Menden. Silke* und Anna* lieben sich, heiraten und wünschen sich ein gemeinsames Baby. Doch irgendwie kommt alles anders, als gedacht.

Es ist die Liebesgeschichte von Silke und Anna aus Menden, die offenbaren, wie es sich anfühlt, als lesbisches Paar einen Kinderwunsch zu hegen.

Plötzlich ist sie mittendrin im Teenager-Erziehungs-Marathon. Wie geht man mit einem pubertierenden Mädchen um? Welche Rolle spiele ich im Dreieck mit Mutter und Vater des Kindes? Als eine gute Freundin Silke* vorschlägt, eine ihrer Single-Freundinnen einfach mal über den Messenger WhatsApp anzuschreiben („Das ist die perfekte Frau für dich!“), ahnt Silke noch nicht, dass sie kurze Zeit später Teil einer Patchworkfamilie sein wird. Dass sie eine Freundin, Anna*, mit pubertierender Tochter, Nala*, haben wird und keine Ahnung hat, wie das alles funktioniert. Und Anna ahnt nicht, dass Silke in einigen Monaten auf die Knie gehen wird - in einem Anzug mit roter Fliege, umgeben von Luftballons mit der Aufschrift „Willst du mich heiraten?“. Alles geht schnell, ist intensiv. Kennenlernen, Wohnungssuche, Umzug nach Menden, Antrag. Mit der Verlobung scheint das Glück perfekt. Doch es gibt noch etwas, das Silke und Anna bei ihrer ersten, spontanen Begegnung, damals in Unna, nicht wissen: Sie werden große Verluste ertragen müssen auf ihrer gemeinsamen Reise. Nicht alles wird so funktionieren, wie sie es sich wünschen auf dem Weg zu ihrem größten Glück: einem gemeinsamen Baby.

Lesbisches Paar aus Menden bekommt ein Baby
Anna* und Silke* sind voller Vorfreude. © WP | Privat

„Mein Papa hat gesagt: Wenn du glücklich bist, dann mach das!“

Anna*

Eigentlich gar keinen Bock auf Dating

Eigentlich hatte Silke gar keinen Bock auf Dating. Doch irgendwie schafft eine Freundin von ihr es, dass sie einen Versuch wagt und Anna bei WhatsApp anschreibt. „Hey, ich bin eine Freundin von Laura“, schreibt sie. „Ich musste eigentlich zur Nachtschicht und dachte mir: Na gut, man kann ja mal gucken. Letztendlich haben wir dann die ganze Nacht telefoniert“, sagt Silke und lacht. Das war im Sommer 2020. Schnell funkte es, eine Fernbeziehung zwischen Unna und Kassel entstand. Im Januar 2021 folgte die Wohnungssuche in Menden - am 1. Mai der Einzug, am 7. Mai der Heiratsantrag. „Ich wusste, dass das klappt“, sagt Silke. Es ist einfach Liebe.

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Den Messenger WhatsApp nennen die Frauen seitdem liebevoll „LauraApp“. „Jetzt sind wir verheiratet und ich bin schwanger“, erzählt Silke stolz. Die beiden Frauen haben sich den Traum von der perfekten kirchlichen Hochzeit realisiert. War das nicht alles vielleicht ein bisschen schnell? Diese Frage begegnet den Frauen oft. „Mein Papa hat gesagt: Wenn du glücklich bist, dann mach das!“, sagt Anna. Mit ihrem Ex habe sie neun Jahre bis zur Hochzeit gewartet und sei nun trotzdem von ihm geschieden. „Entweder es klappt oder eben nicht.“ Eine Garantie gebe es nie.

Plötzlich steht eine Frau an Mamas Seite

Immer mit dabei ist Annas Tochter aus erster Ehe. Dass ihre Mama nicht mehr Papa sondern eine Frau liebt, ist für den Teenager anfangs nicht so einfach. „Im ersten Moment war das nicht schön, irgendwie unnormal. Jeder hatte Mama und Papa“, sagt sie. Doch schnell akzeptiert sie die neue Situation. „Als sie acht geworden ist, hatten wir eine Übernachtungsfeier und ein Kind wollte deshalb nicht bleiben“, erinnert sich Mama Anna an einen Moment der Ausgrenzung. Das Mama-Herz habe geblutet. Tochter Nala ist ihr Ein und Alles. Dass Anna Frauen liebt, sei ihr erst recht spät klar geworden - und ihr enges Umfeld habe aber gut darauf reagiert. Die drei Frauen müssen sich eingrooven und finden einen Weg, wie sie als Familie gut zusammenleben können.

Lesbisches Paar aus Menden bekommt ein Baby
Anna und Silke mit Tochter Nala: Bald wird die Familie wachsen. © WP | Privat

Schwere Schicksalsschläge und große Gefühle

Anna und Silke ist nicht nur schnell klar, dass sie sich sehr lieben, sondern auch, dass sie gemeinsam ein Kind haben möchten. Anna ist neun Jahre älter als Silke. „Das ist ein sehr großer Unterschied“, sagt die 40 Jahre alte Anna. „Ich wollte nie schwanger werden. Aber seit Tag eins war klar, dass wir ein Baby möchten“, erinnert sich Silke. Anna soll das Baby austragen. Doch eine Kinderwunschklinik ist für die Beiden keine Option. „Das ist sehr kostspielig. 50.000 Euro braucht man da schon, um ein Kind zu kriegen. Also haben wir nach Alternativen geguckt“, sagt Silke. Im Internet finden die Frauen Seiten, auf denen sich Spender vorstellen. „Es gab viele Schockmomente“, sagt Silke. Einige Männer wollen ihr Sperma nur durch Geschlechtsverkehr spenden. Keine Option für die Menderinnen.

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Letztlich finden Silke und Anna im Internet einen Spender, der ihnen wirklich helfen möchte und mit ihnen auf die Babywunsch-Reise geht. Anna wird schwanger. Zweimal. Und zweimal verliert sie die Babys. Eine emotionale Achterbahnfahrt. Der Verlust fühlt sich schrecklich an. Zweifel kommen auf. Kurz nach der zweiten Fehlgeburt wird Annas Patenkind geboren - mit Trisomie 21. „Vielleicht soll es nicht sein. Meine Mama meinte: Vielleicht ist es deine Aufgabe auf dein Patenkind aufzupassen.“ Es folgen Untersuchungen. Anna hat Endometriose. Eine schmerzhafte, chronische Krankheit, die Wucherungen im Unterleib verursacht und die Fruchtbarkeit einschränkt. Ein Schock. Silke reagiert verständnisvoll. „Ich dachte: Dann leben wir eben ohne eigenes Kind. Wir haben ein großes Kind und zwei Hunde“, sagt sie. Der Freundeskreis gibt einen Gedankenanstoß: „Wieso machst du es nicht?“ Ich?, denkt Silke. Es folgen Gespräche. Eigentlich wollte Silke nie schwanger sein. „Wir haben miteinander gesprochen und ich habe sie gefragt, ob sie das emotional schaffen würde“, erinnert sich Silke und blickt ihre Frau liebevoll an.

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Wer soll das Baby austragen?

Silke versucht es. Der Spender steht den Frauen zur Seite und erklärt sich erneut bereit, zu helfen. „Ich dachte, dass es beim ersten Versuch nichts wird“, sagt Silke. Sie ist sich eigentlich sicher. Die Erwartungshaltung ist dementsprechend. Der Alltag geht weiter. Nach einem Konzertbesuch fühlt sich Silke nicht gut. Wenig später macht sie “mal eben vor der Arbeit“ einen Schwangerschaftstest. Eigentlich nur, um sicher zu sein, dass sie nicht schwanger ist. Anna ist derweil auf der Arbeit. „Der zweite Strich war sofort da und ich dachte: Scheiße! Was machst du jetzt?“, sagt sie lachend. Unter Schock ruft sie Laura, die Kupplerin, an. Die rät ihr, Annas Schwester anzurufen. Alle Frauen weinen vor Freude. Wie soll Silke es Anna erzählen? Bis heute Abend warten? Am Telefon? Gefühlschaos. Sie ruft schließlich per Videoanruf an. „Ich werde Vater“, ruft Anna überglücklich. Zusammenbruch, Tränen, unfassbare Freude.

Lesbisches Paar aus Menden bekommt ein Baby
Sie sind ein gutes Team. © WP | Privat

Die Schwangerschaft läuft nicht ganz unkompliziert, es gibt Blutungen und Momente voller Sorge. Doch die beiden Frauen meistern alles gemeinsam. Auch den Papierkram. Denn allein mit der Befruchtung und Schwangerschaft ist es nicht getan. „Wir hatten einen Termin beim Notar“, sagt Anna. Der Vater habe dort beurkundet, dass er die Vaterschaft nicht anerkennt. „Ich muss das Kind adoptieren“, sagt Anna. Acht Wochen nach der Geburt können die Frauen mit dem Prozess starten. „Das ist alles nicht so einfach.“ Doch die Vorfreude steigt. „Bett und Wickelkommode stehen schon“, sagt Anna glücklich. Und im November wollen die beiden Frauen ihr Baby endlich in den Armen halten.

* Namen von der Redaktion auf Wunsch der Familie geändert.

Mehr zu Silkes Coming-Out und ihrer Schwangerschaft lesen Sie hier.