Menden. Silke* entscheidet sich mit ihrer Ehefrau für eine künstliche Befruchtung und wird schwanger. Das Glück ist perfekt. Nicht jeder respektiert das.

Silke* geht selbstbewusst mit ihrer Ehefrau Anna* durch Menden. Sie ist stolz auf ihren großen, prallen Babybauch. Im November soll ihr erstes gemeinsames Kind auf die Welt kommen und die beiden Frauen könnten nicht glücklicher sein. Es ist ein absolutes Wunschkind. Die Frauen haben für ihren Sohn einiges in Kauf genommen. Doch nicht jeder versteht ihr Glück. Das Paar erntet immer wieder unangemessene Sprüche oder schiefe Blicke - auch, weil Silke sich maskulin kleidet und ihre Haare kurz trägt.

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Selbstfindungsphase und Outing mit 18 Jahren

Rückblick. Silke ist 18 Jahre alt, als sie vor Familie und Freunden allen Mut zusammennimmt und sagt: „Ich glaube, ich bin lesbisch.“ Die Reaktion verwirrt sie. „Das wissen wir doch“, sagen ihre Liebsten grinsend. Geahnt hatten es alle, nur Silke selbst hat Zeit gebraucht, um sich über ihre sexuelle Orientierung klar zu werden. Dort, wo sie aufwächst, ist es „normal“ einen Mann, Kinder, einen Hund und ein Haus zu haben. So ist die Idealvorstellung. Der Standard. Das wollen doch alle. Oder?

Lesbisches Paar aus Menden bekommt ein Baby
Gemeinsam mit ihrer großen Tochter freuen sich Anna* und Silke* auf den neuen Lebensabschnitt. © WP | Privat

„Ich hatte das Bedürfnis, mich maskulin zu stylen, aber meine Partnerin wollte das nicht.“

Silke*

„Ich habe mich immer unwohl gefühlt, wenn ich mit einem Mann zusammen war“, erinnert sich die heute 31-Jährige. Sie trägt damals lange Haare, kleidet sich weiblich und liebt Fußball. Irgendwann lernt sie beim Fußball eine maskuline Frau kennen und verliebt sich. Eineinhalb Jahre sind die Beiden ein Paar und in Silke wächst der Wunsch, sich optisch zu verändern. „Ich hatte das Bedürfnis, mich maskulin zu stylen, aber meine Partnerin wollte das nicht“, sagt sie.

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Befreiungsschlag nach der Trennung und neues Lebensgefühl

Nach der Trennung platzt schließlich der Knoten. Silke lässt sich die Haare raspelkurz schneiden. Anschließend fährt sie nach Hause, räumt ihren Kleiderschrank aus, wirft alles in einen Sack. „Dann bin ich zu meinem Papa gegangen und habe gesagt, dass ich Geld zum Shoppen brauche“, erinnert sich die 31-Jährige und lacht. „Ich habe angefangen, das zu kaufen, worin ich mich wirklich wohlfühle.“ In ihrem Fall: Männersachen. „Ich habe mich so befreit gefühlt.“

„Aber was ist daran unnormal? Ich bin eine Frau mit einem weiblichen Körper. Warum darf ich nicht schwanger sein?“

Silke*

Dieser Befreiungsschlag bleibt natürlich nicht unbeobachtet. Während ihre Liebsten hinter ihr stehen, hört Silke unter anderem auf der Arbeit unnötige Sprüche. Sie sei jetzt ein „Mannsweib“, heißt es. Blicke sprechen Bände. „Willst du jetzt ein Mann sein oder was?“ Silke ist ein emotionaler, sensibler Mensch, doch zeigt sich nach außen hart, um den Hass abprallen zu lassen. Wichtig sei ihr nur, was ihr engster Kreis denke.

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Maskuline Kleidung statt Umstandmode aus der Frauenabteilung

Das ist einige Jahre her. Mittlerweile sind Silke und Anna verheiratet und Silke ist schwanger. Als maskuline Frau mit Männerkleidung und kurzem Haar. Das hebe alles noch einmal auf ein neues Level. „Man spürt die Blicke. Die Menschen gucken doof“, sagt Silke. „Aber was ist daran unnormal? Ich bin eine Frau mit einem weiblichen Körper. Warum darf ich nicht schwanger sein?“, fragt sie sich. „Ich habe nie gesagt, dass ich keine Frau sein will.“

„Ich habe nie gesagt, dass ich keine Frau sein will.“

Silke*

Das Menschen so abwertend reagieren würden, weil sie sich kleide und style, wie sie sich selbst am schönsten findet, sei unerklärlich, mache betroffen und sei völlig daneben. „Es ist extremer als früher.“ Doch trotz allem will Silke sich nie wieder verstellen oder verkleiden müssen. Sie will leben und lieben, wie und wen sie will - ohne dafür verurteilt zu werden. „Ich bleibe mir treu.“ Und dabei genießt sie nicht zuletzt die völlige Rückendeckung ihrer Ehefrau, die sie genau so liebt, wie sie ist: einzigartig und schön.

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* Namen von der Redaktion auf Wunsch der Familie geändert.