doch Geburt läuft anders als erwartet

Silas ist ein absolutes Wunschkind. Anfang November erblickt er das Licht der Welt. Doch seine Mama Silke bekommt das gar nicht wirklich mit. „Mein Körper war da, der Rest nicht“, sagt sie. Die Geburt lief nicht so, wie die beiden Frauen aus Menden es sich ausgemalt haben. Im Gegenteil. Schon in der Nacht vor der Geburt ist Silke unruhig, kann nicht schlafen. Sie merkt, dass sie Fruchtwasser verliert und die Abstände der Wehen schnell immer kleiner werden.

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Im Schwerter Krankenhaus platzt die Fruchtblase schließlich ganz und die Schwangere bekommt eine Periduralanästhesie, PDA. „Dann ging es mir richtig gut“, sagt Silke. Doch plötzlich schwächelt das Baby im Bauch, die Herztöne sacken ab und die natürliche Geburt rückt in weite Ferne. Silke steht vor der Entscheidung: Jetzt langsam auf einen Kaiserschnitt vorbereiten oder weiter abwarten und in der letzten Minute alles übers Knie brechen?

„Mich wach aufschneiden zu lassen, das war eine schlimme Vorstellung für mich. Ich hatte Angst.“

Silke*

„Ich wollte eigentlich normal entbinden“, sagt sie. „Mich wach aufschneiden zu lassen, das war eine schlimme Vorstellung für mich.“ Doch sie weiß, dass es die beste Option für ihr Baby ist und stimmt wie in Trance zu. „Es ging mir schlecht, ich hatte Angst.“ Ihr Körper sei anwesend gewesen, doch ihr Geist nicht. Es habe sich anfühlt, als sei sie gar nicht wirklich da. Als funktioniere sie nur.

Silke geht es schlecht: Wird der Albtraum wahr?

Und nicht nur Silke hat große Angst. „Ich werde nie wieder über Väter herziehen“, sagt Anna mit leichten Tränen in den Augen. „Du bist so hilflos und kannst einfach nichts machen. Ich habe große Angst gehabt um beide.“ Bereits einige Nächte zuvor hatte Anna schlimme Albträume erlitten. Ihre Stimme bricht. Tränen steigen ihr in die Augen. „Ich habe geträumt, dass ihr etwas passiert bei der Geburt.“

„Ich werde nie wieder über Väter herziehen. Du bist so hilflos und kannst einfach nichts machen. Ich habe große Angst gehabt um beide.“

Anna*

Um 12.34 Uhr kommt Silas per Kaiserschnitt auf die Welt, schreit direkt und pinkelt Silke prompt bei der Entbindung in den Bauch. „Ich wusste gar nicht, was los ist. Auf einmal war das Kind da. Ich konnte das noch gar nicht verstehen“, erinnert sich Silke. Doch plötzlich baut sie nach dem Kaiserschnitt ab, übergibt sich immer wieder, zittert am gesamten Körper und bekommt Fieber. Da brechen alle Dämme bei Anna. Wird ihr Albtraum etwa wahr? Silke ist schwach und braucht Hilfe und Ruhe.

Lesbisches Paar bekommt mithilfe einer Samenspende ein Kind
Silas* ist ein absolutes Wunschkind. © WP | Privat

„Ich war zwei Stunden allein mit ihm“, erzählt Anna über das Neugeborene. „Das Gefühl war total surreal. Ich hatte erst Angst, dass es anders ist, weil ich ihn nicht bekommen habe“, beschreibt Anna, die bereits aus ihrer vorherigen Ehe mit einem Mann eine vierzehnjährige Tochter hat. Doch es sei einfach Liebe gewesen - 50 Zentimeter und 3480 Gramm pure Liebe. Als Silke schließlich wieder bei Kräften ist, lernt auch sie ihren Silas endlich bewusst kennen. „Das war unbeschreiblich. Er war in meinem Bauch und jetzt guckt er mich auf einmal an“, sagt sie.

Baby fiebert extrem und muss ins Krankenhaus

Der Schock scheint überwunden. Jetzt wird alles gut, denken die Frauen. Doch rund einen Monat nach der Geburt fiebert der Kleine plötzlich stark und muss für fünf Tage ins Neheimer Krankenhaus. „Wir sind sofort drangekommen und er hat einen zentralen Zugang am Kopf gelegt bekommen“, sagt Silke. Schnell wird klar, dass es sich um eine bakterielle Infektion handelt und dass das Baby ein kleines Lock im Herzen hat. „Wir haben nur geheult“, sagt Anna. Auch, weil sie Schuldgefühle gegenüber ihrer Tochter hat, die in der Zeit Geburtstag hatte. Es ist ein Spagat.

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Und die Pechsträhne hält an. Silas wird aus dem Krankenhaus entlassen, doch wenig später bricht Silke zusammen vor Schmerzen im Bauch. Diagnose Gallenkolik. Es ist zu viel Stress für ihren Körper. Die Behandlung läuft etappenweise über Wochen und endet schließlich mit einer Notoperation im Januar und einer weiteren OP wenig später. Auch Annas Körper kämpft derweil mit der andauernden Belastung und gibt nach: Lagerungsschwindel, Kristalle im Ohr, Krankenhaus.

„Kurzum: zwei kaputte Mamas und zwei gesunde Kinder.“

Silke*

„Kurzum: zwei kaputte Mamas und zwei gesunde Kinder“, sagt Silke. Die Familie fängt es auf, gemeinsam schaffen sie alles und werden wieder fit. Doch: „Wir konnten es gar nicht genießen, dass er da ist“, sagt Anna über das Baby, das sich beide Frauen so sehr gewünscht haben. Das soll sich ab jetzt ändern. Sie wollen als Familie endlich ankommen - wenn da nur nicht die Sache mit der Adoption wäre, die es nun zu regeln gilt. „Das ist alles nicht so einfach“, sagt das Paar auch mit Blick auf die anstehenden Wahlen und den anhaltenden Rechtsruck. „Aber wir versuchen es!“

* Namen von der Redaktion auf Wunsch der Familie geändert.

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