Menden/Arnsberg. Der Mendener soll sein Nachbarskind in den Ferien an der Sorpe auch nackt fotografiert haben. Das sagt der Mann vor Gericht zu den Vorwürfen.
Es ist ein ungewöhnlicher Prozess vor dem Arnsberger Landgericht, die Vorwürfe sind massiv, ein besonderes Vertrauensverhältnis könnte schamlos ausgenutzt worden sein. Der sexuelle Missbrauch eines Nachbarskindes, mit dem man über viele Jahre, auf Wunsch und im Wissen von ihren Eltern, engsten Kontakt hatte, steht im Raum. Der Angeklagte aus Menden ist hochbetagt, mittlerweile 88 Jahre alt, und der erste Prozesstag nimmt eine überraschende Wendung.
„Was ich im Wohnmobil mit ihr gemacht haben soll, das stimmt nicht.“
Mit Kind in den Ferien an der Sorpe in einem Wohnwagen
Zum Prozessauftakt erschien er vor dem Arnsberger Landgericht im eleganten Anzug gekleidet, aber mit Krückstock und FFP2-Maske. Nach eigener Aussage ist er blind und hört auch nicht mehr gut. Vor etwas mehr als einem Jahrzehnt ist sein körperlicher Zustand noch deutlich besser gewesen. Die Vorwürfe, die Oberstaatsanwältin Claudia Rosenbaum vorträgt, beziehen sich auf die Jahre 2011 bis 2014. Es geht um sexuellen Missbrauch.
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Opfer des Seniors soll das Nachbarskind sein, zum Tatzeitpunkt gerade mal im Grundschulalter. Zu dem Mädchen hatte der Mann, das berichtete er auch selbst, damals ein enges Verhältnis, wie überhaupt zu der gesamten Familie in Menden. In den Ferien oder am Wochenende nahm er das Kind in seinen Wohnwagen an der Sorpe mit. „Das war mit ihren Eltern auch so abgesprochen.“
Senior fertigt Nacktbilder von Grundschulkind an
Was dort im Wohnwagen, aber auch bei dem Angeklagten zuhause in Menden passiert sein soll, darüber konnte das mutmaßliche Opfer erst viele Jahre später erzählen. Es berichtete von sexuellem Missbrauch seines Nachbarn. Und von Nacktbildern, die der ältere Mann gemacht habe.
„Ich habe ihr nie gesagt, dass sie sich ausziehen soll.“
Und obwohl der Mendener diese Fotos von seinem Computer gelöscht hatte, konnten die Ermittlungsbehörden das Material wieder herstellen. Allerdings: Die Vorwürfe des Besitzes beziehungsweise der Herstellung von kinderpornografischem Material sind mittlerweile längst verjährt – den nun 88-Jährigen dafür zu Rechenschaft zu ziehen, ist nicht mehr möglich.
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Angeklagter sieht kein Problem in den Nacktbildern
Und obwohl oder vielleicht auch, weil ihm dafür keine Sanktion mehr droht, gestand der Angeklagte vor Gericht umfassend ein, diese Fotos gemacht zu haben. Seine Nachbarin ist darauf immer wieder ganz oder teilweise unbekleidet abgebildet. Für den Senior aber alles gar kein Problem, wie er vor Gericht schilderte: Das Mädchen sei etwa in dem Wohnwagen immer wieder nackt herumgelaufen, sie habe das selber so gewollt, gerade bei großer Hitze. „Ich habe ihr nie gesagt, dass sie sich ausziehen soll.“ Er habe sie dann einfach in verschiedenen Situationen fotografiert.
Die Bilder, zusammen mit vielen anderen unverdächtigen Schnappschüssen dieser Tage, habe er auch den Eltern des Mädchen gegeben. Und auf seinem Computer immer nach wenigen Tagen gelöscht. Die vorsitzende Richterin Nina Niehaus sagt zu den Bildern später: Auch wenn das Kind seinerzeit vielleicht ungewöhnlich und auch freizügig in ihrem Verhalten gewesen sei, „so entbindet das eine erwachsene Person nicht von ihrer Verantwortung“.
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Senior soll Mädchen neunmal sexuell missbraucht haben
Schwerer noch aber wiegen die Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs, und die sind noch nicht verjährt. Insgesamt neun einzelne solcher Handlungen wirft die Staatsanwaltschaft dem Mendener vor. Dagegen wehrte sich der Mendener zunächst vehement. „Was ich im Wohnmobil mit ihr gemacht haben soll, das stimmt nicht.“ Und später: „Ich weiß nicht, wie sie darauf kommt.“
Auch wenn für die Nacktbilder keine Verurteilung mehr möglich ist, als Indizien für die Anklagevorwürfe werden sie im Verfahren vor dem Schöffengericht dennoch behandelt. Da der Angeklagte erblindet ist, muss ihm der Inhalt der Fotos beschrieben werden. An manche konnte er sich nach eigener Aussage noch erinnern, bestritt aber zunächst weiter jeden Missbrauch.
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Kehrtwende nach Unterbrechung: Mann gesteht seine Taten
Die Kehrtwende kam nach einer Unterbrechung, verkündet von seinem Verteidiger: „Er räumt alle Anklagepunkte rückhaltlos ein. Und er bedauert es.“ Grund dafür, mit Blick auf sein mutmaßliches Opfer, das mittlerweile volljährig ist: „Er möchte ihr die Tortur einer detaillierten Aussage ersparen.“
„Er räumt alle Anklagepunkte rückhaltlos ein. Und er bedauert es.“
Für alle anderen Beteiligten kam diese Wendung überraschend, das Gericht zog sich zur Beratung zurück. Der Verteidiger hatte zuvor für den 88-Jährigen erklärt, dass er sich ansonsten an überhaupt keine Details der Taten mehr erinnere. Mit dem Geständnis gehe es auch darum, das Verfahren zu beenden. „In dem vollen Bewusstsein, dass er womöglich in der JVA sterben wird.“
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Rentner erinnert sich an kleinste Details auf Bildern
Jede angeblich fehlende Erinnerung an seine Missbrauchstaten mag vielleicht überraschen, hatte der 88-Jährige doch von den zuvor eingeführten, mehr als zehn Jahre alten Bildern teilweise kleinste Details berichtet, als man dem erblindeten Mann die Szene beschrieb. Ohne von einem anderen Beteiligten Hinweise darauf zu bekommen, beschrieb er eine zusammen mit dem Kind im Bild festgehaltene Fernbedienung. Genau so eine ist tatsächlich zu sehen.
„In dem vollen Bewusstsein, dass er womöglich in der JVA sterben wird.“
Die vorsitzende Richterin Nina Niehaus erklärte anschließend, man nehme das Geständnis zur Kenntnis, so pauschal und ohne jedes Detail reiche es aber nicht aus. „Darauf kann man kein Urteil stützen.“ So muss das mutmaßliche Opfer eventuell doch aussagen.
Entscheiden wird sich das erst im Laufe des nächsten Prozesstages, zu dem die mittlerweile junge Frau als Zeugin geladen ist. Zuvor steht ein Rechtsgespräch der beteiligten Juristen an. Außerdem soll der Angeklagte nochmal Gelegenheit erhalten, vielleicht doch weitere Details und Erinnerungen vorzutragen.
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Es ist schon der zweite Anlauf, die Vorwürfe aufzuklären. Beim ersten Mal war dem Senior bescheinigt worden, nicht verhandlungsfähig zu sein aus gesundheitlichen Gründen. Das wurde nach einem Einspruch zurückgenommen, zumindest zwei bis drei Stunden pro Tag solle er sich dem Verfahren stellen können.
Der Prozess wird fortgesetzt. Wir berichten weiter.